1 ...7 8 9 11 12 13 ...22 »Ich bestehe darauf, dass wir hier und heute Nacht nur in die Zukunft blicken, Madame Uzanne«, sagte Herzog Karl, beugte sich vor und flüsterte ihr etwas zu. Ein spöttisches Lächeln umspielte ihren Mund. Sie sah durch den Flur zu Madame Sparv, fing deren Blick auf und hielt ihm stand. Hätte Herzog Karl die Uzanne nicht zu den Spielsälen geführt, wären sie wahrscheinlich noch eine ganze Zeit lang so stehen geblieben.
»Der Herzog denkt, Madame Sparv würde ihn für die spirituelle Sitzung reiner finden, weil er allein gekommen ist, aber vielleicht steigt er die Treppen jetzt dennoch befleckt herauf.« Katarina schluckte ein Lachen hinunter, und ich kaschierte meines, indem ich hustete. Ich beobachtete, wie der Herzog Carlotta vorgestellt wurde. Lange hielt er ihre Hand in seinen beiden Händen, was mich erröten ließ, dann entschuldigte er sich und verlangte nach Madame Sparv, die ihn die Stufen zum oberen Zimmer hinaufführte. Ein Offizier stellte sich vor die Stiege und blockierte den Weg.
Ich folgte Carlotta und der Uzanne in den Spielsaal. An die vierzig Gäste hatten sich eingefunden, Gesichter und Roben der Damen wirkten blass in dem dunklen Raum. Die Herren, die gedecktere Farben trugen, traten in den Hintergrund wie Geister. In der warmen, stehenden Luft roch es nach Parfüm, Tabak und Schweiß. Das Gelächter klang ein wenig gezwungen, die Spieltische waren noch leer, und eine erwartungsvolle Spannung schmälerte die sonstige Lust auf Spiel und Gelage.
»Ich kann nicht glauben, dass ich Seiner Gnaden begegnet bin«, sagte Carlotta ehrfürchtig. »Ich bin dem Herzog begegnet! Oh, Madame, meinen Sie, die Zeichen sind günstig?«
»Dieser Hang zur Magie ist pure Schwäche. Der Herzog muss sich zuverlässigere Mittel beschaffen«, sagte die Uzanne und klappte langsam ihren Fächer auf.
»Aber der Herzog …«
»Ich bin durstig, Carlotta. Nehmen Sie selbst auch eine Erfrischung zu sich, um wieder einen klaren Kopf zu bekommen. Und hören Sie auf, an Ihrer Lippe herumzubeißen!«
Carlotta eilte davon. Ihre respekteinflößende Gönnerin begann, in einem steten Rhythmus mit dem Fächer zu wedeln, langsamer nach außen, gefolgt von einem schnellen Schlag nach innen. Sie schien sich auf die Damen im Raum zu konzentrieren – oder eher auf die Fächer, die diese bei sich trugen. Der heutige Abend bot ihr Gelegenheit, in aller Ruhe die Faltfächer zu begutachten, die vor kurzem die Stadt erreicht hatten, und sowohl ihr Wissen über sie als auch ihre Sammlung zu erweitern. Die Uzanne wartete geduldig, in der Hoffnung, ein neues oder seltenes Exemplar zu entdecken. Wenn etwas Begehrenswertes auftauchte, verwickelte sie die Besitzerin in ein Gespräch, entlockte ihr Preis und Herkunft des Fächers und überlegte dann, ob er es wert war, nach ihm zu trachten. Nach ein paar Minuten zog sie einen elfenbeinfarbenen Block und einen Bleistift aus der Tasche ihres Kleides und machte sich Notizen. Dann lenkte sie ihre Aufmerksamkeit auf die Herren; sie begann, durch den Saal zu wandern und deren Gespräche zu belauschen. Während ich ihr unauffällig folgte, bekam ich Bruchstücke davon mit: König Gustav wolle die Führung des Reichstags und die Arbeit in den Ministerien unwissenden Ladenbesitzern und ungehobelten Bauern überlassen; Schweden sei in größter Gefahr, es brauche Stabilität und Tradition, die nur die Patrioten dem Land geben konnten; der Tyrann müsse beseitigt und sein angeblich unrechtmäßiger Erbe unter Kontrolle gebracht werden; Herzog Karl müsse ganz einfach den Thron besteigen. Wenn die Hellseherin doch nur ein Omen dazu liefern würde – er würde es tun!
Der Eifer dieser hochverräterischen Gespräche wurde immer glühender, das Tempo des Fächers der Uzanne steigerte sich entsprechend, bis sich auf einmal alle Köpfe drehten und die Stimmen verstummten. Herzog Karl stand mit Madame Sparv am Arm am Fuß der Treppe. Er lächelte herzlich, aus seinem Gesicht sprach Bewunderung. Madame Sparv war blass, sie hatte den Blick starr auf den Boden gerichtet.
