1 ...6 7 8 10 11 12 ...25 Während man sich unter dem Schlagwort der quantitativen Personalplanung mit den mengenmäßigen Kapazitäten befasst, werden unter dem Begriff der qualitativen Personalplanung Kompetenzen näher bestimmt. Im Folgenden wird zunächst die qualitative Seite der Planung aufgegriffen, um dann auf zentrale Schritte der quantitativen Personalplanung einzugehen.
Traditionell erfolgt eine Unterscheidung der Planung zudem nach ihrem Zeithorizont: Von einer kurzfristigen Personalplanung wird bei einem monatlichen, quartalsweisen, halbjährlichen oder jährlichen Turnus gesprochen. Sie steht nachfolgend im Vordergrund. Langfristige Planungsansätze mit einem Zeithorizont von mehreren Jahren oder gar Jahrzehnten werden noch immer selten, aber zunehmend verfolgt. Ihre Betrachtung wird im letzten Teilkapitel aufgegriffen.
2.2 Qualitative Personalbedarfsplanung
Analysen der Organisation und Stellen bilden die Grundlage zur Ableitung von generellen Herausforderungen, spezifischen Aufgaben und daraus resultierenden Kompetenzanforderungen. Während auf Organisationsebene Vision und Strategie sowie Mission und Werte im Zentrum der Analyse stehen, bilden auf Stellenebene die konkreten Aufgaben sowie spezifische Herausforderungen den Ausgangspunkt.
Kompetenzmodelle sowie Anforderungsprofile sind hier zentrale Ergebnisse. Sie sind wiederum Ausgangspunkt für Maßnahmen des Employer Branding und Recruiting, sie bedingen Auswahlverfahren und -entscheidungen. Darüber hinaus stellen sie die Grundlage für die Personalentwicklung dar, z. B. um Kompetenzlücken zu ermitteln und mit Weiterbildung zu schließen. Personalbeurteilung und -einsatz werden im Wesentlichen durch Anforderungsprofile bestimmt, die darüber hinaus die Grundlage für die Erteilung von Arbeitszeugnissen bilden. In der Regel fußt zudem die Ableitung der Grundvergütung auf den im Profil definierten Anforderungen. Damit kommt Kompetenzmodellen und Anforderungsprofilen, inkl. Stellenbeschreibungen, eine zentrale Bedeutung für die erfolgreiche Ausführung zentraler HR-Kernprozesse zu (vgl. Wilk, 2011, S. 51).
Nicht zuletzt bieten Kompetenzmodelle und Anforderungsprofile für den einzelnen Mitarbeiter Transparenz im Hinblick darauf, welche Anforderungen (zukünftig) an ihn gestellt werden. Auf Teamebene wird ein gemeinsames Verständnis dafür geschaffen, welche Aufgaben wesentlich und welche Verhaltensweisen gewünscht sind. Führungskräfte erhalten zudem ein wichtiges Führungsinstrument, mit dem Feedback und Steuerung im Sinne des Unternehmens möglich werden. Für das Unternehmen erfüllen Kompetenzmodelle und Anforderungsprofile so eine zentrale Kommunikationsfunktion. Diese können sie nur erfüllen, wenn sie systematisch und partizipativ entwickelt sowie strukturiert aufgebaut werden (vgl. Sauter & Staudt, 2016).
2.2.1 Analyse der Anforderungen und Anforderungsprofile
Die Ermittlung von (zukünftigen) Aufgaben und Anforderungen an den jeweiligen Mitarbeiter kann auf Stellenebene unterschiedlich erfolgen (vgl. Nerdinger, Blickle & Schaper, 2019, S. 235 ff. und Marcus, 2011, S. 80):
Bei den arbeitsplatzanalytisch-empirischen Methoden werden mittels standardisierter Arbeitsanalyseverfahren die spezifischen Eigenschaften der Tätigkeit ermittelt. Dabei werden häufig Fragebögen eingesetzt, wie der Fragebogen zur Arbeitsanalyse (FAA), der auf dem Position Analysis Questionnaire (PAQ) basiert. Dieser enthält insgesamt über 200 Fragen zur Informationsaufnahme/-verarbeitung, Arbeitsausführung, zu arbeitsrelevanten Beziehungen und Umgebungseinflüssen bzw. besonderen Bedingungen. Diese werden auf Basis von Selbst- oder Fremdeinschätzung, Interview, Beobachtung oder Dokumentenanalyse von Stelleninhabern, Vorgesetzten oder externen Experten ausgefüllt. Die Ergebnisse der Arbeitsanalyse werden dann durch Experteneinschätzungen in Anforderungen an Stelleninhaber »übersetzt«. Das Vorgehen ist in der Praxis, bedingt durch Aufwand und fehlender Flexibilität, nicht sehr verbreitet.
