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Zweitens sind die Geschehensverläufe, die durch die Filterfunktion des Handlungsbegriffs ausgeschieden werden sollen, mit dem Zurechnungskriterium des Tatbestandes vielfach gar nicht auszuschließen. Denn auch wer z.B. in einem epileptischen Krampfanfall eine Sache beschädigt, bewegt sich nicht im erlaubten Risiko. Daher müssen auch die Autoren, die das Ausgrenzungsproblem in den Tatbestand verlagern, die Prüfung der Handlung doch derjenigen der Fahrlässigkeitskriterien voranstellen. Sie nehmen also ebenfalls eine Deliktseingangsprüfung vor, verstecken diese aber im Tatbestand und verzichten ohne Anlass auf die Sonderstellung der Handlung als Grund- und Verbindungselement.
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Drittens wird durch die Verlegung der Handlungsprüfung in den Tatbestand auch das Verhältnis von Handlung und Tatbestand verunklart. Denn es gibt, wie oben ( Rn. 70 ff.) dargelegt, einzelne Fälle echter Unterlassungen (z.B. die Nichtentrichtung einer Steuer), bei denen erst das gesetzliche Gebot im Falle der Untätigkeit aus einem Nichts eine Persönlichkeitsäußerung und damit eine Unterlassungshandlung macht. Wenn man die Handlungsprüfung in den Tatbestand verlegt, wird diese Sacheinsicht durch eine allgemeine Vermengung von Handlung und Tatbestand verdunkelt.
6. Abschnitt: Die Straftat› § 28 Handlung› D. Die Filterfunktion des Handlungsbegriffs
D. Die Filterfunktion des Handlungsbegriffs
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Während die Anknüpfungsfunktion – die Frage also, wie die Handlung als Substrat rechtlicher Bewertungen „positiv“ zu kennzeichnen ist – bis heute hinsichtlich ihrer Notwendigkeit und Ausgestaltung äußerst umstritten ist, herrscht über die „negative“ Funktion des Handlungsbegriffs, darüber also, dass Nichthandlungen strafrechtlich von vornherein irrelevant sind, weitgehende Einigkeit. Auch Autoren, die auf eine Bestimmung dessen, was „Handlung“ ist, verzichten, wollen doch Nichthandlungen von der weiteren strafrechtlichen Prüfung ausschließen.
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Darüber hinaus stimmen auch die meisten Autoren dahin überein, dass Nichthandlungen Geschehensabläufe sind, die zwar mit einer Person in Zusammenhang stehen, der Beherrschung oder Beherrschbarkeit durch ihren Willen aber nicht unterliegen. In diesem Ergebnis treffen sich der natürliche, der negative, der soziale und auch der personale Handlungsbegriff. Die „Filterfunktion“ ist also vom Streit um die verschiedenen der Anknüpfungsfunktion dienenden Handlungsbegriffe weitgehend unabhängig. Freilich wird der nachfolgende Text zeigen, dass das Kriterium der Persönlichkeitsäußerung nicht selten eine exaktere Abgrenzung ermöglicht als andere Handlungsbegriffe.
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Abweichende Ansichten sind selten. So sagt Michaelowa ,[70] eine Handlung sei „jede menschliche Seinsäußerung“, auch wenn es sich um eine bloße Körperwirkung ohne psychischen Anteil handelt. Herzberg [71] meint: „Schlägt jemand im Alptraum seiner neben ihm schlafenden Frau die Nase blutig, dann liegt es … sehr nahe, das ‚Verursachen‘ einer ‚Körperverletzung‘, also das Handlungsmerkmal des § 230 StGB, zu bejahen und erst die Wertung entscheiden zu lassen, dass die Fahrlässigkeit, d.h. die Pflichtverletzung, fehle.“
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Das ist aber keine vertretbare Lösung. Denn wenn man eine Körperverletzungshandlung bejaht, stellt sich diese als Verwirklichung eines unerlaubten Risikos, also als tatbestandsmäßig dar. Denn die Sorgfaltswidrigkeit bezeichnet eine objektive, von den persönlichen Bewandtnissen des Täters unabhängige Bewertung. Höchstens ließe sich die Schuld bestreiten. Aber es erscheint als wenig sinnvoll, den Schlaf wie eine Geisteskrankheit zu behandeln. Denn die Taten eines Geisteskranken oder sonst Schuldlosen sind immerhin Persönlichkeitsäußerungen, auch wenn diese nicht vorwerfbar sind.
