ARCHÄOLOGISCH NACHGEWIESENE GETREIDEUND GEMÜSE ARTEN
Funde aus der Zeit ab ca. 10 000 v. Chr.
VORDERER ORIENT / „FRUCHTBARER HALBMOND“
Einkorn, Emmer, Gerste, Weizen, Linsen, Erbsen, Lein, Mohn, vermutlich Obst und weitere, nicht überlieferte Gemüsesorten
ASIEN (CHINA, INDIEN, NEUGUINEA)
Reis, Hirse, Hülsenfrüchte
AMERIKA (MEXIKO)
Mais, Bohnen, Linsen, Erbsen, Kürbis
AMERIKA (ANDEN, PERU)
Kartoffeln, Paprika, Tomaten
TROPISCHE REGIONEN
(vermutlich, nicht überliefert): Kochbananen, Taro, Brotfrüchte
ENTWICKLUNG DES ACKERBAUS
Alles begann im Vorderen Orient vor rund 11 000 Jahren: Dort wurden die ersten Menschen sesshaft und betrieben Ackerbau und Viehzucht. Diese neue Lebensweise breitete sich dann in den folgenden Jahrtausenden über Kleinasien rund ums Mittelmeer und über den Balkan nach Mitteleuropa bis zu uns aus.
GEMÜSEKULTUR IN DER ANTIKE
Die ersten schriftlichen Aufzeichnungen über Ernährungsgewohnheiten und Landwirtschaft sind Bildzeichen auf Tontafeln der Sumerer aus dem Zweistromtal zwischen Euphrat und Tigris aus der Zeit um 3 000 v. Chr. und Bilder in Grabkammern der Ägypter ab 3 000 bis ins 4. Jahrhundert v. Chr. Beide Völker kannten das Eisen und hatten bereits den Pflug erfunden, die Sumerer auch das Rad. Sie bewässerten ihre Felder und entwickelten agrartechnische Verfahren wie das Dreschen weiter. Die Ägypter kannten den Gartenbau und domestizierten Gemüsesorten wie Lattich, Portulak, Sellerie, Zwiebel oder Melonen. Viele dieser Pflanzen werden auch in der Bibel erwähnt, die in der Zeit der israelitischen Hochkultur entstand (1 500 bis 63 v. Chr.).
Die Griechen und Römer, die mit diesen Weltregionen Kontakt hatten, kannten ebenfalls viele dieser Kulturpflanzen. Der Grieche Hesiod verfasste um 700 v. Chr. sein Lehrepos „Werke und Tage“. Darin lobt er die bäuerliche Arbeit und erwähnt Pflügen und Säen, Mähen, Dreschen und Worfeln. Xenophon, wie Hesiod ein erfahrener Praktiker mit eigenem Landgut, diskutierte im 4. Jahrhundert Themen wie Bodenfruchtbarkeit, Brache, organische Düngung und Unkrautbekämpfung. Ein Schüler von Aristoteles, Theophrast (371–287 v. Chr.), verfasste eine Naturgeschichte der Pflanzen, die sich erstmals von mythischmetaphysischen Überlegungen verabschiedet und die Landwirtschaft inklusive Gemüseanbau unter rational-praktischen Aspekten beschreibt – wenn man so will, ist dies die Keimzelle der Pflanzenbauwissenschaft in Europa.
KULTURPFLANZEN DER ÄGYPTER (3000 V. CHR. – 4. JH. V. CHR.)
Neben diversen Getreidesorten (Emmer, Einkorn, Weizen, Gerste) und Hülsenfrüchten (Bohnen, Erbsen, Linsen): Lattich, Zichorie, Endivie, Portulak, Mangold, Ampfer, Sellerie, Erdmandel, Zwiebel, Porree, Melonen, Flaschenkürbisse, Luffa. Außerdem Knoblauch, Malven, Kresse, Weintrauben, Datteln, Feigen, Dumpalmnüsse, später auch Äpfel, Granatäpfel und Oliven.
Die Römer beschäftigten sich praktisch und theoretisch intensiv mit der Landwirtschaft und dem Gartenbau. Bemerkenswert ist die erste Erwähnung des „geschützten Anbaus“ durch Columella. Er beschreibt in „De re rustica“ 60 n. Chr. das nächtliche Unterstellen bepflanzter Gefäße unter Dächer und die Abdeckung mit Fensterglas, „damit sie auch an kühleren, klaren Tagen ungefährdet der Sonne ausgesetzt werden können“. Das hatte es möglich gemacht, dass Kaiser Tiberius (42 v. Chr. bis 37 n. Chr.) seine geliebten Gurken ganzjährig bekommen konnte. Außerdem kannte Columella bereits Techniken wie die Drainage und organische Düngung mit tierischen Fäkalien und Asche. In ihren Gärten bauten die Römer exotische Früchte an, die sie aus Asien übernommen hatten: Gurken und Melonen. Außerdem betrieben sie höchst effektiv Zucht und Auslese von Kulturpflanzen. „Die römische Landwirtschaft verkörperte damals das höchste Entwicklungsniveau, das es jemals gab. In Mitteleuropa wurde es erst weit nach dem Dreißigjährigen Krieg wieder erreicht“, stellt der Kulturpflanzenexperte Thomas Miedaner fest.
