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Bei Maßnahmen im besonderen Gewaltverhältnisbzw Sonderstatusverhältnis (zB Beamten-, Soldaten-, Schul-, Strafvollzugs- und Anstaltsbenutzungsverhältnis, s. dazu oben Rn 110 ff) unterscheidet man zwischen Maßnahmen, die in die subjektive Rechtsstellung der Gewaltunterworfenen eingreifen, und Maßnahmen, die jene nicht als Träger eigener subjektiver Rechte, sondern nur als einen in das besondere Gewaltverhältnis eingegliederten Teil der staatlichen Organisationbetreffen (s. hierzu Kopp/Schenke-W. Schenke , Anh § 42, Rn 67 ff).
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Abgrenzungsschwierigkeiten ergeben sich vornehmlich daraus, dass das, was für das allgemeine Staat-Bürger-Verhältnis gilt, nicht uneingeschränkt auf das durch eine erhöhte Abhängigkeit gekennzeichnete besondere Gewaltverhältnis übertragen werden kann (zur Unanwendbarkeit der Adressatentheorie vgl Rn 549 f). Einen wichtigen Gesichtspunkt zur Beurteilung der subjektivrechtlichen Relevanz von Maßnahmen im besonderen Gewaltverhältnis liefert dabei die auf Ule [37] zurückgehende plastische Unterscheidung von Grundverhältnis und Betriebsverhältnis. Maßnahmen im Grundverhältnisbetreffen dabei immerdie subjektive Rechtsstellungdes Gewaltunterworfenen, während Maßnahmen im Betriebsverhältnis typischerweise keine subjektivrechtliche Relevanz(Außenwirkung) aufweisen. Erkennt man, dass es sich bei dieser Differenzierung nur um ein Hilfsmittel handelt, das neben anderen Gesichtspunkten der Abgrenzung von Maßnahmen mit und ohne Außenwirkung dient, so erledigen sich die hiergegen in der Literatur etwa von Ruffert geäußerten Bedenken[38].
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Dem Grundverhältniszuzurechnen sind dabei jene Akte, die auf eine Begründung, Beendigung oder inhaltliche (substanzielle) Veränderungdes besonderen Gewaltverhältnisses gerichtet sind. Hierzu gehören im Beamtenverhältnis neben der Ernennung, Entlassung oder Versetzung in den Ruhestand oder der Beförderung auch andere gesetzlich geregelte und an bestimmte Tatbestandsvoraussetzungen gebundene Maßnahmen, so zB die Versetzungan eine andere Behörde, die Abordnung, das Verbot der Durchführung von Dienstgeschäften, die Übertragung eines Nebenamts, der Entzug geschäftsleitender Funktionen oder das Versagen einer Nebentätigkeitsgenehmigung[39]. Auch die dienstliche Beurteilungist im Hinblick auf die besondere Bedeutung, welche ihr für Beförderungsentscheidungen zukommt, dem Grundverhältnis zuzuordnen, stellt aber mangels einer Regelung dennoch keinen Verwaltungsakt dar, sodass hier der Rechtsschutz nur über eine allgemeine Leistungsklage (Rn 369) sicherzustellen ist. Zum Betriebsverhältnisgehören im Beamtenrecht hingegen alle Maßnahmen, die den Beamten allein in seiner Eigenschaft als Amtsträger und Glied der Verwaltung, also gewissermaßen als „Rädchen“ innerhalb des Staatsmechanismus, betreffen. Hierzu zählen zB Weisungen, die die Erledigung von Dienstgeschäften betreffen, oder die Entbindung von der Amtsausübung wegen Befangenheit ( BVerwG , Buchholz 310 § 42 Nr 200). Das schließt aber nicht aus, dass eine dem Betriebsverhältnis zuzuordnende Maßnahme auf Grund im Einzelfall gegebener atypischer Besonderheitendoch einen Eingriff in subjektive Rechtedes Beamten beinhaltet.
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Schwierigkeiten bereitet die Abgrenzung zwischen Grundverhältnis und Betriebsverhältnis vor allem im Zusammenhang mit der sog. Umsetzung, bei welcher einem Beamten innerhalb einer Behörde ein anderer Aufgabenbereich zugewiesen wird.
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Beispiel:
Inspektor I ist bisher im Bauordnungsamt der Stadt Mannheim beschäftigt, wird nunmehr aber im Rahmen einer Umorganisation dem Sozialamt der Stadt zugewiesen.
