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Der zwanzigste Rundfunkänderungsstaatsvertrag aus dem Dezember 2016[312] betrifft den Rundfunkstaatsvertrag, den Deutschlandradio-Staatsvertrag sowie den Rundfunkfinanzierungsstaatsvertrag. Mit Blick auf den Rundfunkstaatsvertrag wurden die vom Deutschlandradio beschlossenen Änderungen der Programm-bezeichnungen in „Deutschlandfunk Kultur“ (bisher „Deutschlandradio Kultur“) und „Deutschlandfunk Nova“ (bisher „DRadio Wissen“) aufgenommen. Zudem wurden für die Gremien des Deutschlandradio die Vorgaben des BVerfG zur Staatsferne erfüllt. Die mit dem 17. Rundfunkänderungsstaatsvertrag im ZDF-Staatsvertrag umgesetzten Grundsätze sollen allgemein auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk Anwendung finden.[313] Weitere Anpassungen betreffen den Rundfunkfinanzierungsstaatsvertrag mit Blick auf die durch den 20. KEF-Bericht geänderte Verteilung des Rundfunkbeitrags.
2. Weiteres Landesrecht, insbesondere Rundfunk-/Mediengesetze
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Neben den Rundfunkstaatsverträgen existieren in den Ländern Landesrundfunk- bzw. Landesmediengesetze. Diese enthalten Vorschriften zur Zulassung zu Rundfunkveranstaltungen durch die zuständige Landesanstalt,[314] Regelungen über Übertragungskapazitäten, Programmanforderungen, Vorschriften zum Schutz der Mediennutzer sowie zu lokalem Hörfunk und Bürgermedien. Zudem ist dort namentlich die Aufsicht über den privaten Rundfunk durch die Landesmedienanstalten sowie deren Organisation geregelt.[315]
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In einigen Ländern (z.B. Saarland und Rheinland-Pfalz) wurden die Landespresse- und Landesrundfunkgesetze unter neue, üblicherweise als Landesmediengesetz bezeichnete, Dächer zusammengeführt und durch übergreifende Regelungen ergänzt. Die sog. Mehrländeranstalten MDR, NDR, SWR und RBB haben ihre Rechtsgrundlage in Staatsverträgen der Länder. Letztere tragen die Anstalten jeweils gemeinsam, also im Fall des SWR Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz, auf Grundlage eines Staatsvertrages. Demgegenüber beruhen die Einländeranstalten wie WDR und BR auf Landesgesetzen, z.B. dem WDR-Gesetz.[316] In NRW wurde das Landesmediengesetz Ende 2009 umfassend novelliert.[317] Insbesondere in Bezug auf das Medienkonzentrationsrechtwurden umfassende Neuerungen erarbeitet.[318] Presseunternehmen können sich nun mit bis zu 100 % am lokalen und regionalen Rundfunk beteiligen, wenn sie zur Verhinderung vorherrschender Meinungsmacht vielfaltssichere Maßnahmen i.S.d. §§ 33a ff. LMG NRW ergreifen (Einrichtung eines Programmbeirats, Einräumung von Drittsendezeiten oder im Einzelfall gleich wirksame Mittel).[319]
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Zudem existiert eine Vielzahl von Landesgesetzen über die Landesrundfunkanstalten sowie Satzungen und Richtlinien der Landesmedienanstalten, die auf Grundlage der jeweiligen gesetzlichen Regelungen erlassen wurden.[320]
[1]
Dazu 5. Kap. Rn. 9 ff.
[2]
Dazu 8. Kap. Rn. 17 ff.
[3]
Dazu 6. Kap.
[4]
S. dazu unten 4. Kap. Rn. 8 ff.
[5]
Deren Mitglieder sind die Landesrundfunkanstalten der ARD sowie das ZDF.
[6]
BVerfGE 12, 205 ff.
[7]
Zur Entwicklung des Rundfunkrechts bis in die Gegenwart auch Dörr/Schwartmann Rn. 164 ff.; Gersdorf Grundzüge des Rundfunkrechts, Rn. 1-59.
