1.3.2 Weitere Organisationsformen des Personalbereichs
Das vorgestellte Drei-Säulen-Modell von Ulrich stellt eine Möglichkeit der Organisation des Personalbereichs dar. Hierbei werden zentrale und dezentrale Elemente kombiniert. Eine stärker an den personalwirtschaftlichen Aufgaben orientierte Form und, wie Beispiel 1.1 zeigt, schon länger bestehende Organisationsform ist das Personalreferentenmodell. Dabei werden die Mitarbeiter einer Gruppe, eines Bereichs, Werks etc. von ihren jeweils zugeordneten Personalreferenten betreut. Diese sind funktionsübergreifend ausgebildet und kümmern sich um alle personalwirtschaftlichen Belange der Mitarbeiter und Führungskräfte (vgl. Nicolai, 2018, S. 35). Hierdurch ergibt sich eine stark dezentrale Ausgestaltung, da die Personalreferenten in der Regel vor Ort Ansprechpartner für sämtliche personalwirtschaftliche Fragen sind.
Das bislang im deutschsprachigen Raum jedoch am weitesten verbreitete Modell ist die kompetenzbasierte Funktionalorganisation (vgl. Kienbaum & DGFP, 2017, S. 11). Hierbei erfolgt eine Strukturierung nach Personalkompetenzbereichen: Beispielsweise wird jeweils ein Bereich ›Personalverwaltung‹, ein Bereich ›Personalentwicklung‹, ein Bereich ›Personalmarketing‹ etc. gebildet. Die Mitarbeiter eines Personalbereichs sind für das jeweilige Themengebiet unternehmensweit zuständig, d. h. in der Regel für sämtliche Mitarbeiter des Unternehmens zu diesem Themenkomplex. Für die Mitarbeiter bedeutet es umgekehrt, dass sie je nach Thema verschiedene Ansprechpartner im Personalmanagement haben. Häufig ist dieses Organisationsmodell mit einer zentralen Verankerung im Headquarter gekoppelt.
In der betrieblichen Praxis finden sich nicht nur die Reinformen, sondern verschiedenste Mischformen dieser Modelle. Neuere Varianten zeigen eine Erweiterung des Drei-Säulen-Modells um weitere Rollen und Perspektiven als » 3-Säulen-Plus-Modell« oder einen stärker auf die Herausforderungen der VUCA-Welt zugeschnittenen Ansatz mit Trennung der HR-Kernbereiche in » Run the Business« und »Change the Business« mit schlankeren, agileren Strukturen. Dieser Ansatz beinhaltet eine Aufspaltung in zwei Organisationssäulen, eine für das laufende Geschäft mit Personalverwaltung und Kernprozessen, eine zweite für die strategische Change- und Innovationsberatung (vgl. Stehr, 2017, S. 16, Kienbaum & DGFP, 2017, S. 11).
Bezüglich der Einordnung des Personalbereichs im Unternehmen zeigt sich, dass je höher der strategische Stellenwert des Personalmanagements bewertet wird, desto höher sind Personalabteilung und -leitung in der Hierarchie angeordnet (vgl. im Folgenden Nicolai, 2018, S. 29 f.). In großen Unternehmen wird der Personalbereich in der Regel auf oberster Hierarchieebene als eigener Leitungsbereich im Vorstand bzw. Geschäftsführung oder einer Ebene darunter vertreten. In mittleren Unternehmen ist die Leitung normalerweise auf zweiter Hierarchieebene angesiedelt, bei kleinen Unternehmen zum einen in die Unternehmensleitung integriert, zum anderen für administrative Verwaltungsaufgaben einer einzelnen Stelle zugeordnet. In Unternehmen mit Spartenorganisation hat in der Regel jede Sparte eine eigene Personalabteilung, wobei strategische Aufgaben häufig einheitlich zusammengefasst einer Zentralabteilung Personal zugeordnet sind.
