1 ...8 9 10 12 13 14 ...22 Er beugte sich weit vor, seine Lippen berührten ihr Ohrläppchen. »Ein Engländer sagte einmal: ›Damen sind mit dem Fächer bewaffnet wie Männer mit dem Schwert, und manchmal führen sie damit mehr Exekutionen aus.‹«
»Das Rascheln und Raffen eines Rocksaums, ein Seufzer, ein Fächer. Haltet Ihr das für geeignete Mittel, um eine Krone zu brechen?«, fragte Pechlin.
»Sie haben es zwanzig Jahre lang ohne Erfolg versucht, General, und Sie hatten alle Mittel der Männerwelt zur Verfügung«, konterte die Uzanne, ihre Wangen wurden rosig unter dem Film aus weißem Puder.
Pechlin blickte an die Decke. »Kennt Ihr die Fabel von der Sonne und dem Wind, Herzog? Die beiden schließen eine Wette ab, welches Element dem Wanderer den Umhang vom Rücken reißt. Und es ist nicht die Luft – das Feuer gewinnt die Oberhand. Ich nähre diese Flamme seit Gustavs Handstreich ’72.«
»Ich hüte beides, General, Wind und Feuer, und mein Feuer ist frisch; ich habe die Trauerzeit erst seit kurzem hinter mir«, sagte die Uzanne und ließ ihren Fächer zuschnappen.
»König Gustav hat mich zusammen mit Ihrem Gatten und achtzehn weiteren Edelleuten inhaftiert, Madame. Meinen Sie, mein Feuer sei erloschen?«
Herzog Karl ließ langsam die Hand von der Taille der Uzanne gleiten und verbeugte sich vor Pechlin. »Gab es jemals einen standfesteren General?« Er küsste der Uzanne die Hand. »Und gab es jemals eine charmantere Amazone?«
»General.« Die Uzanne nickte Pechlin kühl zu.
»Madame.« Pechlin verbeugte sich, allerdings nur leicht.
»Madame?« Carlotta war erleichtert, die Uzanne zu finden, und eilte herbei. »Oh!« Sie blieb stehen und machte einen anmutigen Knicks vor dem Herzog, dabei streckte sie die Hände mit Kelchen voller Minze-Punsch aus und bot sie ihm an, die schlaffen Blätter hingen an dem beschlagenen Glas.
»Der Zauber des Abends geht weiter! Sie kommen genau im richtigen Moment, meine liebe Nymphe.« Der Herzog nahm die angebotenen Kelche, einen reichte er der Uzanne, den anderen dem General. »Ich werde zwei Kronen tragen, eine für die Luft, die andere für das Feuer. Ihr müsst einander zuprosten wie Sonne und Wind, die sich am Firmament in vollkommener Eintracht befinden.« Man hörte ein leises, zögerliches Klirren und wie der Stolz hinuntergeschluckt wurde. »Dann ist das Spiel nun eröffnet. Gut Glück für alle!«, kündigte der Herzog mit lauter, heiterer Stimme an. Er wandte sich an Pechlin: »Sie haben einen Tisch reserviert, General?«
Pechlin nahm den Herzog am Arm und führte ihn weg von der Uzanne. »Einen hervorragenden Ecktisch, wo wir die Vision der beiden Kronen in ernsthafter Runde besprechen können. Meine Männer werden dafür sorgen, dass wir völlig ungestört sind.«
»Ich muss der jungen Herzogin die gute Nachricht überbringen … und der ersten Mätresse natürlich auch. Gut, dass ich zwei Kronen haben werde, nicht wahr?«, sagte der Herzog zu Pechlin.
»Ich finde, wir sollten die Einzelheiten für uns behalten, bis wir einen Plan gefasst haben.«
Die Uzanne sah, wie die beiden Männer Arm in Arm weggingen, immer wieder klappte sie dabei ihren Fächer halb auf und schloss ihn wieder.
»Genießen Sie die Zerstreuung, Madame!«, rief Pechlin über seine Schulter.
Carlotta wartete, bis der Herzog weit genug weg war. »Ich dachte, er sei größer«, sagte sie.
»Die Krone macht jeden Mann größer«, wusste die Uzanne. »Sogar der Speichellecker, der an seinem Arm hängt, wird erhoben.«
Es dauerte eine Weile, bis ich Madame Sparv diese Gespräche mitteilen konnte, sie wies gerade einen Hausjungen an, eine Kiste Wein im hinteren Treppenhaus auszupacken. Sie fuhr herum und wischte sich das Stroh vom Kleid. »Können Sie sich an den Tisch des Herzogs setzen?«, fragte sie.
»Das ist unmöglich.«
»Ja, natürlich. Und wenn Sie sich in seiner Nähe herumtreiben, fällt es auf …« Sie presste die Lippen zusammen und überlegte. »Dann bleiben Sie dicht an der Uzanne dran und warten Sie auf ein Zeichen.«
»Was für ein Zeichen?«
»Das weiß ich nicht.« Verdruss lag in ihrer Stimme. »Kommen Sie zu mir ins obere Zimmer, wenn alle Gäste gegangen sind.«
»Aber ich habe vor …«
»Wir müssen heute Nacht unsere dritte Karte legen, auch wenn es lange nach elf Uhr ist. Gehen Sie jetzt, Herr Larsson, gehen Sie!«
Ich widersprach nicht weiter, ich würde Carlotta einfach mitbringen. Sie wäre fasziniert, Herzog Karls neues Orakel kennenzulernen.
