2. Teil Straftaten gegen das Eigentum› B. Diebstahl, § 242› I. Überblick
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Beim Diebstahl ist das geschützte Rechtsgutnach h.M. sowohl das Eigentum[1] als auch der Gewahrsam.[2]
§ 242 normiert den Grundtatbestanddes Diebstahls. § 243 ist als Strafzumessungsnormzum einfachen Diebstahl nach der Schuld zu prüfen und enthält Regelbeispiele für besonders schwere Fälle des Diebstahls. Die §§ 244 und 244a sind Qualifikationenzu § 242 und stellen besonders gefährliche Begehungsweisen oder Diebstähle in besonders geschützten Begehungsorten unter eine erhöhte Strafandrohung . Privilegierungensind in den §§ 247 und 248a enthalten. Allerdings haben diese Privilegierungen keine Tatbestandsqualität. Sie normieren ausschließlich Strafantragserfordernisse und haben damit Bedeutung für die Zulässigkeit der Strafverfolgung.
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Der Diebstahl wird wie folgt geprüft:
Diebstahl, § 242
I. Objektiver Tatbestand
1.Tatobjekt: fremde bewegliche Sache
Leichen oder Teile des Körpers als Sachen Rn. 16
fremd: Bestimmung nach dem Zivilrecht Rn. 18
2.Tathandlung: Wegnahme
Alleingewahrsam Rn. 31
Mitgewahrsam Rn. 39
Gewahrsamswechsel Rn. 48
gegen oder ohne den Willen des Gewahrsamsinhabers: tatbestandsausschließendes Einverständnis Rn. 55
II. Subjektiver Tatbestand
1.Vorsatz, dolus eventualis reicht
2.Zueignungsabsicht
Gegenstand der Zueignung Rn. 73
Enteignungsvorsatz Rn. 81
3.Objektive Rechtswidrigkeit der Zueignung
Gattungsschulden Rn. 91
4.Vorsatz bezogen auf die Rechtswidrigkeit
III. Rechtswidrigkeit
IV. Schuld
V. Besonders schwerer Fall gem. § 243
Vorsatzwechsel Rn. 111, 145
Versuch Rn. 148
VI. Strafantrag erforderlich gem. §§ 247 oder 248a
2. Teil Straftaten gegen das Eigentum› B. Diebstahl, § 242› II. Objektiver Tatbestand
II. Objektiver Tatbestand
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Der objektive Tatbestand besteht in der Wegnahme einer fremden beweglichen Sache. Die Prüfung des objektiven Tatbestands erfolgt mithin in 2 Schritten:
Schritt 1a |
Schritt 1b |
Schritt 1c |
Schritt 2 |
Sache |
beweglich |
fremd |
wegnehmen |
1. Tatobjekt: fremde bewegliche Sache
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Der Begriff der „Sache“ kann gelegentlich in der Prüfung problematisch werden, so vor allem, wenn es um die Bestimmung der Sachqualität des menschlichen Körpers und seiner (abtrennbaren) Teile geht. Die Definition orientiert sich zunächst einmal am Zivilrecht.
Sachensind gem. § 90 BGB alle körperlichen Gegenstände.[3]
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Auf den wirtschaftlichen Werteiner Sache kommt es dabei ebenso wenig an wie auf den Aggregatzustand, so dass auch Flüssigkeiten als Tatobjekt in Betracht kommen. Zur Körperlichkeitgehört jedoch, dass der Gegenstand eine Begrenzung aufweisen und infolgedessen aus seiner Umgebung hervortreten muss.[4]
Beispiel
Freie atmosphärische Luft, Meereswasser, Schnee stellen keine Sachen dar, solange sie nicht z.B. in Flaschen abgefüllt sind. Andererseits kann das Ausstreuen von Unkrautsamen auf ein roggenbestelltes Feld eine Sachbeschädigung am Feld im Sinne des § 303 darstellen, da das Feld eine räumliche Abgrenzung aufweist und erkennbar aus seiner Umwelt hervortritt.[5]
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Tierewerden im Strafrecht als Sachen angesehen und unterfallen damit dem strafrechtlichen Eigentumsschutz. § 90a BGB („Tiere sind keine Sachen“) bezieht sich insoweit nur auf die Rechtsstellung von Tieren im Zivilrecht.[6]
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Forderungen, Rechte und Datensind keine körperlichen Gegenstände und damit kein taugliches Diebstahlsobjekt.