So weit waren die Germanen zu der Zeit noch lange nicht! Für unsere Vorfahren war die ganze Landschaft ein Garten, sie legten wie die in landwirtschaftlichen Fragen fortschrittlicheren Kelten (diese benutzten als Erste in Europa die Sense und den Eisenpflug) keine Gemüsegärten an, bauten nur Getreide, höchstens noch die Ackerbohne an und betrieben ansonsten Milchwirtschaft. Aus Getreide und Bohnen bereiteten sie ein nahrhaftes Mus zu, das sie mit gesammelten Wildkräutern und vermutlich einigem gesammelten Wild-Gemüse anreicherten. Der römische Schriftsteller Tacitus schrieb in „Germania“ am Ende des 1. nachchristlichen Jahrhunderts: „Sie [die Germanen] wetteifern nicht in harter Arbeit mit der Üppigkeit und Größe des Bodens, um Obstgärten anzupflanzen, Wiesen abzutrennen, Gärten zu bewässern, einzig Getreide will man vom Boden haben.“ An solch einen Wettbewerb konnten sie auch nicht denken, denn sie mussten aufgrund ihrer gegenüber den Römern rückständigen Landwirtschaft alle paar Jahre einige Kilometer weiterziehen, um neue Äcker anzulegen, wenn die alten ausgelaugt waren.
KULTURPFLANZEN DER RÖMER
Weizen, Emmer, Hartweizen, Dinkel, Gerste, Bohnen, Erbsen, Kichererbsen u. a. Hülsenfrüchte.
Kohl, Porree, Spargel, Salat, Sellerie, Zwiebeln, Fenchel, Rettich, Zuckermelonen.
Viele Heil- und Gewürzpflanzen.
Oliven, Wein, Datteln, Feigen, Granatäpfel, Aprikosen, Mandeln, Walnüsse, Kirschen, Äpfel, Birnen, Pflaumen, Pfirsiche, selten Zitrusfrüchte.
Die Römer brachten viele Neuerungen in die besetzten Gebiete. Vor allem gründeten sie Städte. Diese Siedlungsformen und die damit einhergehenden Lebens- und Wirtschaftsformen waren den Germanen bis dahin unbekannt. Um eine Stadtbevölkerung versorgen zu können, musste das Umland intensiv für die Erzeugung von Nahrungsmitteln genutzt werden – inklusive organisiertem Gemüseanbau in größerem Maßstab. Die Römer führten die spezialisierte Landwirtschaft ein, etwas ganz anderes als die germanische oder keltische Subsistenzwirtschaft. Außerdem brachten sie zahlreiche Kulturpflanzen mit in den Norden: Wein, Kohl, Rettich, Fenchel, Lattich, Sellerie, Spargel und Senf und viele Obstsorten.
PFLANZENKUNDE IM MITTELALTER – HEILUNG UND NAHRUNG
Nach dem Untergang des römischen Imperiums ging vieles von der antiken Gartenbaukultur in den Wirren der Völkerwanderzeit verloren. Teile der römischen Tradition wurden jedoch in Klöstern bewahrt und gepflegt, besonders bei den Zisterziensern und Benediktinern.
Vorbild für die klösterlichen Gärten im Mittelalter war häufig der Klosterplan von Sankt Gallen aus dem Jahr 816 mit rechteckigen Beeten, die durch Wege getrennt und eingefasst von Buchsbaumhecken waren. So sehen noch heute viele Bauerngärten aus – die es allerdings erst sehr viel später gab. Ab dem 8. Jahrhundert führte man in Mitteleuropa langsam die Dreifelderwirtschaft ein, die bis weit ins 18. Jahrhundert typisch für die Landwirtschaft nicht nur im deutschsprachigen Raum bleiben sollte. Außerdem kolonisierte und rodete man weite Flächen. Das Landschaftsbild, das wir heute kennen, entstand: Wiesen, Äcker und Restbestände der einstmals riesigen Wälder.
Kaiser Karl der Große und sein Sohn Ludwig der Fromme förderten den Gartenbau und die antike Überlieferung im Bereich Landwirtschaft intensiv. Um 800 erschienen im kaiserlichen Auftrag die berühmten „Capitulare de villis et curtis imperii“. Autoren waren Benediktinermönche. In den „Capitulare“ findet sich eine ausführliche Aufstellung von damals bekannten gesundheitsförderlichen Gemüsearten und Kräutern. Außerdem beschrieb die Verordnung die Vorteile der Dreifelderwirtschaft, den Weinbau, die Obstpflege und die Zucht von Haus- und Herdenvieh. Der Erlass sollte die Versorgung des umfangreichen Hofstaates sichern. Erwähnt werden zahlreiche Gemüsearten, wobei oft nicht ganz klar ist, welche genau gemeint waren, weil eine botanische Nomenklatur für Pflanzen noch nicht entwickelt war. Mit Sicherheit werden sie nicht so wohlschmeckend gewesen sein wie unsere heutigen Arten, die seit Jahrhunderten züchterisch verbessert worden sind. Viele Gemüse dürften holzig gewesen sein und bitter geschmeckt haben – wohl mit ein Grund dafür, dass man sie fast ausschließlich zu einem Brei verkocht gegessen hat. Es ist unwahrscheinlich, dass wirklich alle Arten überall im weitläufigen Reich angebaut wurden, das wäre schon rein aus klimatischen Gründen nicht möglich gewesen. Man geht davon aus, dass um 1000 im deutschsprachigen Raum nur Kohl, Karotte, Feldsalat und Portulak weit verbreitet waren. Im 11. und 12. Jahrhundert kamen dann Sellerie, Runkelrübe, Rettich, Petersilie und Pastinake dazu, über die Mauren in Spanien Aubergine und Spinat.
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