[8]
Der Schwerpunkt der Gesetzgebungskompetenz im Medienrecht liegt insgesamt bei den Ländern. Dies gilt auch für den Rundfunk, der nach Art. 30, 70 GG in deren Verantwortlichkeit fällt. Daher finden sich in den Landesrundfunk- bzw. Landesmediengesetzen, in den Staatsverträgen der Länder für den Rundfunk sowie im Jugendmedienschutz-Staatsvertrag wichtige Vorschriften. Der Bund hat gem. Art. 71, 73 GG die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz für den Auslandsrundfunk im Rahmen der Deutschen Welle (Art. 73 Nr. 1 GG). Zudem liegt hier nach Art. 71 i.V.m. 73 Nr. 1, Art. 87 GG die bundeseigene Verwaltungskompetenz für diesen Bereich. Hiervon sind die Deutsche Welle und vormals auch der Deutschlandfunk erfasst, wobei letzterer seit dem Jahr 1994 mittels Deutschlandradio-Staatsvertrag in die Länderhoheit überführt worden ist. Dazu näher Dörr/Schwartmann Rn. 49 ff. Art. 72, 74 GG weisen dem Bund in Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG die konkurrierende Zuständigkeit für Zeugnisverweigerungsrechte und Beschlagnahmeverbote (§ 53 Abs. 1 S. 1 Nr. 5, S. 2, 3, Abs. 2 S. 2, 3 StPO, § 383 Abs. 1 Nr. 5, Abs. 3 ZPO und § 97 Abs. 5 StPO) zu. Hinsichtlich der Chancengleichheit für politische Parteien, die sich auf die Verteilung der Sendezeit für Wahlwerbung auswirkt, ist Art. 21 Abs. 3 GG i.V.m. § 5 PartG einschlägig. Auch die für das Rundfunkrecht relevanten Bereiche Jugendschutz (Art. 74 Abs. 1 Nr. 7 GG) sowie Wirtschafts- und Kartellrecht (Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 und 16 GG) sind Gegenstand der konkurrierenden Zuständigkeit des Bundes.
[9]
S.u. Rn. 37 ff.
[10]
S.u. Rn. 37.
[11]
Zur Freiheit der Wort- und Bildberichterstattung 9. Kap. Rn. 1 ff.
[12]
Dazu Sachs/ Bethge Art. 5 Rn. 68.
[13]
Dazu Dörr/Schwartmann Rn. 243 ff.
[14]
Sachs/ Bethge Art. 5 Rn. 116, 118.
[15]
Sachs/ Bethge Art. 5 Rn. 90a.
[16]
Auch andere Grundrechte können für die Medien in einzelnen Bereichen von Bedeutung sein. Neben der Rundfunk- und Pressefreiheit sind insbesondere die Grundrechte des Art. 13 GG sowie im Hinblick auf das Fernmeldegeheimnis Art. 10 Abs. 1 GG zu beachten; dazu Dörr/Schwartmann Rn. 99. Das BVerfG hat in der Cicero -Entscheidung das Grundrecht der Pressefreiheit im Hinblick auf Art. 13 GG (Unverletzlichkeit der Wohnung, wobei hiervon auch Geschäftsräume erfasst sind) gestärkt. Es ging um die Durchsuchung von Redaktionsräumen eines Magazins, in dem ein Journalist einen irakischen Terroristen unter Verwendung von Zitaten aus vertraulichen Akten des Bundeskriminalamtes portraitiert hatte, weswegen dem Chefredakteur und dem Autor des Artikels Beihilfe zum Geheimnisverrat vorgeworfen wurde. Dieser Fall knüpft an die Entscheidung in der Spiegel-Affäre im Jahr 1962 an, in deren Rahmen es zu einer Verhaftung des damaligen Herausgebers Rudolf Augstein gekommen war. BVerfG AfP 2007, 110 – Cicero; dazu 9. Kap. Rn. 7.
[17]
Quelle: Statista, abrufbar unter https://de.statista.com/statistik/daten/studie/6188/umfrage/umsaetze-der-fernsehwerbung-seit-2003/
[18]
Quelle: ARD-Werbung Sales & Services.
