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Der Ausschluss der beschränkt Steuerpflichtigen von den Steuerbefreiungen des § 5 Abs. 1 KStG ist von Teilen der Literatur von jeher als gemeinschaftsrechtswidrig kritisiert worden[176]. Nach der Entscheidung des EuGH in der Rechtssache Stauffer [177] stand fest, dass jedenfalls ein undifferenzierter und pauschaler Ausschluss der beschränkt Steuerpflichtigen von den genannten Vergünstigungen gegen das Gemeinschaftsrecht verstößt.[178] Der Gesetzgeber hat die Europarechtswidrigkeit durch das JStG 2009 nunmehr immerhin für Körperschaften im Sinne des § 5 Abs. 1 Nr 9 KStG (gemeinnützige, mildtätige oder kirchliche Körperschaften) behoben, jedoch ist ernsthaft fraglich, warum dies erst fast drei Jahre nach der EuGH-Entscheidung und dann auch nur für den entschiedenen Einzelfall erfolgte. Die Ungleichbehandlung gilt in gleicher Weise für andere Körperschaften, die als Wirtschaftsteilnehmer am gemeinsamen Markt agieren.
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III. Unilaterale Methoden zur Vermeidung der Doppelbesteuerung bei der beschränkten Steuerpflicht
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§ 34c EStG greift ausweislich seines eindeutigen Wortlauts nur bei unbeschränkt Steuerpflichtigen ein[179]. Es handelt sich also um eine Situation, in der die Bundesrepublik Deutschland der Wohnsitzstaat ist, der Quellenstaat jedoch ein ausländischer Staat ist. Bei der beschränkten Steuerpflicht aber ist die Bundesrepublik Deutschland regelmäßig der Quellenstaat, so dass es Aufgabe des ausländischen Wohnsitzstaates des Steuerpflichtigen ist, eine etwaige Doppelbesteuerung zu vermeiden oder zu vermindern[180]. Unilaterale Methoden zur Vermeidung der Doppelbesteuerung sind daher bei der beschränkten Steuerpflicht grundsätzlich nicht vorgesehen.
2. Einkommensteuer (§ 50 Abs. 3 EStG)
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Es kann jedoch auch bei der beschränkten Steuerpflicht (§ 1 Abs. 4 EStG) strukturell eine Situation entstehen, die der unbeschränkten Steuerpflicht hinsichtlich bestimmter Einkünfte im wirtschaftlichen Ergebnis zumindest angenähert ist.
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Beispiel:
Wir wollen annehmen, die ausländische X-Limited (Sitz und Geschäftsleitung im ausländischen Staat A) unterhalte im Inland eine Betriebsstätte, der eine gesellschaftsrechtliche Beteiligung an der ausländischen Y-Limited (Sitz und Geschäftsleitung im ausländischen Staat B) wirtschaftlich zuzurechnen ist. Kehrt nun die Y-Limited Dividenden aus und erhebt der Staat B auf die Dividenden eine Quellensteuer, ist zivilrechtlicher Empfänger zwar die X-Limited. Die Dividenden gehen jedoch im Rahmen der beschränkten Steuerpflicht (§§ 2 Nr 1, 8 Abs. 1 KStG iVm § 49 Abs. 1 Nr 2 Buchstabe a EStG) in das handels- und steuerrechtliche Betriebsstättenergebnis der X-Limited im Inland ein. Jedenfalls wenn auf den Betriebsstättengewinn aus der Sicht des Staates A die Freistellungsmethode angewendet wird (Regelfall bei Bestehen eines DBA), wird der Wohnsitzstaat A kaum jemals unilateral für eine Vermeidung der Doppelbesteuerung sorgen, weil er auch die Dividenden nicht besteuern darf[181]. In dieser Situation ist Deutschland hinsichtlich der Dividenden „quasi der Wohnsitzstaat“ und der Staat B der Quellenstaat, so dass insoweit ungeachtet der fehlenden unbeschränkten Steuerpflicht die Vermeidung der Doppelbesteuerung ausnahmsweise der Bundesrepublik Deutschland obliegt.
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In diesen Fällen sind gemäß § 50 Abs. 3 EStG die Steueranrechungsmethode nach § 34c Abs. 1 EStG sowie die Steuerabzugsmethoden nach § 34c Abs. 2 und 3 EStG entsprechend anzuwenden. Mangels einer Verweisung nicht anwendbar sind die Steuerpauschalierungs- und die Steuererlassmethode (§ 34c Abs. 5 EStG).[182] § 50 Abs. 4 EStG enthält jedoch eine vergleichbare Regelung[183].
