6. Abschnitt: Die Straftat› § 28 Handlung› E. Fazit
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Der Begriff der Handlung ist als Persönlichkeitsäußerung zu verstehen. Er hat – entgegen den Prämissen der kausalen und der finalen Handlungslehre – keine Bedeutung für den Aufbau des Strafrechtssystems. Doch dient er als gemeinsamer Oberbegriff und Anknüpfungspunkt für alle Erscheinungsformen strafrechtlich relevanten Verhaltens. Er ist den strafrechtlichen Bewertungskategorien (Tatbestand, Rechtswidrigkeit, Schuld und Verantwortlichkeit) grundsätzlich vorgelagert, verbindet sie aber, indem er auf jeder Deliktsstufe durch zusätzliche Wertprädikate bereichert wird. Nur in Sonderfällen macht erst ein gesetzliches Gebot ein Untätigbleiben zur Handlung. Der Begriff der Persönlichkeitsäußerung wird dem Sinngehalt strafrechtsrelevanten Verhaltens durch seine normative Struktur besser gerecht als rein deskriptive ontische Kriterien.
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Der Handlungsbegriff erfüllt neben der Anknüpfungsfunktion auch eine Filterfunktion, indem er Nichthandlungen von vornherein aus der strafrechtlichen Prüfung ausschließt. Auch insoweit ermöglicht das Kriterium der Persönlichkeitsäußerung präzisere Ergebnisse als andere Handlungsbegriffe.
6. Abschnitt: Die Straftat› § 28 Handlung› Ausgewählte Literatur
Behrendt, Hans-Joachim |
Die Unterlassung im Strafrecht. Entwurf eines negativen Handlungsbegriffs auf psychoanalytischer Grundlage, 1979. |
Behrendt, Hans-Joachim |
Das Prinzip der Vermeidbarkeit im Strafrecht, FS Jescheck, S. 303 ff. |
v. Beling, Ernst |
Die Lehre vom Verbrechen, 1906. |
v. Bubnoff, Hans-Jürgen |
Die Entwicklung des strafrechtlichen Handlungsbegriffes von Feuerbach bis Liszt unter besonderer Berücksichtigung der Hegelschule, 1966. |
Engisch, Karl |
Vom Weltbild des Juristen, 2. Aufl. 1965. |
Gimbernat, Enrique |
Beiträge zur Strafrechtswissenschaft. Handlung, Kausalität, Unterlassung, 2013. |
Heinrich, Manfred |
Rechtsgutszugriff und Entscheidungsträgerschaft, 2002. |
Herzberg, Rolf Dietrich |
Die Unterlassung im Strafrecht und das Garantenprinzip, 1972. |
Jakobs, Günther |
Der strafrechtliche Handlungsbegriff, 1992. |
Jakobs, Günther |
Vermeidbares Verhalten und Strafrechtssystem, FS Welzel, S. 307 ff. |
Kahrs, Hans Jürgen |
Das Vermeidbarkeitsprinzip und die conditio-sine-qua-non-Formel im Strafrecht, 1968. |
Kaufmann, Arthur |
Die ontologische Struktur der Handlung, Skizze einer personalen Handlungslehre, FS Mayer, S. 79 ff. |
Krümpelmann, Justus |
Motivation und Handlung im Affekt, FS Welzel, S. 327 ff. |
Maihofer, Werner |
Der Handlungsbegriff im Verbrechenssystem, 1953. |
Maihofer, Werner |
Der soziale Handlungsbegriff, FS Eb. Schmidt, S. 156 ff. |
Michaelowa, Klaus |
Der Begriff der strafrechtswidrigen Handlung, 1968. |
Radbruch, Gustav |
Der Handlungsbegriff und seine Bedeutung für das Strafrechtssystem, 1904. |
Roxin, Claus |
Einige Bemerkungen zum Verhältnis von Rechtsidee und Rechtsstoff in der Systematik unseres Strafrechts, GS Radbruch, S. 260 ff. |
Roxin, Claus |
Strafrechtliche Grundlagenprobleme, 1973. |
Roxin, Claus |
Maier/Sancinetti/Schöne (Hrsg.), Los delitos de tenencia (Übersetzung ins Spanische durch Gabriela E. Córdoba und Daniel R. Pastor), Dogmática penal entre naturalismo y normativismo. Libro en homenaje a Eberhard Struensee, S. 505 ff. |
Schewe, Günter |
Reflexbewegung, Handlung, Vorsatz, 1972. |
Stratenwerth, Günter |
Unbewusste Finalität?, FS Welzel, S. 289 ff. |
[1]
v. Liszt , Lehrbuch des Deutschen Strafrechts, 4. Aufl. 1994, S. 128; über spätere Modifikationen dieser Definition und Abweichungen zwischen v. Liszt und Beling näher Murmann , Grundkurs, § 13 Rn. 3, Fn. 4, 5.
