7. Institutionelle Garantien
67
Der Staat spielt bei der Schaffung von Medienangeboten im Rahmen des institutionellen Medienrechts eine besondere Rolle. Art. 5 Abs. 1 GG gewährt neben den geschilderten individuellen Rechten auch die sich auf Massenmedien beziehenden Freiheiten, deren rechtlichen Rahmen der Gesetzgeber durch konkrete Regelungen auszugestalten hat, wenn die Verankerung im Grundgesetz alleine für ein Funktionieren des jeweiligen Mediums aus Gründen des Demokratiegebots nicht ausreicht. Der Grund hierfür liegt in der „schlechthin konstituierenden“ Bedeutung,[232] vor allem von Fernsehen, Radio und Presse für die freie Meinungsbildung[233] und die Demokratie[234] insgesamt. Die institutionelle Medienfreiheit sichert neben der auf die freie Presse und auf einen funktionierenden Rundfunk bezogenen Einrichtungsgarantie auch den Anspruch für die an Massenmedien Mitwirkenden, sich auf die Kommunikationsfreiheit zu berufen.[235] Die Anspruchsberechtigten des institutionellen Medienrechts unterliegen keinen anderen Schranken als den im individuellen Medienrecht geltenden i.S.v. Art. 5 Abs. 2 GG. Gesichert wird die institutionelle Medienfreiheit durch interne Kontrollmechanismen, wie die programmlichen Vorgaben in § 41 RStV oder die standesrechtlichen Sorgfaltspflichten der Presse, deren Überwachung durch den Deutschen Presserat erfolgt.[236] Neben Art. 5 GG sind auch die Berufsfreiheit aus Art. 12 GG und die Eigentumsfreiheit aus Art. 14 GG elementar für das Wirken und den Bestand der freien Medienlandschaft. Durch diese Grundrechte wird zum einen ein freies berufliches Wirken ermöglicht und zum anderen der Schutz dessen gewährleistet, was dieses Wirken hervorbringt. Das Urheberrecht und das Presseleistungsschutzrecht sind grundlegend für die Finanzierbarkeit einer freien, staatsfernen Presse.[237]
8. Dienende und ausgestaltungsbedürftige Rundfunkfreiheit
68
Nach der Rspr. des BVerfG ist die Rundfunkfreiheit durch strukturelle Besonderheiten gekennzeichnet. Sie dient der freien, individuellen und öffentlichen Meinungsbildung und stellt daher in erster Linie ein drittnütziges Freiheitsrecht dar. Zugleich ist sie ausgestaltungsbedürftige Grundvoraussetzung für eine funktionsfähige Demokratie.[238] Insoweit unterscheidet sich die Rundfunkfreiheit von anderen Grundrechten. Diese gewähren regelmäßig Freiheiten zur Selbstverwirklichung des Einzelnen und schützen subjektiv-rechtliche, individuelle Interessen.
69
Die Rundfunkfreiheit wird insofern auch als sog. dienende Freiheit[239] verstanden.[240] Als solche ist sie dadurch gekennzeichnet, dass sie grundrechtlich verbürgte Befugnisse im Interesse Dritter vor dem Zwang und der Intervention des Staates schützt.[241] Sie dient, wenn man so will, der freien, individuellen und öffentlichen Meinungsbildung und zwar in einem umfassenden Sinne, der nicht bloß auf Berichterstattung oder Vermittlung politischer Meinungen reduziert ist. Die Funktion des Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG beschränkt sich aufgrund dieser besonderen Eigenschaft nicht auf die Abwehr staatlicher Einflussnahme, sondern erfordert es, eine positive Ordnung zu schaffen, in der die Meinungsvielfalt gewährleistet wird. Zudem muss sichergestellt werden, dass der Rundfunk nicht dem Staat oder gesellschaftlichen Gruppen ausgeliefert wird. Mit dieser Rspr, vertritt das BVerfG einen vermittelnden Ansatz zwischen den widerstreitenden Positionen, die die Rundfunkfreiheit teils als rein subjektiv[242] und teils als rein objektiv begreifen.[243] Die subjektive Betrachtung stellt im Wesentlichen auf den abwehrrechtlichen Charakter[244] der Gewährleistung zugunsten des Rundfunkveranstalters gegen Eingriffe in die Programmautonomie ab, während die objektivrechtliche Sichtweise insbesondere den staatlichen Schutzauftrag mit den Stichworten institutionelle Garantien des Rundfunks und Finanzgewährleistungsanspruch des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in den Vordergrund stellt.
