Eske Bockelmann
Im Takt des Geldes
Zur Genese modernen Denkens
E-Book 2013
© Conzett Verlag by Sunflower Foundation, Zürich
ISBN 978-3-03760-028-3
»Im Takt des Geldes« ist als Printausgabe beim zu Klampen Verlag erschienen.
www.conzettverlag.ch
www.sunflower.ch
eBook-Herstellung und Auslieferung:
Brockhaus Commission, Kornwestheim
www.brocom.de
Für A.
für B.
und für C.
(und für D. natürlich auch)
INHALT
Dieses Buch
Erstes Kapitel
I
Eintritt
Bürgersteig
Rhythmus (gr.-lat.)
Eine Schranke
Dyonysisches und Weltgeist
Und natürlich Natur
Ein klassischer Irrweg
II
Befund
Experimente
Ein unscheinbarer Reflex
Zwei und drei und potenziert
Reflex und Klang
Musik, taktrhythmisch
Verse, akzentmetrisch
III
Evidenz gegen Geschichte
Gesetz vs. Proportion
Das geschichtliche Apriori
Rhythmik in Mittelalter und Renaissance
Epoche
1618, 1624
Ein offenes Rätsel
Zweites Kapitel
I
Ein Rätsel des Neuen
Wo nicht zu suchen ist
Was außerdem nicht sein kann
Einiges Vage von der Neuzeit
Zahlendes Publikum
Dur und Moll
Ad infinitum
II
Drei Bestimmungen
Das BEDING, zum Ersten
Das BEDING, zum Zweiten
Geld?
Betonung als Inhalt
Reine Synthesis
Die Synthesis am Geld
III
Eine einzigartige Abstraktion
Geld entsteht – was entsteht da?
Antike: Ökonomie ohne »Wirtschaft«
Mittelalter: ein europäischer Sonderweg
Das ›lange‹ 16. Jahrhundert
Absoluter Wert
Die Übertragung
Drittes Kapitel
I
Anstoß
Innen und Außen
Vom Denken
Wohin?
seven chances
Ansichten einer Revolution
Gesetz, Experiment und Fortschritt
II
Was ist revolutionär?
Programm: Empirie
Ein Apriori für die Dinge selbst
Mathematik als Apriori
Reine Zahlen
Ursprung einer reinen Welt
Die Welt aus 0 und 1
III
Calculus , Analysis, Funktion
Die Wissenschaft und der erste Beweger
impetus ohne Sklaven
Das Dreieck des Oresmius
Galileos Linien
Funktion und Variable
da capo : Gesetz, Experiment und Fortschritt
Viertes Kapitel
I
Die Wissenschaft im Plural
Kleiner Katalog der Formen
Noch einmal: wohin?
Die Neuzeit der Philosophie
Mystik
Subjekt-Objekt
Descartes’ Regulae , Descartes’ Discours
II
Der methodische Zweifel
Reguläre Erkenntnis
Denken in zweierlei Form
Denken und Sein
Die andere Seite
Wachs ohne Merkmal
Einheit der neuzeitlichen Philosophie
III
Einen Schritt weiter: Spinoza
Und vollendet: Leibniz
Monade
Kontinuum und Potenzierung
Fülle des Inhalts
Und immer weiter
Von absoluter Erkenntnis
Zum Schluss
Literaturverzeichnis
ist die Geschichte einer Entdeckung. Ja, es geht hier auch ums Geld, und zwar zum einen so, wie wir es ganz alltäglich kennen – alltäglich und geheimnislos. Doch was es darin zu entdecken gibt, es führt zugleich in Tiefen, wo bisher nichts als Dunkel war, unerahnt und undurchdrungen.
Was ich erkunden wollte, war zunächst nicht das. Erkunden wollte ich ein Stück von dem, was in uns unwillkürlich ist. Es war der Rhythmus – und auch von ihm nur ein ganz kleiner Teil: seine Wandlung zu Beginn der Neuzeit. Kaum jemand weiß von dieser Wandlung, neu entdecken aber musste ich sie nicht, das hatten Andere bereits getan. Nur ernst genommen hatte sie noch niemand, niemand hat sich je gefragt, wie es zu ihr hat kommen können. Dieser Frage ging ich nach, und ohne nach der ersten oder zweiten Wendung aufzugeben – aber ohne auch für lange Zeit zu ahnen, wie weit die Wendungen und Weiterungen reichen würden und wie tief hinab.
