bb) Geringe praktische Relevanz
46
Im Ergebnis dürfte die praktische Relevanz dieser Regelung heutzutage eher gering sein, denn angesichts der stetig zunehmenden Aufmerksamkeit von BaFin und ausländischen, insbesondere US-amerikanischen Aufsichtsbehördenwären Institute schlecht beraten, auf „alte“ Kundendaten zu vertrauen und Geschäftsbeziehungen mit Kunden einzugehen, deren aktuelles Eigentümer- und Risikoprofil sie nicht genauestens kennen.
b) Mitwirkungs- und Offenlegungspflicht des Vertragspartners, § 11 Abs. 6 GwG
47
Die Mitwirkungs- und Offenlegungspflicht des Vertragspartners ist eine bedeutsame Komponente der allgemeinen Sorgfaltspflichten und flankiertdie Identifizierungspflicht des Vertragspartners. Vielfach sind Angaben zur Eigentümer- oder Kontrollstruktur oder zum Risikoprofil von Vertragspartnern nicht oder nur in begrenztem Umfang öffentlich zugänglich, so dass die einzige Quelle der Vertragspartner selbst ist. Ohne seine Mitwirkung im gesetzlich definierten Rahmen werden Kreditinstitute Ihren Identifizierungs- und Überprüfungspflichten vielfach nicht nachkommen können.[45]
48
Die Mitwirkungs- und Offenlegungspflicht trifft ausschließlich den Vertragspartner selbst, keine anderen, ggf. an der Geschäftsbeziehung beteiligten Personen (z.B. wirtschaftlich Berechtigte). Die Pflicht bezieht sich auf die Mitwirkung an der Identifizierung, Identitätsüberprüfung, der Abklärung des oder der wirtschaftlich Berechtigten und der Feststellung von PEPs. Sie bezieht sich weder auf die Einholung von Informationen zum Zweck der Geschäftsbeziehung[46] noch auf die kontinuierliche Überwachung der Geschäftsbeziehung.
49
Zu betonen ist, dass die Mitwirkungs- und Offenlegungspflicht sowohl im Rahmen der Erfüllung der allgemeinen Sorgfaltspflichten bei der Begründung einer Geschäftsbeziehung mit Neukunden als auch im Zusammenhang mit der risikobasierten Wiederholungder Sorgfaltspflichten bei Bestandskunden greift.
50
Der Vertragspartner hat alle Informationen und Unterlagenzur Verfügung zu stellen, die zur Identifizierung erforderlich sind. Diese sind insb. jene Informationen und Unterlagen, die das Kreditinstitut im Rahmen der erstmaligen oder wiederholten Identifizierung anfordert, sofern diese einen begründeten Bezugzu den zu erhebenden Angaben aufweisen oder erforderlich sind, um das Risikoprofil des Vertragspartners nach § 10 Abs. 2 GwG zu bestimmen:
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alle nach § 11 Abs. 4 Nr. 1 und 2 GwG erforderliche Angaben sowie Dokumente, denen sich diese und vergleichbare Angaben entnehmen lassen; |
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Informationen zur Eigentümerstruktur; |
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Angaben zum Geschäftsmodellbzw. zu Produkten und Dienstleistungen; |
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Angaben zu Niederlassungen und Tochtergesellschaftenim Ausland sowie deren Tätigkeitsprofil; |
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Offenlegung, ob die Geschäftsbeziehung oder Transaktion für einen wirtschaftlich Berechtigten begründet oder fortgesetzt bzw. durchgeführt werden soll, und wenn ja, Angaben zur Identität wirtschaftlich Berechtigter nach § 11 Abs. 5 GwG; und |
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Angaben zu Verbindungen zu PEPs nach § 10 Abs. 1 Nr. 4 GwG.[47] |
51
Kreditinstitute werden bemüht sein, nur jene Informationen und Unterlagen beim Vertragspartner einzuholen, die nicht öffentlich verfügbar sind. Eine dahingehende gesetzliche Einschränkungder Mitwirkungs- und Offenlegungspflicht besteht hingegen nicht. Der Vertragspartner hat die angeforderten Informationen bzw. Änderungen unverzüglich, d.h. ohne schuldhaftes Zögernzur Verfügung zu stellen.
