Strategische Entscheidungen sind dabei für einen längeren Zeitraum festzulegen. Die Entwicklung sollte auf Basis eines systematischen und gesteuerten Prozesses erfolgen und folgende Schritte beinhalten, wie Abbildung 1.4 zeigt (vgl. im Folgenden Bartscher & Nissen, 2017, S. 265 f.).
Abb. 1.4: Entwicklung der Personalstrategie (in Anlehnung an Bartscher & Nissen, 2017, S. 265)
• Zunächst sollte eine umfassende Analyse der Ausgangslage und Rahmenbedingungen im Hinblick auf externen Faktoren erfolgen: Darunter fallen auf der Makroebene insbesondere wirtschaftliche, politische und rechtliche Aspekte sowie technologische und soziale Entwicklungen. Auf der Mikroebene stehen Arbeitsmarkt und Wettbewerb im Fokus. Intern ist die Personalstruktur einschließlich der Kompetenzen der Mitarbeiter und der HR-Prozesse zu erfassen. Zudem muss aus der Unternehmensstrategie abgeleitet werden, welche Festlegungen sich für das Personalmanagement ergeben und gegebenenfalls eine Rückkopplung und Anpassung der Unternehmensstrategie erfolgen (siehe dazu das obige Beispiel).
• Im nächsten Schritt »Strategiefindung« sind die Kernkompetenzen zu ermitteln, die für die geplante Organisationsentwicklung wichtig sind. Es ist zu klären, welche der Schlüsselqualifikationen der Mitarbeiter besonders wichtig sind, ob diese quantitativ und qualitativ entsprechend verfügbar sind bzw. wie diese verfügbar gemacht werden können. Aus der Personalstrategie sind entsprechend Ziele für die Personalarbeit abzuleiten sowie Leitlinien und Handlungsmaxime.
• Im folgenden Schritt »Strategieimplementierung« müssen die konkreten Maßnahmenpläne sowie Leistungsindikatoren der Personalmanagementstrategie festgelegt werden und in die bestehenden Strukturen eingebunden werden. Wesentlich sind zudem die konstante Einbindung von und Kommunikation mit allen Organisationsmitgliedern.
• Abschließend sollte eine Evaluation erfolgen.
Beispiel 1.4: Eckpfeiler der Personalstrategie von Adidas
Vier Säulen stellen die Mitarbeiterstrategie von Adidas dar, welche ein wichtiger Bestandsteil der Unternehmensstrategie »Creating the New« ist: Rekrutierung und Bindung geeigneter Talente, Führung durch Vorbildfunktion, Vielfalt und Inklusion sowie Unternehmenskultur. Die Umsetzung der Mitarbeiterstrategie erfolgt durch verschiedene Projekte, die jeweils unmittelbar mit den Säulen zusammenhängen (vgl. Adidas, 2020).
Abb. 1.5: Die vier Säulen der Mitarbeiterstrategie von Adidas (in Anlehnung an Adidas, 2020)
1.4.2 Die strategische Ausrichtung des Personalmanagements am Modell
Um sich von Wettbewerbern abzugrenzen, können Unternehmen unterschiedliche Strategien verfolgen. Im Hinblick auf die personalstrategische Ausrichtung spielen zwei Grundfragen eine entscheidende Rolle (vgl. im Folgenden Gmür & Thommen, 2019, S. 25 f.): Erstens die strategische Positionierung des Unternehmens bzw. des Geschäftsfeldes im Markt (Marktstrategie), zweitens das personalpolitische Leitbild, d. h. entweder eine Ausrichtung auf den internen Arbeitsmarkt (Erhaltungsziel) oder eine Ausrichtung auf den externen Arbeitsmarkt (Flexibilitätsziel).
Nach Porter gibt es idealtypisch zwei klassische Marktstrategien: Zum einen die der ›Kostenführerschaft‹ (cost leadership) mit dem Ziel, der günstigste Anbieter am Markt zu sein. Zum anderen die der ›Differenzierung‹ (differentiation), indem man versucht, einzigartig am Markt zu sein, z. B. durch Innovationen (vgl. Dessler, 2020, S. 112, Gmür & Thommen, 2019, S. 25). Die strategische Grundausrichtung hat Auswirkungen auf alle Unternehmensbereiche und damit auch das Personalmanagement:
• Wählt das Unternehmen die Strategie der Kostenführerschaft, legt es den Fokus auf starke Effizienz und tendiert dazu, Generalisten einzustellen, die in unterschiedlichen Positionen eingesetzt werden können (vgl. im Folgenden Stewart &, Brown, 2020, S. 52 f.). Arbeitsprozesse werden engmaschig im Unternehmen kontrolliert und Mitarbeiter erhalten in der Regel klare Arbeitsanweisungen. Das Ziel sind niedrige Personalkosten.