»Dass Gustav Sie seit Paris für sich allein behalten hat, ist eine Ungerechtigkeit und macht die alte Kränkung, damals zurückgelassen worden zu sein, nur noch größer. Ich bin überglücklich, Sie endlich kennengelernt zu haben.«
Der Herzog nahm Madame Sparvs Hand und küsste sie in Dankbarkeit. Die Menge applaudierte und drängte sich zu ihm, aufgeregte Stimmen erhoben sich. Die Zeichen waren also eindeutig günstig gewesen. Madame Sparv machte einen schnellen Knicks, dann eilte sie zurück ins Hinterzimmer und wischte sich die Hand am Kleid ab. Als sie vorbeilief, berührte ich sie am Ärmel. Sie blieb stehen und starrte mich an. »Sie?«
»Madame Sparv!«, zischte ich. »Ein Treffen der Patrioten – hier?« »Ich habe nicht darum gebeten, weiß Gott nicht! Aber warum, in Dreiteufelsnamen, sind Sie hier, Herr Larsson?«, fragte sie aufgeschreckt.
»Wegen meines Oktavos. Und wegen Carlotta«, sagte ich leise. »Carlotta Vingström. Sie begleitet die Uzanne.«
»Sie müssen lauschen!«, flüsterte sie und deutete auf den Herzog. »Ich bin verpflichtet, meine Visionen zu schildern, und ich fürchte, er will danach handeln. Gehen Sie schnell, aber seien Sie diskret«, sagte sie und war schon weg, bevor ich noch protestieren konnte.
Aus Neugier und nun auch aus einem gewissen Maß an Vorsicht hielt ich mich im Hintergrund. Ich ging ins Foyer, wo Herzog Karl und die Uzanne im Gespräch mit General Carl Fredrik Pechlin waren, König Gustavs langjährigem Gegner. Pechlin wechselte seine politischen Verbündeten öfter als ein Mann die Strümpfe, immer aber stand er auf der Seite der machtvollsten Gegner des Königs. Man sagte, Pechlin sei nur noch auf freiem Fuß, weil es für seine landesverräterischen Reden keine Zeugen gab. Ich stellte mich locker zu einem Grüppchen in ihrer Nähe und sorgte dafür, dass mein Gesicht im Dunkeln blieb.
»Herzog Karl, Ihr braucht wahrlich keine Bestätigung von einem Blatt Karten«, sagte die Uzanne.
Der Herzog wurde rot und zog in nervöser Erregung seine Manschetten glatt. »Wir hatten keine Karten, Madame. Diese Sofia Sparv ist in irgendeinen veränderten Bewusstseinszustand eingetreten. Ich durfte ihre Verwandlung nicht beobachten.« Der Herzog blickte die Stiege hinauf zu dem oberen Raum. »Zwei Kronen – sie hat gesagt, ich würde zwei Kronen tragen.«
»Na, dann haben wir doppeltes Glück«, sagte Pechlin und umklammerte mit seinen altersfleckigen Händen den Elfenbeinknauf seines Gehstocks. »Hat sie Euch weiteren Rat gegeben?«
»Ich drang in sie, aber sie wollte nichts sagen.« Herzog Karl machte ein wütendes Gesicht, als hätte man ihn irgendwie hintergangen. »Ihr müsst mich beraten, liebe Freunde. Ich bin nicht sicher, auf welchem Weg diese ruhmreiche Vision eintritt.«
»Es gibt nur einen Weg«, sagte Pechlin, »es scheint zwar ein dunkler zu sein, doch er wird uns alle zum Licht führen. Er muss verschwinden. Für immer.«
»Das ist zu dunkel, General, viel zu dunkel.« Herzog Karl zog die Stirn kraus und wandte sich an die Uzanne. »Sie sehen heute Nacht aus wie ein Engel, Kristina. Wie schön, Sie aus den schwarzen Kleidern heraus zu wissen! Vielleicht haben Sie in dieser Sache eine sanftere, klügere Vorgehensweise anzubieten.«
»Ich würde sagen, viele Pfade führen zum Sieg, und die offensichtlichsten Wege sind nicht immer die besten. Ein Verschwinden ja, aber nicht für immer. Lediglich körperlicher oder auch geistiger Abstand. Ich bevorzuge ein raffinierteres Gefecht.«
»Für eine Frau ist in der Schlacht kein Platz, Herzog Karl«, sagte Pechlin.
Der Herzog ignorierte ihn, seine Hand glitt über die grüne Seidenschärpe an der Taille der Uzanne, seine Augen und sein Atem hingen an ihrem Busen. »Welche Waffen würden Sie tragen?«
»Nicht die Waffen der Männer«, gab sie mit einem Lächeln zurück und hob mit dem Rand ihres Fächers Herzog Karls Kinn an.
Читать дальше