[19]
20. KEF-Bericht April 2016, S. 199. Die KEF stellt für 2017 bis 2020 einen Überschuss der Rundfunkanstalten von 542,2 Mio. EUR fest. Sie empfiehlt eine Absenkung des Rundfunkbeitrags um 30 Cent auf monatlich 17,20. Bericht abrufbar unter www.kef-online.de/inhalte/bericht20/20_KEF-Bericht.pdf.
[20]
Dazu Böge/Doetz/Dörr/Schwartmann/ Dörr S. 21 ff.
[21]
Dazu 13. Kap. Rn. 37, vgl. auch WuW BKartA DE-V 1163; Die Übernahme der ProSieben/Sat.1-Gruppe durch die Axel Springer AG scheiterte zum einen, da die zuständige Kontrollkommission KEK die Übernahme aus konzentrationsrechtlichen Gründen ablehnte und zum anderen, da das BKartA die geplante Transaktion aus wettbewerbsrechtlichen Gründen untersagte. Springer klagte hiergegen auf dem zivil- und verwaltungsrechtlichen Wege. Der BGH hielt das Übernahmeverbot des Kartellamts für rechtmäßig (vgl. BGH MMR 2011, 60, zu den Hintergründen Schwartmann Wann ist ein Markt ein Markt?, Legal Tribune Online, abrufbar unter www.lto.de/de/html/nachrichten/653/Wann-ist-ein-Markt-ein-Markt/). Auf dem Verwaltungsrechtsweg hob das BVerwG die vorinstanzliche Entscheidung des BayVGH auf und verwies zurück (vgl. BVerwG MMR 2011, 265). Der BayVGH hatte die Klage des Springer-Konzerns wegen fehlendem Fortsetzungsfeststellungsinteresse als unzulässig abgewiesen (vgl. BayVGH ZUM 2010, 191). Das BVerwG nahm dieses an, weil Springer nach der KEK-Entscheidung aus 2006 bei künftigen Übernahmen möglicherweise „nicht als ernsthafter Verhandlungspartner“ angesehen werden könne. Nunmehr haben sowohl der BayVGH (MMR 2012, 489) als auch das BVerwG ( 29.1.2014 – MMR 2015, 67) übereinstimmend festgestellt, dass die KEK im Hinblick auf den geplanten Zusammenschluss von Springer/ProSiebenSat.1 zu Unrecht eine vorherrschende Meinungsmacht i.S.v. § 26 RStV angenommen hat. Bei der Berechnung des Zuschaueranteils sei insoweit ausschließlich der Fernsehmarkt in Betracht zu ziehen. Demgegenüber hatte die KEK sämtliche medienrelevanten verwandten Märkte (insbesondere den Pressebereich) berücksichtigt und war so zur Annahme einer vorherrschenden Meinungsmacht gekommen (42 % Zuschaueranteil). Ausgehend von einer fernsehspezifischen Bewertung nahmen BayVGH und BVerwG lediglich einen Zuschaueranteil von ca. 22 % an, der angesichts sog. Fensterprogramme und Drittsendezeiten um weitere 5 % zu kürzen sei. Weil der Schwellenwert von 25 % daher deutlich unterschritten werde, sei eine vorherrschende Meinungsmacht im Fernsehbereich auch unter Berücksichtigung medienrelevanter verwandter Märkte zu verneinen. Zwar sind die dem Verwaltungsverfahren zugrundeliegenden Übernahmepläne längst aufgegeben. Jedoch könnte diese Berechnungspraxis der vorherrschenden Meinungsmacht im Hinblick auf künftige Fusion verschiedener Medienbereiche wegweisend sein. Die KEK und das Bundeskartellamt haben im Februar 2014 die (kleinere) Fusion zwischen Springer und dem Nachrichtensender N24 für medienrechtlich unbedenklich befunden und genehmigt, vgl. axelspringer.de/presse/Axel-Springer-SE-KEK-genehmigt-Erwerb-von-N24_19956805.html.
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