Ruhiges Auftreten ist die erste Faustregel des professionellen Spielers, also ließ ich mir Zeit und trank ein halbes Glas Punsch, bevor ich in die Spielsäle ging. Carlotta und die Uzanne schlängelten sich mit ihren Kleidern zwischen den Sitzgruppen der mit grünem Tuch bespannten Tische und schweren Stühle hindurch. Die Uzanne ging hinter Carlotta, sie ließ ihren Schützling einen Weg durch das Gedränge bahnen, doch ihre Augen waren auf den Tisch des Herzogs und die Nebentische gerichtet, die sich schon mit Spielern füllten. Sie ging hin und sprach kurz mit Herzog Karl, wurde aber nicht aufgefordert, Platz zu nehmen. Dann folgte sie Carlotta auf die andere Seite des Raums, ihr Fächer wedelte neben ihrem Ohr und trug die Worte des Herzogs so nah wie möglich zu ihr heran.
Carlotta hatte ihre Erfrischung zu schnell hinuntergestürzt, ihre Wangen waren rot.
»Madame, ich habe den besten Tisch für uns, dort können wir alle sehen und von allen gesehen werden, er ist nicht zu nah an der Musik, aber nahe dem Buffet, das, o Madame!, mit dem allerhübschesten oberfränkischen Porzellan gedeckt ist, Erdbeeren in Kristallschalen türmen sich bis an die Decke, russischer Kaviar, Himbeeren, pochierter Lachs in Aspik, weißer Spargel, Pfirsichspalten und …«
»In Zukunft sollten Sie versuchen, einen Tisch mit dem Kopf oder zumindest mit dem Herzen auszusuchen, Carlotta, und nicht mit Ihrem Magen!«
Carlotta knickste im Gehen, zum Zeichen, dass sie den Hinweis verstanden hatte. »Ah, hier ist unser Spieltisch. Und … unsere liebe Freundin Frau von Hälsen.« Carlotta blieb stehen, um ihre Bahn angesichts des unerwarteten Hindernisses auf ihrem Weg zu korrigieren. »Wie schön, dass Sie uns beim Spiel Gesellschaft leisten können, Frau von Hälsen. Was Sie hier sehen, ist meine Schärpe, die ich über die Stühle gelegt habe, um unsere Plätze zu belegen. Natürlich hoffen wir, dass Sie zu einer netten Partie bleiben«, sagte Carlotta mit einwandfreier Heuchelei. Ihr Wissen über Frau von Hälsen gründete auf ein paar Abschnitten schmutzigen Tratsches, der in der Zeitung Nya Posten unter der Schlagzeile »Ein freudiges Leben« erschienen war. »Madame?« Carlotta wandte sich an die Uzanne, die diese Entscheidung treffen musste.
Frau von Hälsens Augenbraue zeigte deutlich, dass sie nicht die Absicht hatte, einen Tisch mit Carlotta und der Uzanne zu teilen, aber nun saß sie in der Falle. Würde sie gehen, wäre das ein schlimmer Affront; wollte sie aber bleiben, müsste sie erst fragen. Die Uzanne, die gesellschaftlich höher stand, nickte, sie setzte sich auf den Stuhl rechts von Frau von Hälsen und tauschte Höflichkeiten mit ihr aus. Erst als Frau von Hälsen ihren Fächer öffnete, machte die Uzanne ein gespanntes, neugieriges Gesicht.
»Was für ein exquisites, schönes Exemplar, Frau von Hälsen. Erzählen Sie mir davon.« Ihre Stimme war weich und warm.
Frau von Hälsen legte ihren Fächer sanft auf den Tisch. »Er heißt Eva.« Eva war mit vergoldeten Elfenbeinstäben gefertigt, das Blatt bestand aus weichster weißer Schwanenhaut und war kunstvoll mit einer verschnörkelten Kartusche bemalt, die einen üppigen Garten einrahmte. Dichte tropische Bäume, die mit reifen roten und purpurnen Früchten vollhingen, beschatteten Rabatten mit farbenprächtigen Blumen. Der Himmel war wolkenlos und strahlend blau. Ein Pfau stand am Rand, er schlug ein Rad, das voller Augen war. Im Schatten des Hains sah man die vagen Umrisse einer Frau neben einem Zweig, von dem dicke Ranken herabhingen. Eva war nicht nur ein schönes Exemplar von Wertarbeit aus dem Paris der Jahrhundertmitte, sie hatte darüber hinaus auch einen Charakter, den der Kenner als »Versuchung« definieren könnte. So einen Fächer hatte die Uzanne in ihrer umfangreichen Sammlung noch nicht.
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