157
Im Hinblick auf die deutlich erhöhte Strafdrohung in § 251 StGB kann von einer Todesverursachung „durch die Tat“ zudem nur dann ausgegangen werden, wenn nicht nur der Ursachenzusammenhang im Sinne der Bedingungstheorie und die objektive Zurechnung (also die Verwirklichung der durch die Tathandlung gesetzten rechtlich missbilligten Gefahr) gegeben sind, sondern sich außerdem im Tod des Opfers tatbestandsspezifische Risiken verwirklichen, die typischerweise mit dem Grundtatbestand des Raubes einhergehen.[709] Notwendig ist somit wie auch bei anderen erfolgsqualifizierten Delikten ein sog. gefahrspezifischer Zusammenhang(auch tatbestandsspezifischer Gefahrenzusammenhang, Risikozusammenhang, Unmittelbarkeitszusammenhang), also ein „besonderer Zurechnungszusammenhang“[710]. Das bedeutet, dass dem Tatgeschehen die spezifische Gefahr eines tödlichen Ausgangs anhaften muss.[711] In der Todesfolge muss sich eine raubspezifische Gefahr verwirklicht haben.[712] Dies ist zumindest dann der Fall, wenn der Todeseintritt unmittelbar durch den nötigenden Teilakt des Raubes verursacht worden ist.[713] Nicht notwendig ist nach neuerer Rspr., dass die qualifizierende Todesfolge unmittelbar durch eine final der Wegnahme dienende Nötigungshandlung verursacht wird.[714] Ausreichend ist vielmehr, wenn die den Tod herbeiführende Handlung derart eng mit dem Raubtatbestand verbunden ist, dass die dem Raub innewohnende typische Gefährlichkeit verwirklicht wird.[715] Anders als die vorherige Fassung des § 251 StGB („durch die gegen ihn verübte Gewalt“[716]) bezieht die aktuell geltende Fassung alle Raubmittel, mithin auch die Drohung, ein. § 251 StGB kann also auch einschlägig sein, wenn das Opfer drohungsbedingt verstirbt (z.B. aufgrund einer tödlichen Schockwirkung etwa bei Herzkranken).[717] Der erforderliche gefahrspezifische Zusammenhang fehlt oft dort, wo der Eintritt der Todesfolge nicht unmittelbar auf das Verhalten des Täters, sondern unmittelbar auf das Verhalten des Opfers bzw. von Dritten zurückzuführen ist,[718] z.B. in Fällen der Nacheile (Verfolgerfälle), sofern diese nicht bereits die objektive Zurechnung ausschließen ( Rn. 156). Ein Beispiel[719]: Der Täter raubt das Opfer aus und läuft davon. Dieses verfolgt den Räuber, stolpert dabei unglücklich und bricht sich bei dem Sturz das Genick. Dies ist insbesondere umstritten, soweit es um Rettungsversuche der Polizei geht.[720] Der spezifische Gefahrverwirklichungszusammenhang fehlt z.B., wenn der Täter nach Scheitern seines Raubvorhabens das Opfer aus Wut und Panik erschießt.[721] Str. ist,[722] ob auch eine wegnahmebedingte Verursachung des Todeserfasst ist oder ob hier der gefahrspezifische Zusammenhang fehlt. Beispiele sind die Wegnahme lebensnotwendiger Medikamente oder Kleidung bei großer Kälte.[723] Eine Auffassung beruft sich auf den Wortlaut, der gerade keine Begrenzung auf das Raubmittel vorsieht, sodass alle Tathandlungen einzubeziehen sind.[724] Dem stehe auch das Gebot möglichst restriktiver Auslegung nicht entgegen.[725] Die h.L. argumentiert, dass die raubspezifische Gefahr nur aus dem Raubmitteleinsatz hervorgeht (nicht aus der Wegnahme).[726] Es gebe gerade keinen Diebstahl mit Todesfolge, sodass der Gesetzgeber davon ausgeht, dass Wegnahmehandlungen nicht typischerweise lebensgefährlich sind.[727] Im Hinblick auf die hohe Strafdrohung des § 251 StGB ist dieser restriktiv auszulegen.
