169
Der Strafrichterentscheidet nach § 25 Nr. 2 GVG, wenn keine höhere Strafe als Freiheitsstrafe von 2 Jahren zu erwarten ist, seine Strafgewalt reicht aber bis zu 4 Jahren Freiheitsstrafe, § 24 Abs. 2 GVG.[84] Das Schöffengerichtist zuständig, soweit nicht der Strafrichter entscheidet, § 28 GVG. Es verhandelt und entscheidet im Regelfall in der Besetzung mit einem Richter beim Amtsgericht als Vorsitzenden und 2 Schöffen. Das erweiterte Schöffengerichtnach § 29 Abs. 2 GVG in der Besetzung 2 Berufsrichter, 2 Laienrichter ist in der Praxis eine absolute Ausnahme. Außerhalb der Hauptverhandlung entscheidet der Vorsitzende des Schöffengerichts allein, § 30 Abs. 2 GVG.
170
Im Strafbefehlsverfahrengilt die besondere Rechtsfolgenbegrenzung des § 407 Abs. 2 S. 1 StPO. Nach S. 2 kann Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr verhängt werden, wenn diese zur Bewährung ausgesetzt wird und der Beschuldigte einen Verteidiger hat.[85]
171
Die sachliche Zuständigkeit des Landgerichts in Strafsachen regeln die §§ 73 ff. GVG. Als erkennende Gerichte sind die Strafkammern mit 3 Berufsrichtern und 2 Schöffen besetzt. Nach § 76 Abs. 2 GVG besteht die Möglichkeit auf den dritten Berufsrichter zu verzichten. Für Straftaten nach dem Finanzmonopol-, Steuer- und Zollrecht ist gem. § 74c Abs. 1 Nr. 3 GVG die Wirtschaftsstrafkammerals Große Strafkammerfunktionell zuständig, wenn die Katalogtat von besonderer Bedeutung ist oder die Rechtsfolgenkompetenz des Amtsgerichts nicht ausreicht. Als Berufungsstrafkammer ist die Wirtschaftsstrafkammer als Kleine Strafkammernach § 76 Abs. 1 GVG zuständig, wenn das Urteil in einer Wirtschaftsstrafsache im 1. Rechtszug vom Schöffengericht erlassen worden ist.[86] Bei Berufungen gegen ein Urteil des erweiterten Schöffengerichts ist ein zweiter Richter hinzuzuziehen, § 76 Abs. 3 GVG.
172
Das Rangverhältnis zwischen der Wirtschaftsstrafkammer und den anderen (Spezial- und allgemeinen) Strafkammern des Landgerichts regeln § 74e GVG und § 209a StPO. Danach geht die Wirtschaftsstrafkammer den allgemeinen Strafkammern im Range vor. Außerhalb der Hauptverhandlung und als Beschwerdegericht entscheidet die Strafkammer in der Besetzung mit 3 Berufsrichtern, im Berufungsverfahren außerhalb der Hauptverhandlung der Vorsitzende allein, § 76 GVG.
b) Örtliche Zuständigkeit
173
Für Steuerstrafsachen, die in die sachliche Zuständigkeit der Amtsgerichte fallen, bestimmt § 391 Abs. 1 S. 1 AO als örtlich zuständig das Amtsgericht „in dessen Bezirk das Landgericht seinen Sitz hat“ (Sitzgericht). Sitz des Landgerichts und Sitz des Amtsgerichts können örtlich verschieden sein. Das Landgericht i.S.d. § 391 Abs. 1 S. 1 AO ist das dem Amtsgericht im Rechtszug und somit in der Organisation übergeordnete Landgericht. Der Landesgesetzgeber ist nach § 391 Abs. 2 AO ermächtigt eine abweichende örtliche Zuständigkeit zu schaffen, z.B. ein Amtsgericht auch zentral für mehrere Bezirke zu bestimmen. Im Vorverfahren ist die Zuständigkeit des zentralen Amtsgerichtsnach § 391 Abs. 1 S. 2 AO auf die gerichtliche Zustimmung zur Einstellung des Strafverfahrens nach § 153 Abs. 1 StPO und § 153a Abs. 1 StPO beschränkt.
