Eine elementare Aufgabe einer modernen Volkswirtschaft ist die Verminderung der bestehenden Güterknappheit.[23] Natürliche Ressourcen sowie produzierte Waren und Dienstleistungen sind nur begrenzt vorhanden oder können nur in begrenzter Form sinnvoll produziert oder angeboten werden. Der Einsatz von Produktionsfaktoren muss so erfolgen, dass die privaten und öffentlichen Bedürfnisse erfüllt werden und so der Wohlstand der Gesellschaft anwächst.[24] In der freien Marktwirtschaft erfolgen Produktion und Vermarktung von Gütern dezentral und nach egoistischen Motiven. Damit dennoch eine möglichst breite Versorgung mit den benötigten Gütern erreicht werden kann, ist ein System erforderlich, welches der Güterknappheit entgegenwirkt. Dieses System ist der marktwirtschaftliche Preismechanismus.[25] Die Preise entscheiden über Produktion, Verkauf und Abnahme der Produkte. Da der einzelne Marktteilnehmer im Wirtschaftsverkehr in der Regel vorrangig an einem möglichst großen Gewinn interessiert ist, ist der Wettbewerb wichtigste Voraussetzung für das Funktionieren des Preismechanismus. Zudem ist er ein entscheidender Faktor bei der Reduzierung der Güterknappheit.[26] Durch einen funktionierenden Preismechanismus können die verschiedenen ökonomischen Lenkungsfunktionen des Wettbewerbs erfüllt werden, die nachfolgend jeweils kurz skizziert werden.
a) Anpassungs- oder Steuerungsfunktion
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Die erste ökonomische Lenkungsfunktion des Wettbewerbs ist die Anpassungsfunktion.[27] Damit ist eine langfristige Anpassung der Güterproduktion sowie des Angebots an Dienstleistungen auf dem Markt in Art, Qualität und Quantität an die Nachfrage nach den Produkten gemeint.[28] Voraussetzung dafür ist ein funktionsfähiges Preissystem, welches die Knappheit der jeweiligen Güter signalisiert. Steigt die Nachfrage an einem Produkt, so lockt der steigende Marktpreis mehr Anbieter auf den Markt. Wird die zusätzliche Nachfrage dann befriedigt, sinkt der Preis wieder und verhindert so einen weiteren Zustrom von Anbietern.[29] Die Folge ist ein dynamischer Anpassungsprozess von Angebot und Nachfrage wie er durch einen freien Wettbewerb erreicht wird.
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Unmittelbar mit der Anpassungsfunktion verknüpft ist die Allokationsfunktion. Gemeint ist damit die effizienteste Verwendung knapper Ressourcen, um ein Maximum an Produktivität zu erreichen.[30] Auch hier lenken die durch den Wettbewerb erzeugten Preise die Produktionsfaktoren in die Wirtschaftsbereiche, in denen sie am dringendsten benötigt werden oder aber am wirksamsten eingesetzt werden können.
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Wiederum mit der Allokationsfunktion verknüpft ist die Verteilungsfunktion. Den höchsten Gewinn erzielt in der Regel derjenige Marktteilnehmer, der die Wünsche der Nachfrager am besten zu befriedigen vermag. Insofern belohnt der Wettbewerb Erfolg und schafft zugleich einen Anreiz, wohlstandssteigernde Aktivitäten einzuleiten.[31] Nicht leistungsbezogene Aktivitäten und daraus folgende Einkommen hingegen werden durch ein Ausbleiben eines befriedigenden Gewinns verhindert.[32]
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Die Konkurrenz der anderen Marktteilnehmer und die Wahlmöglichkeiten der Abnehmer zwingen den einzelnen Unternehmer dazu, neue Produkte zu entwickeln, technische Verbesserungen vorzunehmen und betriebliche Abläufe zu modernisieren.[33] Der ständige Wettlauf ermöglicht damit Innovation und Fortschritt auf dem Markt. Die Entwicklung neuer Produkte kann auch zu einem erhöhten Öffentlichkeitsinteresse und damit zu einem weiteren wirtschaftlichen Erfolg führen. Dies belegen beispielsweise medienwirksam gestaltete Messen wie die Internationale Automobilausstellung (IAA) oder die Cebit als weltweit größte Messe für Informationstechnologie, auf denen regelmäßig eine Vielzahl technischer Innovationen und Entwicklungen vorgestellt werden.