158
In zeitlicher Hinsichtmuss der Täter bereits in das Versuchsstadium des Raubes eingetreten sein;[728] eine Vollendung des Raubes ist nicht notwendig; es kommt dann nach allgemeinen Grundsätzen ein erfolgsqualifizierter Versuch des Raubes mit Todesfolge in Betracht. Führt eine nicht zum Zwecke der Wegnahme begangene Körperverletzung zum Tod, wird die Tat auch dann nicht zu § 251 StGB qualifiziert, wenn vor dem Tod noch eine Wegnahme erfolgt.[729] Umgekehrt hindert der Tod des Opfers bereits bei der Wegnahme die Vollendung des Raubes mit Todesfolge nicht.[730] Problematisch ist der Zeitpunkt, zu dem die den Todeserfolg zurechenbar verursachende Handlung spätestens vorliegen muss. Hier wiederholt sich der bereits bei § 250 StGB geführte Streit hinsichtlich der Verwirklichung qualifizierender Merkmale nach Raubvollendung ( Rn. 121). Nach der Rspr.[731] und einem Teil der Lehre[732] soll es genügen, wenn die Handlung nach Vollendung und vor Beendigung des Raubes vorgenommen wird. Denn auch in der Beutesicherungsphase könne sich das raubspezifische Risiko realisieren.[733] Voraussetzung ist aber stets, dass die den Tod des Opfers herbeiführende Handlung mit dem Raubgeschehen derart eng verbunden ist, dass sich in der Todesfolge die der konkreten Raubtat eigentümliche besondere Gefährlichkeit verwirklicht und der Raub noch nicht beendet war.[734] Dem entgegnet die h.L.[735] – entsprechend der Argumentation bei § 250 StGB – mit dem Tatbegriff,[736] der den relevanten Zeitpunkt eingrenzt. § 251 StGB setzt die Verursachung der Todesfolge „durch den Raub“, d.h. durch das den Tatbestand des § 249 StGB erfüllende Tatgeschehen voraus.[737] Zwar vermöge die Gegenauffassung gewisse Zufälligkeiten wertend auszugleichen, verlasse aber den Boden einer am Wortlaut orientierten Tatbestandsauslegung und läuft dadurch dem Analogieverbot aus Art. 103 Abs. 2 GG zuwider.[738] „Durch den Raub“ heiße eben nicht „gelegentlich des Raubes“.[739] Darüber hinaus greift auch hier der Einwand der Unsicherheit hinsichtlich der Bestimmung des Beendigungszeitpunktes sowie der drohenden Umgehung der Voraussetzungen des § 252 StGB.[740] Krit. zu sehen ist auch, dass – im Gegensatz zu § 250 StGB ( Rn. 121) – nicht einmal Zueignungs- bzw. Beutesicherungsabsicht erforderlich sein soll, vielmehr soll die Ermöglichung der Flucht ausreichen.[741] Die h.L. verdient daher Zustimmung. § 251 StGB kann nur durch Handlungen bis zur Vollendung der Wegnahme erfüllt werden. Danach ist auch eine Verwirklichung von Qualifikationsmerkmalen nach dem Fehlschlag eines Versuchs des Raubes ausgeschlossen,[742] wohingegen zumindest die bisherige Rspr.[743] in diesen Konstellationen die Möglichkeit eines erfolgsqualifizierten Versuches für gegeben ansieht.
5. Subjektive Voraussetzungen
159
Eine Verurteilung wegen einer Straftat nach § 251 StGB setzt bzgl. des Grunddelikts vorsätzliches Handeln voraus; hinsichtlich der schweren Folge, dem Tod, ist Leichtfertigkeit ausreichend, aber auch erforderlich, während § 18 StGB einfache Fahrlässigkeit genügen lässt. Leichtfertigkeitentspricht etwa dem Maßstab der aus dem Zivilrecht bekannten groben Fahrlässigkeit.[744] Leichtfertig handelt, wer die sich ihm aufdrängende Möglichkeit eines tödlichen Verlaufs aus besonderem Leichtsinn oder besonderer Gleichgültigkeit außer Acht lässt, wobei in die anzustellende wertende Betrachtung neben dem Umfang der Tatsachenkenntnis auch der Grad der Vermeidbarkeit einzustellen und damit zu berücksichtigen ist, inwieweit sich die Gefahr des Erfolgseintritts etwa wegen einer Opfersituation aufdrängen musste.[745] Notwendig ist somit, dass der Täter bewusst ein hohes Risiko für das Leben des Opfers eingeht; wobei die Konstitution des Opfers Berücksichtigung finden muss.[746]
160
Aufgrund des Wortlauts („wenigstens“) kann § 251 StGB auch vorsätzlich begangen werden.[747] Vor dem 6. StrRG ( Rn. 30) war die Frage umstritten, ob bei vorsätzlichem Handeln§ 251 StGB erfüllt ist. Der Große Senat für Strafsachen entschied zugunsten der Vorsatzlösung.[748] Der vorsätzlich tötende Täter wird allerdings i.d.R. zugleich wegen (Habgier-)Mordes bestraft, sodass sich die Frage stellt, welchen Mehrwert die gesetzgeberische Klarstellung jenseits der Symbolik hat.[749] Der „entscheidende Grund“[750] besteht nach Vogel darin, die Strafbarkeit des § 251 StGB auch bei nicht erwiesenem Tötungsvorsatz zu gewährleisten. Wäre die Strafbarkeit auf leichtfertiges Handeln beschränkt, müsste man bei ungeklärter Sachlage (Fahrlässigkeit oder Vorsatz) zugunsten des Täters annehmen, dass bei ihm Vorsatz vorliege, und damit eine Strafbarkeit nach § 251 StGB unter Anwendung des Zweifelssatzes verneinen. Der BGH führt weitere Sachgründe an (z.B. Möglichkeit der Bestrafung nach § 251 StGB bei fehlendem Mordmerkmal).[751]
Читать дальше