bb) Pflichtverletzung durch den Vertragspartner
52
Kommt der Vertragspartner seiner Mitwirkungs- und Offenlegungspflicht nicht, nicht umfassend oder nicht rechtzeitig nach, ist eine bestehende Geschäftsbeziehung nach § 10 Abs. 9 S. 1 GwG zu kündigen, im Falle der Begründung einer Geschäftsbeziehung ist davon Abstand zu nehmen.
c) Zeitpunkt der Identifizierung, § 11 Abs. 1 GwG: Vor Begründung der Geschäftsbeziehung
53
Im Falle von Konto- bzw. Depoteröffnungen fällt die Begründung der Geschäftsbeziehung zeitlich i.d.R. auf den Abschluss, d.h. die Unterzeichnung des zugrundeliegenden Vertrags zwischen Kreditinstitut und Kunde.[48] Gem. § 11 Abs. 1 S. 1 GwG ist die Identifizierung und die Identitätsüberprüfung grundsätzlich vor Begründung der Geschäftsbeziehung durchzuführen und abzuschließen.[49]
aa) Ausnahmetatbestand bei geringem Risiko der Geldwäsche oder Terrorismusfinanzierung
54
Wenn ein geringes Risiko der Geldwäsche oder Terrorismusfinanzierung besteht, erlaubt § 11 Abs. 1 S. 2 GwG den Abschluss der Identifizierung ausnahmsweise auch noch während der Begründung der Geschäftsbeziehung, „soweit dies erforderlich ist, um den normalen Geschäftsablauf nicht zu unterbrechen.“ Die Entscheidung, ob ein Erfordernis im vorgenannten Sinne anzunehmen ist, ist von den Kreditinstituten im Rahmen des risikobasierten Ansatzes selbst zu treffen. Die dafür und dagegen sprechenden Argumente und die Entscheidung sind zu dokumentieren, nicht zuletzt, um Rückfragen der Internen Revision bzw. des Jahresabschlussprüfersin nachvollziehbarer Weise beantworten zu können.
bb) Sonderregelung für Kreditinstitute nach § 25j KWG
55
Für Kreditinstitute ist außerdem § 25j KWGheranzuziehen. Dieser gestattet, die „Identitätsüberprüfung des Vertragspartners, einer für diesen auftretenden Person und des wirtschaftlich Berechtigten auch unverzüglich nach der Eröffnung eines Kontos oder Depots abzuschließen.“ Allerdings muss das Konto oder Depot bis zum Abschluss der Überprüfung der Identität einer Sperreunterliegen, es dürfen keine Gelder und sonstige Vermögensgegenstände abverfügtwerden.[50] Kontoeingänge oder der Erwerb von Wertpapieren gelten als unproblematisch, solange die Sperre bestehen bleibt und keine Weiterübertragungen möglich sind.[51]
56
Die Identitätsüberprüfung ist unverzüglich, also ohne schuldhaftes Zögern, nach Konto- oder Depoteröffnung abzuschließen. Für den Fall, dass die Identitätsüberprüfung im vorgenannten Fall scheitert oder nicht abgeschlossen wird, trifft § 25j S. 3 KWG Vorsorge: Die Rückzahlung von bereits eingegangenen Geldern darf nur auf das Konto erfolgen, von dem sie übertragen wurden.[52] In der Praxis sollte von beiden Ausnahmetatbeständen nur in einzelnen, begründbaren Fällen Gebrauch gemacht werden. Die Handhabung von § 25j KWG ist zudem Gegenstand der Beurteilung im Rahmen der Jahresabschlussprüfungvon Kreditinstituten.[53]
d) Begriff des Vertragspartners
57
Vertragspartner ist jede natürliche oder juristische Person, mit der eine auf Dauer angelegte Geschäftsbeziehung eingegangen wird, bzw. im Falle einer Gelegenheitstransaktion die Partei, mit der das der Transaktion zugrundeliegende Auftrags- bzw. Geschäftsbesorgungsverhältnis geschlossen wird.[54]
58
Nicht Vertragspartner i.S.d. GwG ist der Boteeines Vertragspartners, der lediglich eine Willenserklärung (des Vertragspartners) überbringt.[55] Separat zu prüfen ist, ob der Bote ggf. als für den Vertragspartner auftretende Person nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 GwG zu identifizieren ist.[56]
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