70
Für das BVerfG ist die Rundfunkfreiheit in ihren subjektiven und objektiven Komponenten ausgestaltungsbedürftigund darf nicht dem freien Spiel der Kräfte überlassen werden. Vielmehr muss die Informationsfreiheit des Bürgers durch Ausgewogenheit und Vielfältigkeit des Gesamtangebotes des Rundfunks gewährleistet und positiv geregelt werden. Neben der Ausgewogenheit kommt es insbesondere auf Neutralität und Tendenzfreiheit[245] an. Die inländischen Programme müssen in ihrer Gesamtheit der bestehenden Meinungsvielfalt Rechnung tragen und ihr im Wesentlichen entsprechen. Zudem sind Vorkehrungen dagegen zu treffen, dass der Rundfunk einzelnen gesellschaftlichen Gruppen ausgeliefert wird. Alle in Betracht kommenden Kräfte müssen im Gesamtprogramm zu Wort kommen können.[246] Diese Ausgestaltungspflicht ist „nicht durch den Wegfall der durch die Knappheit von Sendefrequenzen bedingten Sondersituation entbehrlich geworden. Dies hat sich im Grundsatz durch die technologischen Neuerungen der letzten Jahre und die dadurch ermöglichte Vermehrung der Übertragungskapazitäten sowie die Entwicklung der Medienmärkte nicht geändert.“[247]
71
Am Konzept der Ausgestaltungsbedürftigkeit durch den Gesetzgeber wird indes Kritik geübt, weil sie die abwehrrechtliche Funktion der Grundrechte aushöhle. Im Rahmen der Ausgestaltung des Rundfunkrechts könnten auf diese Weise die Anforderungen der Verfassung an Grundrechtseingriffe umgangen werden.[248] Wegen der unklaren verfassungsrechtlichen Anforderungen an Ausgestaltungsgesetze ist diese Kritik nicht von der Hand zu weisen.[249]
72
Die Rundfunkfreiheit kennt als ihre drei zentralen Strukturprinzipien die Staatsfreiheitoder Staatsferne,[250] das Pluralismusgebot und die Programmfreiheit. Der Rundfunk kann seine verfassungsrechtlich zugewiesene Aufgabe nur erfüllen, wenn er Freiheit gegenüber dem Staat genießt, mit anderen Worten staatsfrei ist. Von zentraler Bedeutung ist dabei die Erkenntnis, dass die Begriffe „öffentlich-rechtlich“ und „staatlich“ nicht gleichzusetzen sind.[251] Eine Vermittlung im Wege des Rundfunks zwischen Staat und Bürger in einem freien, individuellen und vielfaltsorientierten Meinungsbildungsprozess ist nur sinnvoll, wenn der Vermittlungsprozess sich frei und ungesteuert vollziehen kann.[252] Hier muss der Staat vor allem von der publizistischen Funktion des Rundfunks ausgeschlossen sein, indem ihm eine Einmischung in die Programmgestaltung und in sonstige rundfunkspezifische Belange versagt ist.[253] Ziel ist es, eine Beeinträchtigung, Instrumentalisierung oder gar Beherrschung durch den Staat zu verhindern und einen Rundfunk zu schaffen, der dem Prinzip gesellschaftlicher Freiheit und Vielfalt verpflichtet ist.[254]
73
Aus diesem Grund darf der Staat nichtals Rundfunkveranstalterfungieren[255] und keinen bestimmenden Einfluss auf das Programm nehmen.[256] Den Kontrollgremien des Rundfunks können aber – zur Durchführung einer genau umrissenen Rechtsaufsicht – Vertreter öffentlich-rechtlicher Rundfunkanstalten[257] und Landesmedienanstalten[258] sowie Benannte des Staates, auch aus Parlamenten, angehören.[259] Es muss jedoch sichergestellt sein, dass der Staat über diese Gremien keinen inhaltlichen Einfluss auf die Rundfunkveranstaltung nimmt.[260] In der Literatur sind immer wieder Zweifel geäußert worden, ob sich die Zusammensetzung von Fernseh- und Verwaltungsrat des ZDF angesichts der hohen Zahl der dem Staat zuzurechnenden Vertreter mit dem Grundsatz der Staatsferne vereinbaren lässt. Erneute Brisanz erlangte diese Frage im Zusammenhang mit der Entscheidung des ZDF-Verwaltungsrats, das Einvernehmen mit dem Vorschlag des Intendanten, Nikolaus Brender erneut zum ZDF-Chefredakteur zu berufen, nicht herzustellen.[261] Angesichts dessen hatte das Land Rheinland-Pfalz Anfang des Jahres 2011 einen Normenkontrollantrag zur Überprüfung des ZDF-Staatsvertrages beim BVerfG eingereicht. Im März 2014 sind die maßgeblichen Vorschriften für verfassungswidrig erklärt worden, weil die gesetzlich geregelte Zusammensetzung der beiden Aufsichtsgremien dem Gebot der Staatsferne nicht hinreichend Rechnung trug. Der am 1.1.2016 in Kraft getretene ZDF-Staatsvertrag trägt den Vorgaben des BVerfG nunmehr Rechnung.[262] In ähnlicher Weise hatte das BVerfG bereits im Jahr 2008 über die Beteiligung politischer Parteien an privaten Rundfunksendern entschieden.[263] Insoweit wies das Gericht auf die besondere Staatsnähe der Parteien hin, die auf die Erlangung staatlicher Macht ausgerichtet seien, entscheidenden Einfluss auf die Besetzung der obersten Staatsämter ausübten und die Bildung des Staatswillens insbesondere durch Einflussnahme auf die Beschlüsse von Parlament und Regierung steuerten. Überdies seien auch die personellen Überschneidungen zwischen den Angehörigen politischer Parteien und den Staatsorganen zu beachten.[264]
Читать дальше