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Nachfolgend wird also in zwei Schritten vorgegangen: In Teil 3 wird das Recht der Haftungsbeschränkung abgehandelt. Anschließend geht es in den Teilen 4 und 5 um die Fragen, die sich in der AG und in der GmbH im Hinblick auf den Zusammenschluss mehrerer Personenzu einer Gesellschaft ergeben und die nichts mit der Haftungsbeschränkung zu tun haben. Diese Abschnitte beinhalten die Beschlussfassung, den Minderheitenschutz, zu dem auch das Konzernrechtgehört und die Probleme der quasi-autonomen Geschäftsleitung. Der letzte Teil behandelt die börsennotierte AG. Fragen der Corporate Governancewerden einerseits im Zusammenhang mit der Geschäftsleitung in den ersten beiden Teilen erörtert, tauchen aber auch später bei den börsennotierten Gesellschaften noch einmal auf.
Teil 2 Die Organisation der Kapitalgesellschaft› § 2 Übersicht über das Recht der Kapitalgesellschaften und Rechtstatsachen› II. Warum die Unterscheidung zwischen AG und GmbH?
II. Warum die Unterscheidung zwischen AG und GmbH?
1. Kein Unterschied im Wesen
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Sucht man nach den Unterschieden zwischen den zwei Hauptrechtsformenfür das Betreiben eines Unternehmens mit Haftungsbeschränkung, so wird man nicht so leicht fündig. Betrachten wir zunächst die gesetzlichen Definitionen der beiden Formen.
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Definition der AG in § 1 Abs. 1 AktG: Gesellschaft mit eigener Rechtspersönlichkeit, für ihre Verbindlichkeiten haftet den Gläubigern nur das Gesellschaftsvermögen. |
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Definition der GmbH in § 13 Abs. 1, 2 GmbHG: Gesellschaft mit eigener Rechtspersönlichkeit, für ihre Verbindlichkeiten haftet den Gläubigern nur das Gesellschaftsvermögen. Das hilft nicht viel weiter. |
2. Gesetzliche Hauptunterschiede zwischen AG und GmbH
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AG |
GmbH |
Terminologie |
Grundkapital, § 1 II AktG Satzung § 2 AktG |
Stammkapital, § 5 GmbHG Gesellschaftsvertrag § 2 GmbHG |
Vermögensbindung(Rückzahlungsverbot) |
vollständig (§ 57 I 1, III AktG) |
nur Stammkapital (§ 30 I GmbHG) |
Börsenfähigkeit |
(+) |
(-) |
Weisungsbefugnisder Gesellschafter gegenüber der Geschäftsleitung in Geschäftsführungsfragen |
AktG (-), §§ 76, 119 AktG |
GmbH (+), § 37 I GmbHG |
Gestaltungsfreiheit(Möglichkeit, von gesetzlichen Organisationsbestimmungen abzuweichen) |
Satzungsstrenge, § 23 V AktG |
Vertragsfreiheit, § 45 GmbHG |
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Die Unterschiede sollen anhand des folgenden Beispiels verdeutlicht werden:
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Beispiel 1 zur Vermögensbindung:
Die X-GmbH (wie abgebildet, mit 3 Gesellschaftern A, B und C und dem Geschäftsführer G, Stammkapital 50.000 €, Geschäftsjahr = Kalenderjahr) betreibt einen Versandhandel von Software. Die Geschäfte gehen gut, die Gesellschaft hat keine Verbindlichkeiten, sondern ein durch den Softwareverkauf innerhalb von 2 Jahren erwirtschaftetes Guthaben von 200.000 € auf dem einzigen Konto der GmbH bei der D-Bank. Als A im Juni 2000 dringend Geld braucht, überweist ihm G auf seinen schriftlichen Wunsch hin mit dem Einverständnis von B und C 7.000 € von dem Konto als „Gewinnvorschuss“.
Diese Zahlung ist nach dem GmbH-Recht zulässig, da auch nach der Zahlung noch ein das Stammkapital deckendes Vermögen vorhanden ist (vgl. § 30 Abs. 1 GmbHG). Wie sähe es nun aus, wenn X eine AG mit einem Grundkapital von 50.000 € und G ihr Vorstand gewesen wäre? Hier wäre die Zahlung gem. §§ 57 Abs. 1 und 3, 59 AktG unzulässig, da von einem Bilanzgewinn im Sachverhalt nicht die Rede ist und auch nicht von einer Satzungsregelung, die gem. § 59 AktG eine Abschlagszahlung auf den Gewinn ermöglichen würde.
