5. Schutzbereich und Schranken der Rundfunkfreiheit
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Der Schutzbereich der Rundfunkfreiheit umfasst ein breites Spektrum. Geschützt sind die Beschaffung einer Information und deren Verbreitung, wobei auch die medienspezifischen technischen Vorkehrungen, etwa zur Übertragung von Informationen, erfasst sind.[185] Informationen und Meinungen können durch Nachrichten und politische Kommentare, aber auch durch Fernsehspiele oder Musiksendungen transportiert werden.[186] Geschützt sind neben der Auswahl des Stoffes auch die Art und Weise seiner Darstellung und Sendeform. Das BVerfG berücksichtigt seit der Lebach-Entscheidung[187] die Suggestivwirkung und Reichweite des Fernsehens gegenüber den anderen klassischen Medien Presse, Hörfunk und Film.[188] Die Schranken der Rundfunkfreiheit ergeben sich aus der oben für die Meinungsfreiheit beschriebenen Schrankentrias des Art. 5 Abs. 2 GG.[189]
6. Rundfunkrechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts
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Die Rundfunkfreiheitdes Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG muss vor dem Hintergrund der Rundfunkrechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtsbetrachtet werden. Aus dem knappen Wortlaut der Verfassung hat das Gericht differenzierte und weitgehende Anforderungen an die deutsche Rundfunkordnung abgeleitet, um eine demokratische und vielfältige Rundfunklandschaft zu fördern und damit einen der Demokratie dienenden Beitrag zum Rundfunkrecht zu leisten.[190] Hier finden sich die Grundlagen des dualen Rundfunksystems, Vorgaben für die Grundversorgung, solche für den privaten Rundfunk und die Programmgrundsätze. Zudem wurden die Bestands- und Entwicklungsgarantie für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk und Vorgaben für das frühere Rundfunkgebührenfestsetzungsverfahren[191] etabliert.[192]
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1961 setzte sich das BVerfG im 1. Rundfunkurteil[193] mit der Abgrenzung von Verwaltungs- und Gesetzgebungskompetenzen zwischen Bund und Ländern auseinander. Es formulierte in diesem Zusammenhang Anforderungen an die Rundfunkorganisation zur Sicherung der Meinungsvielfalt und wies den Weg zum rechtlichen Umgang mit der damals bestehenden Frequenzknappheit. Im Ergebnis erhielten die Länder die Kompetenz für den Rundfunk. Zudem wurde die Staatsfreiheit des Rundfunks gefordert,[194] wonach der Staat weder in öffentlich-rechtlicher noch in privater Form Rundfunk betreiben darf.
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Im 2. Rundfunkurteil[195] von 1971 wurde anlässlich der Entscheidung über die Frage nach der Umsatzsteuerpflichtigkeit der Rundfunkgebühr die öffentliche Aufgabe der Rundfunkanstalten definiert und diese wurden weder den gewerblichen noch den freiberuflichen Unternehmen zugeordnet. Im Ergebnis sind öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten eine Art staatsfreie grundrechtsgeschützte Einrichtung des öffentlichen Rechts.[196]
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In der 3. Rundfunkentscheidung[197] zur Konzession der Freien Rundfunk-AG (FRAG) entschied das Gericht 1981 über die Zulässigkeit des privaten Rundfunks und wies der „Dualen Rundfunkordnung“ den Weg. Privatrundfunk ist rechtlich nur auf gesetzlicher Grundlage zulässig. Im dualen System können privater und öffentlich-rechtlicher Rundfunk nebeneinander bestehen. Es müssen aber rechtliche Vorgaben für den privaten Rundfunk gewahrt werden, die insbesondere der Sicherung des Pluralismusgebots dienen. Nach dem FRAG-Urteil wurden die ersten Landesmediengesetze erlassen.