Beispiel
Werden also Bankdaten auf eine CD gebrannt, dann begeht der Täter keinen Diebstahl an den Daten. Es kommt aber eine Strafbarkeit gem. § 202a in Betracht. Verkauft er diese Daten dann später an das Land NRW, dann begeht der zuständige Amtsträger keine Hehlerei gem. § 259, da die Daten keine „Sachen“ sind, die ein anderer erlangt hat. Er kann sich aber wegen Datenhehlerei gem. § 202d strafbar gemacht haben, wobei allerdings Abs. 3 Nr. 1 die Strafbarkeit für solche Handlungen ausschließt, mit denen „Daten ausschließlich der Verwertung in einem Besteuerungsverfahren, einem Strafverfahren oder einem Ordnungswidrigkeitenverfahren zugeführt werden sollen“.
Auch elektrische Energieist keine Sache, wird aber über § 248c geschützt. Allerdings kann ein Diebstahl an der Urkunde, die eine Forderung oder ein Recht verkörpert, einer Batterie, die Energie beinhaltet, sowie an einem USB-Stick, auf dem Daten gespeichert sind, begangen werden.
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Der Körper des lebenden Menschenbesitzt keine Sachqualität. Auch fest eingefügten, künstlichen Teilen wie dem Herzschrittmacher (Substitutiv-Implantate)kommt keine Sachqualität zu, solange sie mit ihm verbunden sind.[7] Bei abgetrenntennatürlichen oder künstlichen Körperteilenwird die Sachqualität hingegen bejaht, da das einzelne Organ oder Körperteil kein Träger der Menschenwürde mehr sei.[8]
Umstrittenist jedoch, ob dies auch dann gilt, wenn der Körperbestandteilnach dem Willen des Rechtsgutsträgers wieder dem Körper zugeführtwerden soll.
Beispiel
A lässt sich eine Woche vor einer großen Operation 1 Liter Blut entnehmen für den Fall, dass er während der OP größere Mengen Blut verliert und eine Blutspende benötigt. Krankenschwester K verkauft das Blut.
Teilweise wird hier in Übereinstimmung mit der zivilrechtlichen Rechtsprechung[9] dieser Bestandteil als funktionale Einheit mit dem Körper und damit nicht als Sache angesehen. Ein strafrechtlicher Schutz solle über § 223 gewährleistet werden.[10] Dieser Ansicht wird jedoch entgegengehalten, dass damit § 223 unzulässig ausgeweitet werde. Die Gegenauffassung bejaht daher die Sachqualität, so dass ein strafrechtlicher Schutz über §§ 242, 303 möglich ist.[11]
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Umstritten ist ferner, ob Leichenund ihre künstlichen Bestandteile (Substitutiv-Implantate)als Sache angesehen werden können.
Beispiel
A arbeitet in einem städtischen Krematorium und durchsucht die nach einer Kremierung einer Leiche verbleibende Asche gezielt nach Edelmetallen, insbesondere Zahngold, welches er alsdann einsteckt und verkauft.[12] Hier kann A sich nur dann gem. § 242 strafbar machen, wenn das Zahngold zum einen eine Sache ist, die zum anderen auch noch im Eigentum eines anderen steht.
Die h.M. sieht menschliche Leichenund die mit ihnen fest verbundenen Teile zunächst als Sachenan.[13] Nach der Gegenauffassung sind Leichen, sofern sie zur Bestattung bestimmt sind, als Rückstand der Persönlichkeit anzusehen, deren Schutz über § 168 gewährleistet werde.[14]
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