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Beispiel 2 zur Weisungsbefugnis:
Im Beispiel 1 weigert sich der G, das Geld an A zu überweisen. Daraufhin beruft A seine beiden Mitgesellschafter zu einer Gesellschafterversammlung ein und sie beschließen gemeinsam, den Betrag von 7.000 € an A als Gewinnvorschuss auszuzahlen.
Muss G diesem Beschluss Folge leisten? Ja, vgl. § 37 Abs. 1 GmbHG.
Wie wäre es, wenn G Vorstand einer AG gewesen wäre? Nein! Zwar muss auch ein Vorstand Gesellschafterbeschlüsse (in der AG Hauptversammlungsbeschlüsse) gem. § 83 Abs. 2 AktG befolgen, aber nur dann, wenn sie im Rahmen ihrer Zuständigkeitgefasst sind. In Fragen der Geschäftsführung (und dazu gehört die Zahlung eines „Gewinnvorschusses“) kann die Hauptversammlung aber gem. § 119 Abs. 2 AktG nur entscheiden, wenn der Vorstand es von ihr verlangt. Daran fehlt es im Sachverhalt, so dass der Beschluss unwirksam ist.
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Wie ist die Situation zu bewerten, wenn G als Vorstand einer AG nach dem Auszahlungswunsch sich nicht vollständig verweigert hätte, aber zunächst einmal einen Beschluss durch A, B und C verlangt hätte? In diesem Falle scheint nach dem Gesagten aus § 119 Abs. 2 i.V.m. § 83 Abs. 2 AktG eine Folgepflichtdes Vorstands zu bestehen. Doch da, wie bereits oben zu Beispiel 1 erörtert, §§ 57 Abs. 1 und 3, 59 AktG hier eine Abschlagszahlung untersagen, handelt es sich um einen rechtswidrigen Beschluss der Hauptversammlung, den G also doch nicht befolgen darf. Anders wäre es nur dann, wenn die Voraussetzungen des § 59 AktG erfüllt wären, was man hier aufgrund fehlender konkreter Angaben im Sachverhalt jedoch nicht unterstellen darf.
3. Andere Rechtsordnungen
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Die Unterscheidung zwischen AG und GmbH ist ein Problem, das z.B. das US-amerikanische Gesellschaftsrecht nicht hat. In den USA gibt es nach dem Motto „ one size fits all “ nur die corporation . Aber sobald die corporation keine an der Börse gehandelte Publikumsgesellschaft ist, sondern personalistische Zügeaufweist, d.h. aus nur wenigen Gesellschaftern besteht (dann nennt man sie close corporation ), finden Sonderregeln auf sie Anwendung, die dem kleinen Gesellschafterkreis Rechnung tragen.
Bei uns ist die Unterscheidung nach Rechtsformen auf den ersten Blick einfacher, da die Gesellschafter ja selbst wählen, ob sie nun eine AG oder eine GmbH sein wollen. Problematisch aber ist auch das, weil die AG ja auch personalistisch sein kann ( Familien-AGmit nur wenigen Gesellschaftern) und umgekehrt die GmbH eine Publikumsgesellschaft (freilich fehlt ihr die Börsenfähigkeit). Damit stellen sich dann ganz ähnliche Probleme des Abweichens der Realstruktur der Kapitalgesellschaft vom gesetzlichen Idealbildwie im US-amerikanischen Recht. In Deutschland müssen die Probleme von Abweichungen freilich gleich für zwei Rechtsformen gelöst werden, was die Sache nicht eben einfacher macht.
Teil 2 Die Organisation der Kapitalgesellschaft› § 2 Übersicht über das Recht der Kapitalgesellschaften und Rechtstatsachen› III. Hauptfragen des Kapitalgesellschaftsrechts
III. Hauptfragen des Kapitalgesellschaftsrechts
1. Hauptmerkmale der Kapitalgesellschaften
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Die wesentlichen Fragen und Probleme des Kapitalgesellschaftsrechts ergeben sich aus den Charakteristika der Kapitalgesellschaftselbst. Die Hauptmerkmale jeder Kapitalgesellschaft sind die folgenden:
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