Der gebannte und gespannte Blick auf den einen historischen Punkt, so hat er sich zuletzt geweitet zum Blick auf die geschichtliche Landschaft der gesamten Neuzeit. Oder genauer: zu einem Blick in diese Landschaft, in das, was sich darunter dehnt und dessen Tiefen auch Tiefen unseres Denkens sind. Staunend wird man sich mit einem Mal vor einer Erklärung sehen, nach der so lange vergeblich geforscht worden ist: Wie es zur modernen Naturwissenschaft kommt, wodurch sie zu ihrem neuen Denken gelangt. Es wird sichtbar, was zur gleichen Zeit die Philosophen dazu zwingt, grundsätzlich anders, neu zu denken: neuzeitlich. Und man erkennt: Was da ausgreift bis ins Größte, Weiteste, es wirkt jetzt – in diesem Augenblick – im Innersten des eignen Selbst.
Was es hier zu entdecken gilt, dessen Name , seine kürzeste Bestimmung, ist dieses Buch. Und der Leser wird sich die Sache nicht einfacher machen können, als sie mir geworden ist. Ganz wird er sie erst durchmessen müssen, bevor er sie ganz ermisst. Den frühesten Fund zwar wird ihm das erste Kapitel an die Hand geben, eines Rätsels Lösung das zweite, aber das dritte wird neue Zumutungen an ihn stellen, und erst wenn er die Zumutungen des vierten in aller Schärfe empfindet, wird er umfassen, was das erste ihm erzählt. Er wird Unbekanntes, Neues zu gewahren haben gerade in dem, was sich sonst von selbst versteht, dort, wo die gediegensten Gewissheiten herrschen. Die gelten hier nicht mehr. Das wird verschrecken wie alles Unerhörte, und mehr noch, es wird auch gefährlich: Denn was hier entdeckt ist, es hat nicht seiner Entdeckung geharrt, es hat sich ihr im Gegenteil energisch über vier Jahrhunderte hinweg erfolgreich widersetzt – auch davon wird zu handeln sein. Diesen Widerstand schürt eine große Kraft: Der Leser wird sie wohl und vielleicht übel selbst empfinden. Denn was immer er hier liest, es weist auch auf ihn selbst – es weist in unser Selbst. Deshalb gilt es hier eine Kraft aufzuwenden, größer noch als die, mit deren Hilfe jenes sich verborgen hält.
Dieses Buch versucht dorthin den kürzesten Weg zu weisen, durch ein Gelände, das sich vertraut und doch unendlich fremd nun vor uns dehnt. Nicht jeden Flecken auf dieser Weite kann der Weg berühren, doch war es meine Mühe und meine Freude, ihn mit allen notwendigen Windungen so zu legen, dass am Ende ein Überblick gewonnen ist. Dieser Blick jedoch, der unsere Wirklichkeit so tief verändert zeigt, muss selbst, indem er das Verborgenste entdeckt, auch diese Wirklichkeit verändern.
Erstes Kapitel
Wir sprachen über Rhythmus im allgemeinen und kamen darin überein, dass sich über solche Dinge nicht denken lasse.
Johann Peter Eckermann: Gespräche mit Goethe, 6. April 1829
Vom Rhythmus versteht jeder alles, weil er von Rhythmus nichts verstehen muss, um ihn vollständig zu kennen, nämlich zu empfinden. Was Rhythmus ist, muss ich deshalb niemandem erklären. Jeder weiß davon genug, selbst wenn ihm schwer fallen sollte zu sagen, was er da weiß. Jeder weiß genau so viel davon, wie er für alle Fälle nötig hat: eben um Rhythmus zu empfinden . Dies, nichts anderes entscheidet hier, denn wenn es entschieden hat , wenn ein Hörender etwas als rhythmisch empfindet, ist Rhythmus einfach da , niemand braucht zu rätseln und zu raten, es bedarf keiner Definition und keines Gelehrten, keiner Erklärungen, die jemand dazu abgibt. Rhythmus ist ebenso gedankenlos und ohne alle bewusste Anstrengung zu verstehen wie die Zeit . Und doch, wie bei ihr verliert sich alles Einfache im selben Augenblick, da man versucht, sich Rechenschaft darüber abzulegen. Eben dies aber habe ich vor zu tun.
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