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A. Fehlen einer eigenständigen Unternehmensbesteuerung
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Das deutsche Steuersystem kennt keine eigenständige Unternehmensbesteuerung. Vielmehr ist die Besteuerung der unternehmerischen Geschäftstätigkeit in ein System eingebunden, das zahlreiche Steuerarten mit einer Vielzahl von unterschiedlichen Steuerobjekten und Bemessungsgrundlagen umfasst.[9]
Die folgenden Beispiele vermitteln einen ersten Einblick, auf Einzelheiten wird in den späteren Kapiteln eingegangen: Die Gewinneeines gewerblichen Einzelunternehmensund der Anteil am Gewinn einer gewerblich tätigen Personengesellschaft unterliegen der Einkommensteuer. Sie gehen als eine der sieben Einkunftsarten in das zu versteuernde Einkommen einer natürlichen Person (Einzelunternehmer, Gesellschafter einer Personengesellschaft) ein. Da die Kirchensteuer und der Solidaritätszuschlag an die Einkommensteuer anknüpfen, unterliegen die Gewinne zusätzlichder Kirchensteuer(nur bei kirchensteuerpflichtigen Personen) und dem Solidaritätszuschlag.
Die Erfolgeeiner Kapitalgesellschaftwerden mit Körperschaftsteuerbelastet. Ergänzend wird der Solidaritätszuschlagerhoben. Darüber hinaus werden Gewinnausschüttungeneiner Kapitalgesellschaft auf Ebene der Gesellschafter (natürliche Personen, die ihre Anteile im Privatvermögen halten) als Einkünfte aus Kapitalvermögen von der Einkommensteuer(zuzüglich den beiden Zuschlagsteuern) erfasst. Eine Doppelbelastung mit Einkommen- und Körperschaftsteuer wird in pauschalierender Form vermieden: Auf Ebene des Anteilseigners einer Kapitalgesellschaft erfolgt die Entlastung bei der Einkommensteuer dadurch, dass die Dividenden einem Sondersteuersatz von 25% (und nicht dem persönlichen Einkommensteuersatz von bis zu 45%) unterliegen.
Die Gewerbesteuerknüpft an die Bemessungsgrundlagen der Personensteuern an, sodass auf den Gewinneneines gewerblich tätigen Unternehmers neben Einkommen- bzw Körperschaftsteuer(einschließlich Zuschlagsteuern) auch Gewerbesteuerlastet.
Die wichtigsten Tatbestände der Erbschaft- und Schenkungsteuersind „Erwerb von Todes wegen“ und „Schenkungen unter Lebenden“. Hierunter fallen auch unentgeltliche Übertragungenvon Einzelunternehmen sowie von Anteilen an Personen- und Kapitalgesellschaften.
Der inländische Grundbesitzunterliegt der Grundsteuer.
Bei den Verkehrsteuern bilden entgeltliche Lieferungen und sonstige Leistungen (Umsatzsteuer)und der Erwerb von Grundstücken (Grunderwerbsteuer)die wichtigsten Steuerobjekte. Daneben unterliegen die Zahlung eines Versicherungsentgelts (Versicherungsteuer), die Entgegennahme eines Versicherungsentgelts für bestimmte Versicherungen (Feuerschutzsteuer), Wetten bei öffentlichen Pferderennen bzw Lotterien und Ausspielungen (Rennwett- und Lotteriesteuer), das Halten eines Kraftfahrzeugs zum Verkehr auf öffentlichen Straßen (Kraftfahrzeugsteuer)sowie der Betrieb einer Spielbank (Spielbankabgabe)der Besteuerung.
Zu den bedeutsamsten Verbrauchsteuern gehören die Energiesteuer(Verbrauch von Mineralöl, Erdgas, Flüssiggasen und Kohle, nachwachsenden Energieerzeugnissen (zB Biodiesel) und synthetischen Kohlenwasserstoffen aus Biomasse als Kraft- oder Heizstoff), die Stromsteuer(Verbrauch von elektrischem Strom), die Alkoholsteuer(Verbrauch von Alkohol und alkoholhaltigen Waren), die Biersteuer(Verbrauch von Bier, als lex specialis zur Alkoholsteuer), die Alkopopsteuer(Verbrauch von bestimmten branntweinhaltigen Mischgetränken, als lex specialis zur Alkoholsteuer), die Kaffeesteuer(Verbrauch von Kaffee), die Schaumweinsteuer(Verbrauch von Schaumwein) und die Tabaksteuer(Verbrauch von Tabakwaren).