174
Mithin gelten im vorbereitenden Verfahren folgende Zuständigkeitsregeln:
• |
für richterliche Untersuchungshandlungen i.d.R. das Amtsgericht, in dessen Bezirk diese Handlung vorzunehmen ist (§§ 162, 165 StPO); |
• |
für den Erlass eines Haft- oder Unterbringungsbefehls jedes Amtsgericht, in dessen Bezirk irgendein Gerichtstand nach §§ 7 ff. StPO begründet ist oder der Beschuldigte sich gerade aufhält (§ 125 Abs. 1 StPO, § 126a Abs. 2 StPO); für weitere Entscheidungen in Haft- und Unterbringungssachen ist der Richter zuständig, der über den Haft- bzw. Unterbringungsantrag entschieden hat, § 126 Abs. 1 StPO; |
• |
für die richterliche Vernehmung i.d.R. der Richter beim Amtsgericht des Wohnorts des zu Vernehmenden, § 162 StPO. |
175
Während den Finanzbehörden nach § 386 Abs. 2 AO die Ermittlungskompetenz verloren geht, wenn Steuervergehen mit einer Straftat anderer Art zusammentreffen, erweitert der § 391 Abs. 4, 1. Hs. AO die Zuständigkeit des zentralen Amtsgerichts auf solche Verfahren, die „nicht nur Steuerstraftaten zum Gegenstand“ haben. Diese Zuständigkeitsregelung gilt nicht, wenn dieselbe Handlung zugleich Betäubungsmittelstraftat ist bzw., wenn es sich um ein Kraftfahrzeugsteuervergehen handelt, § 391 Abs. 4, 2. Hs. AO.
176
Parallel zur Konzentration von Steuerstrafsachen beim Amtsgericht nach § 391 AO eröffnet § 74c Abs. 3 GVG die Möglichkeit, bei einem Landgericht Wirtschaftsstrafsachen und damit auch Steuerstrafsachen zu konzentrieren. Die Zuständigkeitsregelung ist dem Landesgesetzgeber übertragen.[87]
c) Gericht und Steuerrecht
177
Die Ausführungen zur Staatsanwaltschaft gelten für die Gerichte entsprechend. Wie die Staatsanwaltschaften so sind auch die Gerichte für die Verfolgung von Wirtschaftsstrafsachen durch die Einrichtung der Wirtschaftsstrafkammern gem. § 74c GVG auf diesen besonderen strafrechtlichen Bereich eingestellt. Im Steuerstrafrecht setzen sich die für die Staatsanwaltschaft aufgezeigten Probleme fort. Die Möglichkeit des § 396 AO wird indessen, aus welchen Gründen auch immer, kaum genützt.[88] Über die Gründe kann man spekulieren. Ein Grund mag im Selbstverständnis des Strafjuristenliegen, alles Rechtliche zu beherrschen und allein die richtige Lösung finden zu können unbeschadet der Komplexität des Rechtsgebiets.
[1]
Das Gesetz spricht von „Außenprüfung“ statt von „Betriebsprüfung“. Dafür war die Überlegung maßgebend, dass Außenprüfungen bei allen Steuerpflichtigen möglich sein sollen und dass die Außenprüfung sich anschaulich von Prüfungen an Amtsstelle unterscheiden muss. Die Steuerverwaltung bezeichnet die Außenprüfung von „Betrieben“ (§ 193 Abs. 1 AO) allerdings weiterhin mit Betriebsprüfung als einer Art der Außenprüfung, vgl. TK- Seer vor § 193 Tz. 10.
[2]
Allgemeine Verwaltungsvorschrift für die Betriebsprüfung – Betriebsprüfungsordnung – (BpO 2000) v. 15.3.2000 (BStBl. I 2000, 368); zuletzt geändert durch die allgemeine Verwaltungsvorschrift vom 20.7.2011 BStBl. I, 710.
[3]
Vgl. hierzu Nr. 130, 131 AStBV (St) 2014.
[4]
Nr. 131 Abs. 1 AStBV (St) 2014.
[5]
BStBl. I 2009, 82.9.
[6]
Nr. 131 Abs. 2 AStBV (St) 2014.
[7]
Nr. 131 Abs. 3 AStBV (St) 2014.
[8]
Zur Praxis Bilsdorfer PStR 2001, 238.
[9]
Kindler PStR 2011, 44.
[10]
BFH v. 8.1.2014, X B 112/13, X B 113/13, BFH /NV 2014, 487 f.
[11]
Vgl. zur Kritik etwa TK- Seer § 208 Tz. 8 m.w.N.; heftig polemisierend Kaligin BB 2001, 2142 ff., kritisch hierzu Schiffer/Schubert BB 2001, 2560.
[12]
TK- Seer § 208 Tz. 8.
[13]
Z.T. kritisch TK- Seer § 208 AO Tz. 44 ff.
[14]
Kohlmann- Matthes § 404 Rn. 12.
[15]
BFH wistra 2002, 27 sowie bereits 1998, 110 u. 230; TK- Seer § 208 Tz. 52 m.w.N.
[16]
TK- Seer § 208 Tz. 5 ff.
[17]
So in Bayern, Baden-Württemberg, Brandenburg, Bremen, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Rheinland-Pfalz, Saarland, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein und Thüringen.
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