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Die entsprechende Anwendung der unilateralen Methoden zur Vermeidung der Doppelbesteuerung unterliegt mehreren Einschränkungen. Sie kommt zunächst nur für die Gewinneinkunftsartenund damit namentlich bei Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft (§ 49 Abs. 1 Nr 1 EStG), bei Einkünften aus Gewerbebetrieb (§ 49 Abs. 1 Nr 2 EStG) und bei Einkünften aus selbstständiger Arbeit (§ 49 Abs. 1 Nr 3 EStG) in Betracht und setzt ferner voraus, dass für diese Einkünfte im Inland ein Betrieb unterhalten wird[184]. Gemeint ist das Vorliegen einer inländischen Betriebsstätte im Sinne des § 12 AO[185]. Sodann muss der Steuerpflichtige Einkünfte aus einem ausländischen Staat beziehen, die dem inländischen Betrieb wirtschaftlich zuzurechnen und daher im Betriebsstättenergebnis der Land- und Forstwirtschaft, des Gewerbebetriebs oder der selbstständigen Arbeit enthalten sind.
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Aus dem HS 2 des § 50 Abs. 3 EStG folgt, dass es sich bei den Einkünften „aus einem ausländischen Staat“ um Drittstaateneinkünftehandeln muss. Einkünfte aus einem oder mehreren Wohnsitzstaaten des Steuerpflichtigen qualifizieren nicht für die Anwendung der Methoden zur Vermeidung der Doppelbesteuerung, sofern nur der Steuerpflichtige dort in einem der unbeschränkten Einkommensteuerpflicht ähnlichen Umfang zur Besteuerung herangezogen wird[186]. Anderenfalls ist aus deutscher Sicht der ausländische Staat für die Vermeidung der Doppelbesteuerung zuständig.
Die Voraussetzungen des § 34c Abs. 1–3 EStG sind auch im Rahmen des § 50 Abs. 3 EStG zu prüfen und müssen vollständig vorliegen. § 50 Abs. 3 EStG greift unabhängig davon ein, ob mit dem ausländischen Staat, der nicht der Wohnsitzstaat des Steuerpflichtigen ist, ein DBA besteht[187]. Ebenso ist es unerheblich, ob der ausländische Staat dem Steuerpflichtigen (obgleich dieser dort nicht unbeschränkt steuerpflichtig ist) ausnahmsweise eine Möglichkeit zur Vermeidung der Doppelbesteuerung eröffnet[188].
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§ 26 Abs. 6 Satz 1 KStG verhilft ausdrücklich § 50 Abs. 3 EStG zur Geltung. Bei beschränkt Steuerpflichtigen im Sinne des § 2 Nr 1 KStG sind daher die Methoden zur Vermeidung der Doppelbesteuerung in gleicher Weise anzuwenden wie bei der Einkommensteuer. Es wird auf die vorstehenden Ausführungen verwiesen[189]. Zu beachten ist, dass das Körperschaftsteuerrecht eine dem § 50 Abs. 4 EStG entsprechende Regelung vermissen lässt. Die Steuerpauschalierungs- und die Steuererlassmethode sind daher bei beschränkt steuerpflichtigen Körperschaft nicht anzuwenden.
▸ Siehe hierzu vertiefend die Fälle 5 und 6in Haase/Hofacker , Klausurenkurs im Internationalen und Europäischen Steuerrecht.
[1]
Die beschränkte Steuerpflicht ist stets subsidiär, vgl Strunk , in: Korn [Hrsg.], EStG, § 49 Rn 2.
[2]
Dazu bereits Birk/Desens/Tappe , Steuerrecht, Rn 690 ff. Ausnahmen gibt es für Angehörige ausländischer diplomatischer oder konsularischer Vertretungen im Inland, die ungeachtet eines inländischen Wohnsitzes oder gewöhnlichen Aufenthalts aufgrund völkerrechtlicher Abkommen im Inland stets beschränkt steuerpflichtig sind, vgl die Nachweise bei Strunk , in: Korn [Hrsg.], EStG, § 49 . 2 und Wied , in: Blümich [Hrsg.], § 49 EStG Rn 10.
[3]
Statt aller Ebling , in: Blümich [Hrsg.], § 1 EStG Rn 313. Diese Feststellung bezieht sich auf sämtliche Arten der unbeschränkten Steuerpflicht (§ 1 Abs. 1 bis 3 EStG).
[4]
Dazu oben Rn 111 ff.
[5]
Sog. Exterritorialität (zB von Konsulatsangehörigen); vgl dazu das BFH-Urteil vom 13.11.1996, Az.: I R 119/95, BFH/NV 1997, 664 ff; zum Ganzen Ebling , in: Blümich [Hrsg.], § 1 EStG Rn 313 und Herfort , in: Korn [Hrsg.], EStG, § 1 Rn 98.
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