• Mobiles-flexibles Arbeiten: Es kommt immer stärker zu einer Flexibilisierung der Arbeit, die an verschiedenen Orten und zu verschiedenen Zeiten stattfinden kann. Insbesondere in Nordeuropa, Großbritannien, Frankreich, Schweiz und USA war Telearbeit bereits länger verbreitet. Durch die Corona-Pandemie hat auch in Deutschland der Anteil deutlich zugenommen.
• Aufbrechen von Hierarchien mit neuen Organisationsformen: Flachere Hierarchien, Selbstorganisation und Empowerment der Mitarbeiter. Ein Aufbrechen bisheriger Hierarchiestrukturen findet in immer mehr Unternehmen statt, um Herausforderungen der VUCA-Welt zu begegnen und schnell agieren zu können. Insbesondere das Schlagwort »Agilität« hat dabei in den vergangenen Jahren an Bedeutung gewonnen.
• Zunehmende Vernetzung: Immer mehr kommt es zu einer Verknüpfung von Tätigkeiten mit Künstlicher Intelligenz und Robotern, um Prozesse autonomer zu gestalten, bis hin zur vollständigen Automatisierung dieser Abläufe. Die Nutzung großer Datenmengen in Zusammenhang mit Big Data bietet die Möglichkeit, Wissensflüsse systematisch zu gestalten und Informationen über die internen und externen Gegebenheiten besser analysieren zu können als in der Vergangenheit. Gleichzeitig sind zumindest in Deutschland restriktive rechtliche Rahmenbedingung, z. B. durch die Datenschutzgrundverordnung oder Mitbestimmungsaspekte, zu beachten.
• Plattformbasierte Vermittlung von Arbeit: Auch wenn es Vermittlungsagenturen und Outsourcing schon früher gab, führt die Digitalisierung zu einer deutlichen Zunahme von plattformbasierter Vermittlung von Arbeit. Unter den Begriffen »Crowdsourcing« und »Gig Economy« werden so verschiedene Arten der Arbeits- bzw. Auftragsvermittlung wie z. B. Taxidienst Uber oder Amazon Mechnical Turk verstanden. Vom einfachen »Clickwork« bis zu spezialisierten maßgeschneiderten Softwareprogrammierung können sich Unternehmen hier schnell Arbeitskapazität extern beschaffen. Es entstehen so ganz andere faktische und vertragliche Konstellationen der Zusammenarbeit, die zukünftig parallel zu managen sind.
Entsprechend dem lateinischen Wort »agilis« kann »agil« verstanden werden als beweglich, wendig, eifrig (vgl. Armutat et al., 2016, S. 15). Agilität ist damit »ein Maß für die Anpassungs- und Reaktionsfähigkeit eines Systems sowie der Oberbegriff für eine Menge von Methoden, Modellen und Werkzeugen zum Umgang mit Dynamik und Komplexität in Entwicklungsprozessen« (Oestereich & Schröder, 2020, S. 6). Der Begriff stammt ursprünglich aus der Softwareentwicklung, hat inzwischen aber viele Unternehmensbereiche erfasst, manchmal lediglich in Bereichen, manchmal gesamte Unternehmen, wie bei ING (vgl. Willenbrock, 2019). Eine wichtige Basis ist nach wie vor das Agile Manifest, das 2001 im Rahmen eines informellen fachlichen Austausches von 17 Personen niedergeschrieben wurde. Es legt u. a. den Fokus hin zu »Individuen und Interaktionen statt nur Prozesse und Werkzeuge« sowie hin zu »Reagieren auf Veränderung statt nur das Befolgen eines Plans« (verfügbar unter http://agilemanifesto.org/). Dieser Perspektivenwechsel hat zu großen Veränderungen in der Arbeitswelt geführt. Häufig kommen dazu agile Methoden des Projektmanagements zur Anwendung, wie Scrum, auf die in Kapitel 5 eingegangen wird.
Die Digitalisierung führt auch im Personalmanagement selbst zu weitreichenden Veränderungen. Als Querschnittsfunktion steht es unter besonderem Druck, Kosten zu sparen und Prozesse zu automatisieren. Gleichzeitig muss es den Kunden, insbesondere Führungskräften und Mitarbeitern, zielgenaue Serviceleistungen so schnell und professionell wie möglich zu bieten: »›consumerization of HR‹: all mobile, anytime, anywhere with just one click« (Dreilich, 2020, S. 47). Die Digitalisierung wirkt dabei in sämtliche Bereiche der Personalprozesskette hinein, mit drei besonders betroffenen organisatorischen Dimensionen wie Abbildung 1.7 zeigt.