Mit den personenbezogen-empirischen Methoden werden aus Zusammenhängen von Personenmerkmalen (Eigenschaften, Interessen etc.) oder Verhalten mit Leistung und Zufriedenheit Prädiktoren für beruflichen Erfolg ermittelt. Etwas vereinfacht ausgedrückt werden Profile von sehr erfolgreichen/zufriedenen Mitarbeitern mit wenig erfolgreichen/unzufriedenen Mitarbeitern auf systematische Unterschiede hin untersucht.
Ein auf Interessen fokussiertes Modell ist der Situative Interessen Test (SIT), der auf den Persönlichkeitstypen von Holland (1997) basiert. Mittels Zustimmung oder Ablehnung zu Interessenschwerpunkten werden drei überwiegende Typen aus sechs Vorgaben ermittelt:
• Typ R (realistic/handwerklich-technisch) z. B. Handwerk und Montage
• Typ I (investigative/untersuchend-forschend) z. B. Forschung und Entwicklung und Pharmazie
• Typ A (artistic/künstlerisch-kreativ) z. B. Floristik und Malerei
• Typ S (social/erziehend-pflegend) z. B. Psychotherapeutik und Pädagogik
• Typ E (enterprising/führend-verkaufend) z. B. Beratung und Vertriebsaußendienst
• Typ C (conventional/ordnend-verwaltend) z. B. Sachbearbeitung und Buchhaltung
Eine Online-Kurzversion zur Selbsteinschätzung ist online verfügbar (unter http://www.stangl-taller.at/ARBEITSBLAETTER/TEST/SIT/index.php). Werden auf der anderen Seite Berufsprofile gegenübergestellt, unterstützt das in der Berufswahl. Das Vorgehen kann analog ausgehend von der Stelle angewendet werden.
Der Rückgriff auf Sekundärdaten in bestehenden Berufsdatenbanken empfiehlt sich bei weitverbreiteten Jobs, die lediglich in geringem Maß organisationsspezifisch sind. Generelle Aufgabenbeschreibungen und Anforderungen können, nach einer Zuordnung durch Stelleninhaber, Führungskraft oder Personalverantwortlichen weitgehend übernommen werden. Beispiele für Berufsdatenbanken sind das Occupational Information Network (O*Net) oder das BERUFENET der Bundesagentur für Arbeit in Deutschland.
Erfahrungsgeleitet-intuitive Methoden setzen allein auf Experten (z. B. Ausbildungsleitung), die auf der Basis ihrer Erfahrungen die Passung von Merkmalen bestimmter Berufsbilder oder Stellen und Personen beurteilen. Die erfahrungsgeleiteten-intuitiven Methoden sind wegen ihres vergleichsweise geringen Aufwands vielfach in Gebrauch. Aufgrund ihrer geringeren Objektivität und Nachvollziehbarkeit bieten sie eine weniger gute Basis für Folgeprozesse (vgl. Marcus, 2011, S. 30 ff.).
Professionalisiert wird dieses Vorgehen mithilfe der »Critical Incident Technique« (CIT, Technik der kritischen Ereignisse) von Flanagan (1954). Dieser Ansatz wird in der Betriebspraxis häufig genutzt (vgl. Heider-Friedel et al., 2006, S. 23 ff.). Anhand folgender Fragestellungen werden die beruflichen Anforderungen einer Position erfasst:
• Denken Sie an ein Arbeitsverhalten eines Mitarbeitenden, das besonders effektive/erfolgreiche oder besonders ineffektive/erfolglose Arbeitsweisen veranschaulicht.
• Beschreiben Sie die Situation und das fragliche Verhalten möglichst konkret.
• Was waren die Umstände/Hintergrundbedingungen, die zu diesem Verhalten führten?
• Was war besonders effektiv oder ineffektiv an diesem Verhalten?
• Was waren Konsequenzen und Ergebnisse des Verhaltens?
Beispiel 2. 1: CIT zur Ermittlung von beruflichen Anforderungen
Der Auswahltest EpsKA (Test zur Erfassung persönlicher und sozialer Kompetenzen von Auszubildenden), von uform:e, wurde mithilfe der Methode der kritischen Ereignisse (CIT) entwickelt. Ausbildungsleitungen von 25 Unternehmen wurden gebeten, kritische Situationen zu beschreiben, in denen sich ihre Auszubildenden behaupten müssen. Dann wurde danach gefragt, wie ein (wenig) erfolgreiches Verhalten eines Auszubildenden in dieser Situation aussieht. Als eine typische erfolgskritische Situation wurde die Notwendigkeit der schnellen Anpassung in verschiedenen Teams und Bereichen genannt.
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