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So bleibt die Frage, wo eine Persönlichkeitsäußerung fehlt und deswegen das Vorliegen einer Handlung abzulehnen ist.
I. Gedanken, Gesinnungen, Einstellungen
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Nichthandlungen sind alle innerlich bleibenden Gemütsregungen, soweit diese nicht auf reale Außenweltvorgänge bezogen werden können.[72] „Cogitationis poenam nema patitur“, sagte mit einem heute noch geflügelten Wort schon der altrömische Jurist Ulpian (ca. 170–228 n.Chr.). Zwar lebt im Gedanken die Persönlichkeit des Denkenden, aber es fehlt an einer „Äußerung“ der Persönlichkeit. Ob man mit ähnlicher Sicherheit zu einem Handlungsausschluss kommen kann, wenn man die Handlung auf „Willensimpulse“ und ähnliche Kriterien zurückführt, ist immerhin zweifelhaft.
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Freilich hat der Ausschluss von Gedanken aus dem Handlungsbereich bislang keine große praktische Bedeutung, weil das „forum internum“ Außenstehenden meist ohnehin nicht zugänglich ist. Doch lassen sich Gedanken und Gesinnungen bisweilen aus äußeren Umständen erschließen, wie das mancherorts praktizierte und in Rechtsstaaten verpönte „Gesinnungsstrafrecht“ deutlich genug zeigt. Auch wird die Psychologie der Zukunft wahrscheinlich Bewusstseinsinhalte in größerem Umfang als bisher der Erforschung zugänglich machen.
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Man muss sich allerdings immer der Tatsache bewusst sein, dass auch ein Untätigbleiben eine Persönlichkeitsäußerung und damit eine Handlung ist, wenn es sich als Pflichtverletzung oder auch nur als Enttäuschung einer Handlungserwartung darstellt. Auch hier ist zweifelhaft, ob mit dem Abstellen auf Willensmomente eine klare Abgrenzung gelingen kann.
II. Akte von Verbänden und juristischen Personen
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Das deutsche Recht kennt keine Verbandsstrafbarkeit, weil Verbände (auch „juristische Personen“) dem auf Menschen zugeschnittenen Begriff der „Persönlichkeit“ nicht unterfallen. Insofern hat der hier befürwortete Handlungsbegriff strafrechtlich weittragende Folgen.
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Freilich ist es Gegenstand einer lebhaften Reformdiskussion, ob in Deutschland nach dem Vorbild vieler anderer Länder eine Verbandsstrafbarkeit eingeführt werden sollte. Möglich ist das nur, wenn man dem Verband ggf. das Handeln seiner Organe als eigene Handlung zurechnet. Da auf diese Weise keine eigene Verbands„handlung“ entsteht und ein Verband auch nicht nach Art menschlicher Personen schuldig und bestraft werden kann, würde man besser von Verbandssanktionen sprechen, wie sie das geltende Recht im Bereich der Ordnungswidrigkeiten bereits kennt (§ 30 OWiG).
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Aber wie dem auch sei: Das Handeln der Organe, das ggf. die Sanktion auslöst, unterliegt jedenfalls dem allgemeinen Handlungsbegriff. Daher kann auf eine nähere Erörterung der kriminalpolitischen Problematik im vorliegenden Zusammenhang verzichtet werden.[73]
III. Wirkungen bloßer Körperlichkeit oder körperlicher Handlungsunfähigkeit
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Keine Handlung liegt vor, wo der menschliche Körper „nur als mechanische Masse wirkt“[74], ohne dass Geist und Psyche in irgendeiner Weise beteiligt sind oder in das Geschehen einzugreifen Gelegenheit haben. Wer gewaltsam in eine Fensterscheibe gestoßen oder aus dem Fenster geworfen wird und dadurch Schaden anrichtet, hat ebenso wenig gehandelt wie derjenige, dessen Arm durch die Einwirkung der vis absoluta von Seiten eines Dritten einen tödlichen Stich herbeiführt.
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Dagegen beeinträchtigt eine vis compulsiva, also eine erzwungene, aber durch den Willen des unmittelbar Handelnden vermittelte Verursachung, die Handlungsqualität nicht. Wenn A den B mit vorgehaltener Pistole zu einer Urkundenfälschung nötigt (§ 267 StGB), so ist das eine durch die Todesdrohung motivierte Persönlichkeitsäußerung des B. Er handelt tatbestandsmäßig und rechtswidrig, auch wenn er strafrechtlich nicht verantwortlich gemacht wird (§ 35 StGB).
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