Die auf Gemeindeebene erhobenen Aufwandsteuern erfassen beispielsweise die entgeltliche Abgabe bestimmter alkoholischer und nichtalkoholischer Getränke zum Verzehr an Ort und Stelle (Getränkesteuer), das Halten eines Hundes (Hundesteuer), das Unterhalten einer Jagd oder einer Fischerei (Jagd- und Fischereisteuer), Erlaubnis zum Betrieb einer Gastwirtschaft oder eines Kleinhandels mit Branntwein (Schankerlaubnissteuer), Tanzveranstaltungen, Filmvorführungen usw (Vergnügungsteuer)und das Innehaben einer Zweitwohnung (Zweitwohnungsteuer).
Erster Teil Einführung› Zweiter Abschnitt Merkmale des deutschen Steuersystems › B. Dependenzen und Interdependenzen
B. Dependenzen und Interdependenzen
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Die Komplexität der Unternehmensbesteuerung erhöht sich dadurch, dass die einzelnen Steuerarten nebeneinander anfallen können:
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Bei der Einordnung eines wirtschaftlichen Sachverhalts in das Steuersystem wird zum Teil das gleiche Steuerobjektvon mehreren Steuerartenerfasst. Beispiele: Gewerbliche Gewinne unterliegen bei Einzelunternehmern sowohl der Einkommensteuer als auch der Gewerbesteuer, bei Kapitalgesellschaften sowohl der Körperschaftsteuer als auch der Gewerbesteuer. Entnahmen von Wirtschaftsgütern aus dem Unternehmen für private Zwecke sind sowohl bei der Einkommensteuer und Gewerbesteuer als auch bei der Umsatzsteuer steuerlich relevante Vorgänge. |
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Die verschiedenen Steuerartensind in vielfältiger Weise miteinander verknüpft. Die Verknüpfungen können über die Bemessungsgrundlage oder durch die Abzugsfähigkeit einer Steuerart bei Ermittlung der Steuerschuld einer anderen Steuerart auftreten. Beispiele: Die Kirchensteuer bemisst sich nach der Einkommensteuer einer natürlichen Person. Die Kirchensteuer ist wiederum von der Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer abzugsfähig. Dies bedeutet, dass sich die Kirchensteuer und die Einkommensteuer gegenseitig beeinflussen. |
Die effektive steuerliche Belastungder von Unternehmen erzielten Erträge, des unternehmerischen Zwecken dienenden Vermögens und von Verkehrsvorgängen ist deshalb im Regelfall nicht unmittelbar erkennbar.[10]
Erster Teil Einführung› Zweiter Abschnitt Merkmale des deutschen Steuersystems › C. Anknüpfung an zivilrechtliche Wertungen
C. Anknüpfung an zivilrechtliche Wertungen
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Zielder Unternehmensbesteuerung ist es, wirtschaftliche Tatbeständezu erfassen, wie beispielsweise das am Markt erwirtschaftete Einkommen oder das an einem Stichtag vorhandene Vermögen. Bei Konkretisierungder Steuergegenstände, dh bei der Festlegung dessen, was der Besteuerung unterliegt, wird aber nicht an betriebswirtschaftliche Zielgrößen– zB kapitaltheoretischer Gewinn, Kapitalwert, Deckungsbeitrag, Unternehmenswert nach der Discounted-Cash-Flow-Methode, Verkehrswert eines Grundstücks – angeknüpft, vielmehrbestimmt sich die Steuerbelastung nach juristisch definierten Bemessungsgrundlagen:das zu versteuernde Einkommen (§ 2 Abs. 5 EStG, § 7 Abs. 2 KStG), der Gewerbeertrag (§ 6 GewStG), die Bereicherung des Erwerbers (§ 10 ErbStG) oder der in einem speziellen Verfahren ermittelte Grundsteuerwert eines Grundstücks (§ 13 GrStG). Die für die Steuerbilanz geltenden Gewinnermittlungsvorschriften weichen erheblich von den betriebswirtschaftlichen Grundsätzen zur Berechnung des Erfolgs eines Unternehmens ab.
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