• Anders handeln hingegen Unternehmen, die eine Differenzierungsstrategie verfolgen. Sie legen insbesondere Wert auf Innovation und Qualitätssteigerung. Mitarbeiter dieser Unternehmen sind häufig Spezialisten und haben mehr Mitspracherechte wie Prozesse ablaufen. Der Fokus liegt weniger auf Kontrolle, sondern auf den Ergebnissen. Nicht nur im Dienstleistungsbereich versucht man den Kunden besonderen Service zu bieten, z. B. im Investmentbanking mit langjährigen Kundenbeziehungen.
Die zweite personalstrategische Dimension betrifft die Frage, wie stark Unternehmen die notwendigen Mitarbeiterfähigkeiten im Unternehmen entwickeln (Ausrichtung auf den internen Arbeitsmarkt) oder diese vom Markt einkaufen (Ausrichtung auf externer Arbeitsmarkt,vgl. im Folgenden Stewart &, Brown, 2020, S. 53 f.):
• Unternehmen mit stärkerer interner Ausrichtung stellen Mitarbeiter ein, um diese im Unternehmen weiterzuentwickeln. Entsprechend wichtig ist eine organisationale Passung der Mitarbeiter. Das ist die Basis für eine hohe Mitarbeiterbindung. Es wird viel Wert auf Loyalität und Maßnahmen zur Mitarbeiterbindung gelegt. Ein Schwerpunkt liegt auf Personalentwicklung und Förderung mit besonderem Fokus auf den Qualifikationen, die besonders für dieses Unternehmen relevant sind.
• Unternehmen mit Ausrichtung auf den externen Arbeitsmarkt setzen hingegen stärker auf die Einstellung von erfahrenen Fach- und Führungskräften, die teilweise nur kurz im Unternehmen tätig sind. Im Vordergrund steht die Passung zum Job. Ziel ist es, in kurzer Zeit Arbeitskraft bzw. notwendiges Wissen ins Unternehmen zu bringen. Häufig erfolgt eine Anreizwirkung über (variable) Vergütung. Unternehmen sind dadurch in der Lage, sich schnell an neue Entwicklungen anzupassen und flexibel zu sein, sie bauen jedoch in der Regel keine langfristigen Beziehungen zu ihren Mitarbeitern auf.
Kombiniert man nun die Dimensionen Marktstrategie (»Strategic Dimension«) mit der Dimension Arbeitsmarkt (»Labor Orientation«), lassen sich vier unterschiedliche, grundsätzliche HR-Strategien identifizieren, wie Abbildung 1.6 zeigt (vgl. Stewart & Brown, 2019, S. 57 f., ähnlich wie Gmür & Thommen, 2019, S. 26 ff.).
Abb. 1.6: Strategische Ausrichtung des Personalmanagements (in Anlehnung an Stewart &, Brown, 2020, S. 57)
• Loyal Soldier HR-Strategie (»Loyale Arbeitskräfte«): Das Unternehmen fokussiert sich auf Recruiting und Bindung von loyalen Mitarbeitern, die aufgrund ihrer Motivation und Kompetenz zum Erfolg des Unternehmens beitragen. Die Mitarbeiter haben vielfältige, unterschiedliche Aufgaben. Bei der Einstellung achtet man insbesondere darauf, dass die Mitarbeitenden zur Unternehmenskultur passen und loyal erscheinen. Mitarbeiterbindung spielt eine wichtige Rolle, in die man bereit ist, zu investieren. Man stellt eher jüngere Mitarbeiter ein, um sie im Unternehmen weiterzubilden. In der Vergütung wird der Fokus auf langfristige Anreize gelegt (vgl. Stewart &, Brown, 2020, S. 56 f., Gmür & Thommen, 2019, S. 27 f.). Ein Beispiel für diese strategische Ausrichtung ist der öffentliche Dienst. Die Mitarbeitenden werden meist schon entsprechend ausgebildet und ggf. sogar verbeamtet. Auch sonst wird großer Wert auf langfristige Anreize und eine kooperative Kultur gelegt. Variable Gehaltsbestandteile oder ein ausgeprägtes Performance Management finden sich eher selten.
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