[2]
v. Liszt , Lehrbuch des Deutschen Strafrechts, S. 128.
[3]
Beling , Die Lehre vom Verbrechen, S. 11.
[4]
Radbruch , Der Handlungsbegriff und seine Bedeutung für das Strafrechtssystem, S. 130.
[5]
Hier und im Folgenden: Welzel , Das Deutsche Strafrecht, 11. Aufl. 1969, S. 33.
[6]
BGHSt 2, 194 ff.
[7]
Dazu Gimbernat , NJW 1966, 533 ff.; jetzt auch in: Gimbernat , Beiträge zur Strafrechtswissenschaft. Handlung, Kausalität, Unterlassung, S. 143 ff.
[8]
Vgl. dazu nur Radbruch , Frank-FG Bd. 1, S. 161.
[9]
Roxin , ZStW 74 (1962), 525 = Strafrechtliche Grundlagenprobleme, S. 82. Zustimmend Murmann , Grundkurs, § 13 Rn. 12.
[10]
Jakobs , Der strafrechtliche Handlungsbegriff.
[11]
Nähere Nachweise bei Roxin , Dedes-GS, S. 243 ff. (insb. S. 246 f.). Abl. außerdem Sch/Sch -Lenckner/Eisele , vor § 13 Rn. 36. Jakobs beiläufig zustimmend nur MK -Freund , vor § 13 Rn. 138.
[12]
Kindhäuser , AT, § 5 Rn. 13. Ähnlich Gropp , AT, § 2 Rn. 138.
[13]
Maihofer , Der Handlungsbegriff im Verbrechenssystem.
[14]
Radbruch , Frank-FG Bd. 1, S. 161 f.
[15]
Gallas , ZStW 67 (1955) 8 ff.; ebenso sein Schüler v. Bubnoff , Die Entwicklung des strafrechtlichen Handlungsbegriffes usw.; weitere Nachweise bei Roxin , AT, Bd. 1, § 8 Rn. 42, Fn. 94.
[16]
Gallas, ZStW 67 (1955) 8, 9, 15.
[17]
Fischer , vor § 13 Rn. 6 m.w.N.
[18]
Krey/Esser , AT, § 11 Rn. 292 m.w.N. in Rn. 286 Fn. 8.
[19]
Welzel, Das Deutsche Strafrecht, 11. Aufl. 1969, S. 42.
[20]
B. Heinrich , AT, § 9 Rn. 192.
[21]
Radbruch, Der Handlungsbegriff und seine Bedeutung für das Strafrechtssystem, S. 141 f.
[22]
Fischer , vor § 13 Rn. 7.
[23]
Baumann/Weber/Mitsch/Eisele , AT, § 9 Rn. 27.
[24]
LK- Walter , vor § 13 Rn. 30.
[25]
LK- Walter , vor § 13 Rn. 33.
[26]
LK- Walter , vor § 13 Rn. 31.
[27]
Welzel, Das Deutsche Strafrecht, 11. Aufl. 1969, S. 42.
[28]
Rengier , AT, 3. Aufl. 2011, § 7 Rn. 8.
[29]
Wessels/Beulke , AT, 42. Aufl. 2012, § 3 Rn. 93.
[30]
Kahrs , Das Vermeidbarkeitsprinzip und die conditio-sine-qua-non-Formel im Strafrecht, S. 36.
[31]
Herzberg , Die Unterlassung im Strafrecht und das Garantenprinzip, S. 177.
[32]
Herzberg , Die Unterlassung im Strafrecht und das Garantenprinzip, S. 173.
[33]
Jakobs , Welzel-FS, S. 309.
[34]
Behrendt , Die Unterlassung im Strafrecht. Entwurf eines negativen Handlungsbegriffs auf psychoanalytischer Grundlage, S. 132; ders ., Jescheck-FS, S. 303.
[35]
NK- Puppe , vor §§ 13 ff. Rn. 52.
[36]
Kahrs , Das Vermeidbarkeitsprinzip und die conditio-sine-qua-non-Formel im Strafrecht, S. 36.
[37]
Herzberg , GA 1996, 1 ff. (insb. 9).
[38]
v. Liszt-Schmidt , Lehrbuch des Deutschen Strafrechts, 26. Aufl. 1932, Bd. I, S. 153.
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