1 ...7 8 9 11 12 13 ...17
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Veränderung der Steuerschuld |
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δ Steuerschuld |
Grenzsteuersatz = |
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= |
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Veränderung der Bemessungsgrundlage |
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δ Bemessungsgrundlage |
Von einem Grenzsteuersatz kann man nur bei einer infinitesimal kleinen Veränderung (δ) der Bemessungsgrundlage sprechen. Mathematisch gibt der Grenzsteuersatz die erste Ableitung des Steuertarifs wieder. Für die Unternehmenspraxis sind betragsmäßig eindeutig feststehende Veränderungen der Bemessungsgrundlagebedeutsamer, wie Erhöhung der Einkünfte um 10 000 €. Bezieht man die in Euro ausgedrückte Veränderung der (steuerrechtlichen) Bemessungsgrundlage auf die dadurch ausgelöste Veränderung der Steuerschuld, erhält man den Differenzsteuersatz.
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Veränderung der Steuerschuld in Euro |
Differenzsteuersatz = |
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Veränderung der Bemessungsgrundlage in Euro |
Bei einem proportionalen Tarifstimmen Durchschnittssteuersatz und Differenzsteuersatz überein. Diese Aussage gilt unabhängig davon, wie hoch die Bemessungsgrundlage ist. Bei proportionalen Tarifen decken sich sowohl der Durchschnittssteuersatz als auch der Differenzsteuersatz mit dem vorgegebenen (konstanten) Steuersatz.
Progressive Tarifesind dadurch gekennzeichnet, dass der Durchschnittssteuersatz umso höherist, je höher die Bemessungsgrundlage ist. Progressive Tarife weisen den Anstieg des Durchschnittssteuersatzes entweder direkt oder indirekt aus.
Die direkte(offene) Progression(Abb. 1.4) kann unmittelbar aus dem Tarif ersehen werden. Sie ist dadurch gekennzeichnet, dass sich bei einem Anstieg der Bemessungsgrundlage nicht nur der Durchschnittssteuersatz erhöht, sondern auch der Differenzsteuersatz (Grenzsteuersatz). Der Anstieg des Differenzsteuersatzes verläuft steiler als die Erhöhung des Durchschnittssteuersatzes, sodass unabhängig von der Höhe der Bemessungsgrundlage der Durchschnittssteuersatz immer unter dem Differenzsteuersatz liegt. Beispiele für direkt progressive Steuertarife finden sich bei der Einkommen-, Erbschaft- und Schenkung- sowie Biersteuer und für Lastkraftwagen bei der Kraftfahrzeugsteuer.
Abb. 1.4:
Steuerschuld und Steuersatz bei einem direkt progressiven Tarif
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Die indirekte(versteckte) Progressionentsteht insbesondere durch Freibeträge(Abb. 1.5, oberer Teil). Wird von der Bemessungsgrundlage ein Freibetrag abgezogen, ergibt sich trotz (formal) konstantem Steuersatz ein progressiver Tarif: (1) Liegt die Bemessungsgrundlage unter dem Freibetrag, fällt keine Steuer an. Sowohl Durchschnittssteuersatz als auch Differenzsteuersatz betragen null. (2) Die Teile der Bemessungsgrundlage, die den Freibetrag übersteigen, werden mit dem vorgegebenen Steuersatz belastet, der in diesem Bereich dem Differenzsteuersatz entspricht. Der Durchschnittssteuersatz erhöht sich sukzessive und nähert sich dem Differenzsteuersatz immer mehr an. Aufgrund des Freibetrags kann er ihn aber – mathematisch gesehen – nie erreichen.
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Freibeträge sind von Freigrenzenzu unterscheiden (Abb. 1.5, unterer Teil). Ein Freibetrag stellt einen bestimmten Teil der Bemessungsgrundlage von der Besteuerung frei, lediglich der darüber hinausgehende Teil unterliegt dem Tarif. Auch bei einer Freigrenze fällt keine Steuer an, sofern die Bemessungsgrundlage unter der Freigrenze liegt. Übersteigt die Bemessungsgrundlage die Freigrenze, unterliegt allerdings die gesamte Bemessungsgrundlage der Besteuerung, (im Gegensatz zu einem Freibetrag) nicht nur der Teil, der über die Freigrenze hinausgeht.
