aa) Änderung maßgeblicher Umstände beim Kunden, § 10 Abs. 3a S. 2 Nr. 1 GwG
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Kreditinstitute haben die allgemeinen Sorgfaltspflichten bei Bestandskunden zu erfüllen, wenn sich maßgebliche Umstände beim Kunden ändern. Die Änderung maßgeblicher Umstände beim Kunden kann unterschiedlicher Natur sein, z.B. bei juristischen Personen die Änderung der Gesellschaftsform, eine Unternehmensverschmelzung oder die Änderung der Eigentums- und Kontrollstruktur des Kunden. Entscheidend ist eine gewisse Materialität der betreffenden Änderung, denn nur wesentliche Neuerungen rechtfertigen den nicht unerheblichen Aufwand der erneuten Identifizierung und Identitätsüberprüfung des Vertragspartners und der für den Vertragspartner auftretenden Person sowie die Abklärung des wirtschaftlich Berechtigten. Die Bestimmung der Materialität hängt von institutsspezifischen Kriterien wie z.B. Kundenstruktur und Geschäftsmodellab und liegt weitgehend im Ermessen der Kreditinstitute. Vor dem Hintergrund, dass die Kundenidentifizierung und die Aktualität der Kundeninformationen Gegenstand der Jahresabschlussprüfung von Kreditinstitutensind, sollten die Kriterien jedoch nicht zu streng sein. Dies könnte ggf. zu Beanstandungen durch den Prüfer führen, der sich im Rahmen von Stichproben auch für die Datenqualität einzelner Kundenakten zu interessieren hat.[39]
bb) Verpflichtung zum Kundenkontakt, § 10 Abs. 3a S. 2 Nr. 2 und 3 GwG
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Kreditinstitute haben die allgemeinen Sorgfaltspflichten bei Bestandskunden außerdem zu erfüllen, wenn sie verpflichtet sind, den Kunden im Laufe des betreffenden Kalenderjahres zu kontaktieren, um etwaige einschlägige Informationen über den wirtschaftlich Berechtigten zu überprüfen, oder wenn sie dazu auf Basis der Richtlinie EU 2011/16 vom 15. Februar 2011 verpflichtet sind.
cc) Risikobasierte Erfüllung der Sorgfaltspflichten
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Alle Bestandskunden müssen, unabhängig von den oben genannten Auslösern, einer turnusmäßigen Überprüfung unterzogen werden, in deren Rahmen die allgemeinen Sorgfaltspflichten nach 10 Abs. 1 Nr. 1–4 GwG wiederholt zu erfüllen sind. Die Wiederholung entspricht in Art und Umfang weitgehend der erstmaligen Identifizierung im Rahmen der Begründung der Geschäftsbeziehung, mit dem Unterschied, dass die bereits vorhandenen Informationenzum Vertragspartner als Grundlage dienen können und insoweit nicht neu eingeholt werden müssen. Der Vertragspartner ist im Rahmen der Überprüfung verpflichtet, sämtliche Änderungen mitzuteilen, vgl. § 11 Abs. 6 GwG.[40]
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Der Turnus der Überprüfung ist auf Basis des mit der Geschäftsbeziehung zum Vertragspartner einhergehenden Risikos der Geldwäsche bzw. Terrorismusfinanzierung festzulegen: Je höher das Risiko, desto kürzer die Zeitabstände zwischen den einzelnen Überprüfungen.
3. Kapitel Allgemeine, vereinfachte und verstärkte kundenbezogene Sorgfaltspflichten nach §§ 10 ff. GwG: Umfang und institutsspezifische Umsetzung› B. Regulatorische Anforderungen › I. Allgemeine Sorgfaltspflichten, § 10 GwG › 2. Risikobasierte Festlegung des Umfangs der allgemeinen Sorgfaltspflichten, § 10 Abs. 2 GwG
2. Risikobasierte Festlegung des Umfangs der allgemeinen Sorgfaltspflichten, § 10 Abs. 2 GwG
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Der zu Beginn dieses Kapitels bereits skizzierte risikobasierte Ansatzin der Prävention von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung ist maßgeblich für die institutsspezifische Ausgestaltung von Art und Umfang der allgemeinen Sorgfaltspflichten.