Die Digitalisierung führt dazu, dass sich die handelnden Personen/Akteure verändern (vgl. im Folgenden Lieske, 2020a, S. 152 f.). So können z. B. Aufgaben, die bisher von der Personalabteilung für Mitarbeiter bzw. Kandidaten durchgeführt wurden, auf diese zurückübertragen werden, wie die Eingabe von Daten im Bewerbungsprozess oder die Änderungen von Stammdaten. Dies führt zu einer Effizienzsteigerung für das Unternehmen insbesondere durch Kosteneinsparungen und optimierten Ressourceneinsatz. Anwendungen mit künstlicher Intelligenz, wie Chatbots und menschenähnliche Roboter, Humanoide, können Personalaufgaben übernehmen. So hat Bayer z. B. bereits auf Absolventenkongressen Roboter eingesetzt, die Standardfragen von
Abb. 1.8: Auswirkungen der Digitalisierung auf das Personalmanagement (Lieske, 2020a, S. 152)
Bewerbern beantworten (vgl. Fischer, 2018, S. 70). Es ändern sich zudem die Anforderungen an die vom Personalmanagement für das Unternehmen rekrutierten und betreuten Personen, welche die technischen Kompetenzen mitbringen müssen, die im Rahmen von Digitalisierung, Industrie 4.0, künstlicher Intelligenz etc. notwendig sind. Das Personalmanagement hat u. a. die Aufgabe, für die entsprechende Weiterbildung der Mitarbeiter zu sorgen. Die Digitalisierung hat damit auf entscheidende Organisationsvariablen, wie die Aufgabenträger und die Verteilung der Aufgaben, Auswirkungen.
In der zweiten Dimension » Ort und Zeit« wirkt die Digitalisierung dahingehend, dass die räumliche und zeitliche Zuordnung der Aufgabenerfüllung flexibler wird. Viele Aufgaben des Personalmanagements können von jedem möglichen Ort zu jeder Zeit aus erledigt werden. So ist z. B. jederzeit der weltweite Zugriff auf Daten des Personalinformationssystems möglich, wenn die entsprechende Technik im Unternehmen vorhanden ist. Sie ermöglicht und fördert zudem verstärkt das Arbeiten in virtuellen Teams. In immer mehr Unternehmen arbeiten Teammitglieder innerhalb einer Organisationseinheit über Länder- und Zeitgrenzen hinweg zusammen, was den Notwendigkeiten der Globalisierung entgegenkommt.
In direktem Zusammenhang mit den zuvor genannten Dimensionen steht die dritte Dimension, Kommunikation und eingesetzte Methoden. So ermöglicht und fordert die Digitalisierung eine andere Form der Kommunikation in allen Bereichen der HR-Prozesskette. Beispielsweise erfolgt die Kommunikation in der Mitarbeiterführung mehr und mehr digital, z. B. mittels Zoom oder Skype. Auch die Ansprache potentieller Bewerber im Rahmen des Personalmarketings über digitale Netzwerke, wie LinkedIn oder XING, beinhalten eine andere Art der Personalkommunikation als in den vergangenen Jahren.
Beispiel 1.5: Beispiele für Digitalisierung im Personalmanagement
Vielfältige Einsatzmöglichkeiten bietet Digitalisierung im Personalbereich. So analysiert das Assessment Tool Hirevue bei der Hilton-Gruppe z. B. Bewerber in Bezug auf Sprache, Intonation und Körpersprache mit dem Vorteil, dass der digitale Recruiter neutraler urteilen kann, da er Bewerber ohne persönliche Vorlieben und Stimmungsschwankungen auswählt. Kritiker werfen jedoch ein, dass KI nur so gut ist wie ihr Programmierer und die dahinter liegende Datenbasis (vgl. Seegmüller, 2019, S. 46). So sind derlei Anwendung in Deutschland momentan auch rechtlich als sehr kritisch einzustufen, während sie in anderen Ländern schon länger im Einsatz sind. Ein anderes Beispiel ist die App »Bauking4you« der Bauking GmbH. Mit dieser können Personaladministrationsprozesse wie Krankschreibungen oder Entgeltabrechnungen abgewickelt werden. Darüber hinaus kann bspw. im Rahmen der Mitarbeiterbindung den Mitarbeitern mittels Gutscheinen für besonderes Engagement gedankt werden. Auch wird die App als Teil des Onboardings sowie für die Kommunikation zielgruppenspezifischer Informationen genutzt (vgl. Knoop, Windbacher, 2020, S. 60). Im Bereich Personalentwicklung können z. B. Industrieunternehmen einem technischen Mitarbeiter, der eine defekte Maschine reparieren soll, die er nicht kennt, mittels Augmented Reality (AR)-Brille oder Microsofts Hololens aus der Ferne Reparaturanweisungen geben. Das US-Wehrtechnikunternehmen Lockheed Martin gibt bspw. an, damit unter anderem die Trainingszeiten der Mitarbeiter um 85 Prozent reduziert zu haben (vgl. Gertz, 2020, S. 55).
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