Bis zum Erreichen des Grenzwerts betragen sowohl bei Freigrenzen als auch bei Freibeträgen der Durchschnittssteuersatz und der Differenzsteuersatz null. Übersteigt die Bemessungsgrundlage die Freigrenze, entfaltet eine Freigrenze keine Wirkung mehr: Durchschnittssteuersatz und Differenzsteuersatz richten sich in diesem Bereich nach dem vorgegebenen Steuersatz. Beim Übergang von der Freigrenze in den steuerpflichtigen Teil kommt es zu einem sehr hohen Differenzsteuersatz. Durch die kontinuierliche Angleichung des Durchschnittssteuersatzes an den vorgegebenen Steuersatz bei einem Tarif mit Freibetrag bzw durch den starken einmaligen Anstieg des Durchschnittssteuersatzes bei einem Tarif mit Freigrenze entsteht ein (indirekter) Progressionseffekt.
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Abb. 1.5:
Steuerschuld und Steuersatz bei einem indirekt progressiven Tarif
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Beispiel:
Gewährt ein Arbeitgeber seinem Arbeitnehmer Sachbezüge, bleiben diese außer Ansatz, wenn sie die Freigrenze von 44 €/Monat nicht übersteigen (§ 8 Abs. 2 S. 11 EStG). Bei Sachbezügen im Wert von 35 €/Monat hat der Arbeitnehmer diese nicht als geldwerten Vorteil zu versteuern, weil die Freigrenze unterschritten wird. Werden die Sachbezüge auf 50 €/Monat erhöht, sind diese in vollem Umfang als Arbeitslohn steuerpflichtig. Beträgt der Einkommensteuersatz des Arbeitnehmers 40%, hat er auf die Sachbezüge in jedem Monat 20 € Einkommensteuer (Lohnsteuer) zu bezahlen. Bezogen auf die zusätzlichen Sachbezüge von 15 €/Monat (= 50 €/Monat – 35 €/Monat) entspricht dies einem Differenzsteuersatz von 133% (= 20 €/Monat/15 €/Monat).
Freibeträge sind in den Steuergesetzen an den Formulierungen „insoweit“, „soweit“ oder „bis … insgesamt“ erkennbar. Freigrenzen werden mit „wenn“ oder „sofern“ bezeichnet.
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Zusätzlich besteht noch eine spezielle Formdes Freibetrags. Übersteigt die Bemessungsgrundlage einen bestimmten Wert, vermindert sich der Freibetrag sukzessive, bis er ab einem zweiten (höheren) Wert der Bemessungsgrundlage vollständig entfällt. Diese spezielle Form eines Freibetrags wirkt wie eine gleitende Freigrenze.
Beispiel:
Für Gewinne, die bei der Veräußerung eines Betriebs entstehen, wird unter bestimmten Voraussetzungen ein Freibetrag von 45 000 € gewährt. Dieser Freibetrag verringert sich um den Betrag, um den der Veräußerungsgewinn (dh die Bemessungsgrundlage) 136 000 € übersteigt (§ 16 Abs. 4 EStG).
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Bis zu einer Bemessungsgrundlage von 136 000 € wirkt diese Regelung wie ein Freibetrag. |
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Zwischen 136 000 und 181 000 € geht der steuerfreie Teil der Bemessungsgrundlage schrittweise zurück. Bei einem Veräußerungsgewinn von 150 000 € reduziert sich der Freibetrag auf 31 000 € = 45 000 € – (150 000 € – 136 000 €). |
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Bei einer Bemessungsgrundlage von über 181 000 € (= 45 000 € + 136 000 €) ist der Veräußerungsgewinn in vollem Umfang steuerpflichtig. |
Erster Teil Einführung› Zweiter Abschnitt Merkmale des deutschen Steuersystems
Zweiter Abschnitt Merkmale des deutschen Steuersystems
Erster Teil Einführung› Zweiter Abschnitt Merkmale des deutschen Steuersystems › A. Fehlen einer eigenständigen Unternehmensbesteuerung
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