a) Ermessenspielraum der Kreditinstitute
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Das GwG macht mit § 10 Abs. 2 die verbindliche Vorgabe, dass die Sorgfaltspflichten nach § 10 Abs. 1 Nr. 2–5 GwG dem jeweiligen Risiko der Geldwäsche oder Terrorismusfinanzierungentsprechen müssen. Daraus folgt, dass die Qualität der Maßnahmen sowie der im Einzelfall zu betreibende Aufwand zur Abklärung des wirtschaftlich Berechtigten, zur Erkennung von PEPs und zur kontinuierlichen Überwachung der Geschäftsbeziehung voneinander abzuweichen haben, je nachdem, ob es sich um Geschäftsbeziehungen mit niedrigem, mittlerem oder hohem Risikoder Geldwäsche oder Terrorismusfinanzierung handelt.[41] Im Rahmen der Erfüllung der einzelnen Sorgfaltspflichten besteht somit ein Ermessensspielraum auf Seiten der Kreditinstitute, der zur Durchführung unterschiedlich intensiver bzw. ausgeprägter Maßnahmen berechtigt. Dem Spielraum sind allerdings Grenzengesetzt: Nach § 10 Abs. 2 S. 3 GwG müssen die Institute der BaFin auf deren Verlangen darlegen können, dass die von ihnen getroffenen Maßnahmen angemessen sind.
b) Risikoanalyse als Kernstück des risikobasierten Ansatzes
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Kernstück des risikobasierten Ansatzes ist die institutsinterne Risikoanalysegem. § 5 GwG,[42] deren Ziel es ist, „die institutsspezifischen Risiken zu Zwecken von Geldwäsche, Terrorismusfinanzierung sowie Betrug zu Lasten des Institutes zu erfassen, zu identifizieren, zu kategorisieren, zu gewichten sowie darauf aufbauend geeignete Geldwäsche-Präventionsmaßnahmen zu treffen.“[43]
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Aus der Risikoanalyse müssen sich also u.a. Art und Umfang der allgemeinen Sorgfaltspflichten ableiten lassen, gestaffelt nach den vorgenannten Risikostufen niedrig, mittel und hoch. Die Schlüssigkeit der in der Risikoanalyse abgebildeten Bestandsaufnahme der institutsspezifischen Situation, der Identifizierung und Klassifizierung von Risiken sowie der Herleitung erforderlicher Präventionsmaßnahmen ist Maßstab dafür, ob und inwieweit die BaFin die von einem Kreditinstitut im Rahmen der allgemeinen Sorgfaltspflichten ergriffenen Maßnahmen als angemessen erachtet.[44]
3. Kapitel Allgemeine, vereinfachte und verstärkte kundenbezogene Sorgfaltspflichten nach §§ 10 ff. GwG: Umfang und institutsspezifische Umsetzung› B. Regulatorische Anforderungen › I. Allgemeine Sorgfaltspflichten, § 10 GwG › 3. Identifizierung und Identitätsüberprüfung des Vertragspartners, § 10 Abs. 1 Nr. 1 GwG
3. Identifizierung und Identitätsüberprüfung des Vertragspartners, § 10 Abs. 1 Nr. 1 GwG
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Zentraler Bestandteil der Sorgfaltspflichten und Kern des Know Your Customer-Prinzips („KYC“)ist die Pflicht zur Identifizierung und Identitätsüberprüfung des Vertragspartners.
a) Möglichkeit des Absehens von der Identifizierung, § 11 Abs. 3 GwG
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Das GwG legt in § 11 Abs. 3 S. 1 GwG Voraussetzungen fest, unter denen von der Identifizierung des Vertragspartners abgesehen werden kann.
aa) Ausnahmetatbestand: Identifizierung bei früherer Gelegenheit
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Dies ist der Fall, „wenn der Verpflichtete die zu identifizierende Person bereits bei früherer Gelegenheit im Rahmen der Erfüllung seiner Sorgfaltspflichten identifiziert hatund die dabei erhobenen Angaben aufgezeichnet hat.“ Eingeschränkt wird die Anwendbarkeit dieses Ausnahmetatbestands jedoch im gleichen Atemzug: „Muss der Verpflichtete aufgrund der äußeren Umstände Zweifel hegen, ob die bei der früheren Identifizierung erhobenen Angaben weiterhin zutreffend sind, hat er eine erneute Identifizierung durchzuführen.“ Der folgende, in der Praxis vorkommende Anwendungsfall zu dieser Regelung ist denkbar: Eine Geschäftsbeziehung zwischen Kunde und Kreditinstitut wurde beendet und alle Produkt- bzw. Dienstleistungen wurden eingestellt. Der Kunde wünscht nunmehr nach gewissem Zeitablauf, die Geschäftsbeziehung „ wieder aufzunehmen“. Bei der Wiederaufnahme handelt es sich um die Begründung einer neuen Geschäftsbeziehung, welche nach § 10 Abs. 3 Nr. 1 GwG u.a. die Pflicht zur Identifizierung des Vertragspartners auslöst. An dieser Stelle kommt der oben skizzierte Ausnahmetatbestand ins Spiel, der den administrativen Aufwand der Institute reduzieren soll, sofern Zweifel an der Richtigkeit der bereits erhobenen Angabennicht bestehen.
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