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Soweit es sich um die Zuweisung eines neuen Aufgabenbereichs ( Amt im konkret-funktionalen Sinnoder Dienstposten) handelt, der der laufbahnmäßigen Stellung des Beamten entspricht (dem Amt im abstrakt-funktionalen Sinn), greift die Umsetzung (anders als die mit einem Behördenwechsel verbundene gesetzlich geregelte Versetzung oder die Abordnung) nicht in subjektive Rechte des Beamten ein. Der Beamte besitzt nämlich grundsätzlich kein subjektives Recht auf Zuweisung bzw Beibehaltung eines ihm einmal anvertrauten bestimmten Tätigkeitsbereichs bei einer Behörde. Anderes gilt allerdings dann, wenn sich die Umsetzung auf Grund besonderer Umstände des Einzelfalls als eine Verletzung der Fürsorgepflicht des Dienstherrn darstellt, etwa wenn sie in einer diskriminierenden Weise erfolgt. Auch in einem solchen Fall liegt in der Umsetzung aber kein Verwaltungsakt, da sie trotz ihrer subjektivrechtlichen Relevanz nicht auf Außenwirkung gerichtet ist, sondern diese gewissermaßen nur als eine (ungewollte) Nebenfolge eintritt[40]. Rechtsschutz ist hier mittels einer auf die Rücknahme der Umsetzung gerichteten allgemeinen Leistungsklage sicherzustellen, für welche auch die analog § 42 Abs. 2 zu fordernde Klagebefugnis (Rn 515 f) besteht. Klagt der Kläger dennoch auf verwaltungsgerichtliche Aufhebung der Umsetzung, so ist sein Klageantrag umzudeuten ( BVerwGE 60, 144, 149; s. auch Rn 47). Entspricht die auf Dauer zugewiesene neue Tätigkeit nicht der laufbahnmäßigen Stellung des Beamten, so ist die Außenwirkung der Regelung gewollt und deshalb ein Verwaltungsakt zu befürworten. Dasselbe gilt bei einer Abberufung von einer leitenden Funktion[41].
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Die Unterscheidung zwischen Grundverhältnis und Betriebsverhältnis kann auch außerhalb des Beamtenverhältnisses, also etwa im Bereich des Universitäts- und Schulrechts, zur Bestimmung des Verwaltungsaktsbegriffs fruchtbar gemacht werden[42]. So betrifft zB die Aufnahme oder die Entlassung eines Schülers ebenso wie die sich in einem Zeugnis ausdrückende Versetzungsentscheidung das Grundverhältnis. Ob bereits eine einzelne Zeugnisnote ein Verwaltungsakt ist, richtet sich nach der Prüfungsordnung (BVerwG, NJW 2012, 2901; Morgenroth , NVwZ 2014, 32 ff).
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Weisungen innerhalb eines staatlichen Instanzenzugs sind prinzipiell keine Verwaltungsakte. Ordnet etwa das Innenministerium an, eine nachgeordnete staatliche Behörde habe eine Baugenehmigung oder eine gewerberechtliche Genehmigung nicht zu erteilen, so liegt zwar sicher eine Regelung vor, diese wirkt jedoch regelmäßig nur staatsinternund ist auch nicht – wie für einen Verwaltungsakt erforderlich – auf eine unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet. Erst die auf Grund der Weisung ergehende Entscheidung stellt einen Verwaltungsakt dar. Die Ablehnung des Verwaltungsaktscharakters einer Weisung bewirkt keine Rechtsschutzeinbuße, da hier an Stelle der Anfechtungsklage andere Klageartenin Betracht kommen (vor allem eine allgemeine Leistungsklage), die allerdings wegen fehlender subjektivrechtlicher Relevanz der Maßnahme meist schon an der Klagebefugnis scheitern werden.
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Bei besonders gelagerten Fallgestaltungen kann freilich auch einer Weisung bereits Außenwirkung zukommen. Dies traf im berühmten Baustofffalldes Württ-Bad VGH [43] zu. Hier hatte das Innenministerium als oberste Bauaufsichtsbehörde alle für die Erteilung von Baugenehmigungen zuständigen unteren Bauaufsichtsbehörden angewiesen, Bauvorhaben, die mit einem bestimmten Baustoff hergestellt werden sollten, wegen dessen vermeintlicher Feuergefährlichkeit nicht zu genehmigen. Dieser – nicht auf Außenwirkung gerichtete – Erlass sprach sich herum, sodass der betroffene Baustoffproduzent nicht mehr in der Lage war, Käufer für sein Produkt zu finden. Obwohl die Weisung unmittelbar nur an die nachstehenden Behörden gerichtet war, stellte sie damit zugleich einen mittelbaren (faktischen) Grundrechtseingriff in das durch Art. 14 GG geschützte Recht des Baustoffproduzenten am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb dar. Da sich diese rechtliche Außenwirkung der durch das Innenministerium getroffenen Regelung gewissermaßen nur als ein „ungewollter“ Nebeneffekt der Weisung ergab, lag kein Verwaltungsaktvor. Der verwaltungsgerichtliche Rechtsschutz ist in Fällen dieser Art über die allgemeine Leistungsklage sicherzustellen[44]. Die damalige Annahme des VGH, hier sei eine Anfechtungsklage wie gegen einen Verwaltungsakt gegeben, ging davon aus, im Subordinationsverhältnis sei ein Rechtsschutz nur gegenüber Verwaltungsakten statthaft und entspricht damit nicht mehr der heutigen Rechtslage, nach der in einem solchen Fall Rechtsschutz über eine allgemeine Leistungsklage (dazu Rn 368 ff) gewährleistet ist.
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