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Es schloss sich 1986 mit dem sog. Niedersachsen-Urteil[198] die 4. Rundfunkentscheidungan. Hier ging es um Regelungen im Niedersächsischen Landesmediengesetz für private Rundfunkveranstalter, vor allem im Hinblick auf die Vielfalts- und Pluralitätssicherung. Aufgrund der Werbefinanzierung legte das Gericht geringere programmliche Anforderungen an private Rundfunkveranstalter fest. Allerdings wurde dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk die Grundversorgung auferlegt bzw. zugestanden. Diese ist nur gewährleistet, wenn der öffentlich-rechtliche Rundfunk seine Aufgabe einer umfassenden Information der Bevölkerung in vollem Umfang erfüllt. Daher ist es hinzunehmen, dass an die privaten Veranstalter geringere Programmanforderungen gestellt werden. Hierin liegt eine Fortentwicklung gegenüber dem 3. Rundfunkurteil. In Reaktion auf dieses Urteil vereinbarten die Länder den „Staatsvertrag zur Neuordnung des Rundfunkwesens“ – kurz Rundfunkstaatsvertrag (RStV), der am 1.12.1987 in Kraft trat.[199]
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1987 erging die 5. Rundfunkentscheidung[200] über das Landesmediengesetz Baden-Württemberg. Der damals noch existierende SDR wollte als öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt den Ausschluss von Spartenprogrammen und Online-Diensten nicht dulden. Dies nahm das BVerfG zum Anlass, den Begriff der Grundversorgung zu konkretisieren, den es nicht als Minimalversorgung, sondern als Abbildung der gesamten Bandbreite der programmlichen Gestaltungsformen begreift. Die Grundversorgung erfordert es, die Bürger umfassend zu informieren und alle Typen von Rundfunksendungen technisch für alle erreichbar anzubieten. Das Angebot muss verfahrensrechtlich gesichert sein, Ausgewogenheit und Vielfalt gewährleisten und alle Strömungen der Gesellschaft widerspiegeln. Zudem muss der öffentlich-rechtliche Rundfunk auch außerhalb der Grundversorgung an neuen Techniken und Programmformen teilhaben können, was sich aus dem Recht zur Mitwirkung am publizistischen Wettbewerb ergebe. Zudem spiele eine Rolle, dass neue Programmformen oder Techniken künftig zum Bestandteil der Grundversorgung werden könnten. Es widerspricht damit dem GG, den öffentlich-rechtlichen Rundfunk von Sparten-, Regional- und Lokalprogrammen sowie von Ton- und Bewegtbilddiensten auszuschließen, auch wenn sich das Gericht über die Zugehörigkeit dieser Angebote zur Grundversorgung nicht äußert. In der 5. Rundfunkentscheidung wurden schließlich Werbeverbote im öffentlich-rechtlichen Regional- und Lokalfunk zugelassen.
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Die Verfassungsmäßigkeit des WDR-Gesetzes war Gegenstand des WDR-Urteils von 1991, das als 6. Rundfunkurteil[201] bezeichnet wird. Erneut ging es um eine dynamische Interpretation des Grundversorgungsauftrages, nun in Form der Bestands- und Entwicklungsgarantie des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, an der das Gericht festhielt. Zusätzlich waren die Mischfinanzierung, die Durchführung sog. neuer Diensteund Aktivitäten der Rundfunkanstalten in Randbereichen ihres hergebrachten Handlungsfeldes Thema. Aus der Rundfunkfreiheit fließt für das Gericht konkret ein Recht, in begrenztem Umfang Druckwerke herauszugeben, wenn diese vorwiegend programmbezogenen Inhalt haben. Allerdings sah das Gericht vorerst keine Notwendigkeit, den Grundversorgungsauftrag auf die neuen Dienste zu erstrecken. Diese Aussage steht freilich unter dem Vorbehalt, dass diese Kommunikationsdienste „künftig Funktionen des herkömmlichen Rundfunks übernehmen“.[202] Weitere Inhalte dieser Entscheidung waren Programmanforderungen für den privaten Rundfunk und die Zusammenarbeit von öffentlich-rechtlichen und privaten Veranstaltern.
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Als 7. Rundfunkentscheidung[203] ist die sog. Hessen 3-Entscheidung aus dem Jahr 1992 zu nennen. Hier ging es für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk um einen aus der Rundfunkfreiheit abgeleiteten Anspruch auf funktionsgerechte Finanzierung. Dieser besteht dem Grunde nach, umfasst aber nur das zur Aufgabenerfüllung Erforderliche. Für den Hessischen Rundfunk (HR) bedeutete dies ein Verbot, im 3. Fernsehprogramm Werbung zu senden, das solange mit der Rundfunkfreiheit vereinbar ist, als die Finanzierung der Anstalt auch ohne diese zusätzlichen Einnahmen gesichert ist. Dass ihm die erforderlichen Mittel ohne die Werbeeinnahmen fehlen würden, konnte der HR nicht darlegen.
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