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Schließlich bedeutet Wettbewerb auch einen Ausleseprozess. Die Entlohnung der erbrachten Leistungen richtet sich – wie bereits erwähnt – im Grundsatz nach der Fähigkeit des Unternehmers, die Bedürfnisse seiner Kunden bedarfsgerecht zu befriedigen. Wer neue Entwicklungen verpasst oder unwirtschaftlich produziert, dem wird die Teilnahme am Wettbewerb erschwert oder er wird gar gänzlich vom Markt verdrängt. Auf diese Weise sorgt der Wettbewerb dafür, dass sich nur die leistungsstärksten Unternehmen am Markt behaupten können, was auch gesamtwirtschaftlich als sinnvoll zu betrachten ist.
2. Gesellschaftspolitische Funktionen des wirtschaftlichen Wettbewerbs
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Neben den aufgezeigten ökonomischen Lenkungsunktionen erfüllt der wirtschaftliche Wettbewerb auch wichtige gesellschaftspolitische Funktionen:
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Als gesellschaftspolitische Funktionen des Wettbewerbs werden vor allem die Sicherung der wirtschaftlichen Handlungsfreiheit und die breite Streuung ökonomischer Macht betrachtet.[34] Der wirtschaftliche Wettbewerb eröffnet den Menschen Freiheitsräume. So können die Nachfrager zwischen verschiedenen Angeboten auswählen und Anbieter sich in der Produktion und dem Vertrieb auf bestimmte Nachfragergruppen konzentrieren.[35] Zudem steht es allen Akteuren frei, selbst zu entscheiden ob, wie und in welchem Umfang sie sich am wirtschaftlichen Wettbewerb beteiligen möchten. Dabei ist es ein gesellschaftspolitischer Grundsatz der Freiheit, dass diese dort endet, wo andere in unangemessener Weise in ihrer Freiheit beeinträchtigt werden. Dieser Grundsatz ist verfassungsrechtlich in Art. 2 Abs. 1 GG normiert und gilt auch für die Wettbewerbsfreiheit. Die Freiheit der Marktteilnehmer ist jedoch nicht nur gesellschaftspolitisches Ziel eines funktionierenden Wettbewerbs, sondern zugleich auch wichtigste Voraussetzung für dessen Entstehung.[36]
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Eng mit der Freiheitsfunktion verknüpft ist die Kontrollfunktion des Wettbewerbs. Gemeint ist damit zum einen die gegenseitige Kontrolle von Marktteilnehmern im Austauschprozess. Da beide Parteien an einem Vertragsschluss interessiert sind, werden sie in der Regel zu Kompromissen bereit sein.[37] Zum anderen wird auch eine gegenseitige Kontrolle von Wettbewerbern auf der gleichen Marktseite ermöglicht, denn diese müssen sich an den Preisen ihrer Konkurrenten messen lassen. Die Folge beider Kontrollmechanismen ist die Verhinderung überhöhter Preise, welche sich auf dem Markt in der Regel nicht durchsetzen können.
Teil 2 Grundsätzliche Erwägungen› B› IV. Auswirkungen von Bestechungszahlungen
IV. Auswirkungen von Bestechungszahlungen
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Im Anschluss an die Darstellung der Wettbewerbsfunktionen sind abschließend die ökonomischen Auswirkungen von Bestechungszahlungen unter Einbeziehung der soeben gewonnenen Erkenntnisse in den Blick zu nehmen.[38] Diese Auswirkungen waren es schließlich, die den Gesetzgeber Anfang des 20. Jahrhunderts dazu bewogen haben, die Bestechung und Bestechlichkeit im Wirtschaftsverkehr unter Strafe zu stellen. Insofern kann die ökonomische Analyse auch wichtige Anhaltspunkte für die nachfolgende rechtliche Auseinandersetzung mit dem Bestechungsverbot des § 299 StGB liefern. Zu beachten ist jedoch, dass hinsichtlich der ökonomischen Auswirkungen von Bestechungszahlungen nur wenige empirisch belegte Erkenntnisse vorliegen. Zu unterschiedlich scheinen die Vorgehensweisen der Tatbeteiligten und in dessen Folge auch die Auswirkungen der Taten zu sein. Zudem ist von einer hohen Dunkelziffer auszugehen, die die wissenschaftliche Aufarbeitung erschwert. Dennoch ergeben sich manche Auswirkungen nahezu als zwingende Folge von Bestechungszahlungen, ohne dass hierzu im Einzelnen stets ein empirischer Nachweis erforderlich erscheint.
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