Beispiel 1.2: HR Transformation bei Lufthansa
Höhere Komplexität im Tagesgeschäft verbunden mit hohem Serviceanspruch, Kostendruck und Prozesskomplexität, z. B. durch Internationalisierung, und ein schwierigeres Umfeld stellt immer mehr Anforderungen. Um diesen gerecht zu werden, hat Lufthansa Technik eine Transformation des HR-Bereichs durchgeführt. So sollten u. a. zentrale HR-Prozesse digitalisiert werden und eine stärkere strategische Ausrichtung erfolgen. Dabei wurden die zwei Organisationsäulen »Run the Business« und »Change the Business« etabliert, um den Kunden besser in den Fokus stellen zu können und sowohl operativen als auch strategischen Anforderungen zu genügen. Im Ergebnis war die HR-Organisation danach agiler und flexibler (vgl. Drecoll & Mayrshofer, 2019, S. 48 ff.).
Der Personalprozesskette übergeordnet sind Personal- und Personalmanagementstrategie, die Auswirkungen auf sämtliche Bereiche des Personalmanagements haben. Die Personalstrategie ist der mittel- und langfristige Plan zur Steuerung der Personalressourcen. Die Personalmanagementstrategie umfasst neben den personalpolitischen Zielen und Ergebnissen, die in den kommenden Jahren angestrebt werden, die personalwirtschaftlichen Konzepte, Instrumente und Maßnahmen zu deren Erreichung (in Teilen angelehnt an Gmür & Thommen, 2019, S. 24 und Lebrenz, 2020). Auf diese wird im Folgenden näher eingegangen.
1.4.1 Vernetzung von Personalstrategie und Unternehmensstrategie
Personalstrategie und Unternehmensstrategie sind eng zu verknüpfen. Ziel der Vernetzung ist es, aus der Unternehmensstrategie die personalrelevanten Bestandteile zu identifizieren und die aus Personalsicht wesentlichen Handlungsbedarfe abzuleiten. So sollten die Personalpolitik und -maßnahmen dazu führen, dass die Mitarbeiter die Kompetenzen besitzen, die es benötigt, um die strategischen Unternehmensziele zu erreichen (vgl. Dessler, 2020, S. 112). Andersherum kann auch die Personalstrategie die Unternehmensstrategie beeinflussen (vgl. Lebrenz, 2020, S. 60 ff.).
Beispiel 1.3: Talentmanagement als Teil der Unternehmensstrategie »Global Champion« von Traton SE
Anfang 2016 stand die neu gegründete Volkswagen Truck & Bus GmbH, jetzt Traton SE, vor der Herausforderung, die bisher eigenständigen Unternehmen Scania, MAN Truck & Bus und die frühere VW-LKW-Sparte Volkswagen Caminhões e Ônibus so aufzustellen, dass sie im globalen Wettbewerb eine Spitzenposition einnehmen und »Global Champion« sein kann. Die Strategie war, im Bereich »Transportation Mobility« zukünftig zu den profitabelsten Truck- und Busherstellern weltweit zu gehören. Hierzu sollte die globale Präsenz verstärkt, Skaleneffekte genutzt und eine gemeinsame neue Kultur der Zusammenarbeit der bisherigen Wettbewerber aufgebaut werden. Das Talentmanagement wurde als entscheidender Hebel identifiziert, um einen Transformationsprozess zu starten. Gemeinsam mit der ersten Führungsebene unterhalb der Personalvorstände der Marken wurde deshalb in einem iterativen Prozess entwickelt, was das gemeinsame Verständnis von Talentmanagement sein sollte. Digitalisierung, technische Innovation, Internationalisierung sowie der verbesserte Austausch wurden als Kernaufgaben identifiziert. Das entwickelte Talentmanagement konzentriert sich nun auf drei Aspekte: ein markenübergreifendes Kompetenzmanagement, der Austausch von Toptalenten und ihre Sichtbarkeit sowie die Etablierung von markenübergreifenden Talent Pools auf Gruppenebene für die Nachfolge- und Rotationsplanung über Unternehmensgrenzen hinweg. Jedes der Themen wurde mit konkreten Handlungsfeldern sowie Konzepten und Maßnahmen für das Personalmanagement ausgearbeitet, um einen Beitrag zur Global-Champion-Strategie zu leisten (vgl. Intra & Hofmann, 2019, S. 50 ff.).
Ausgehend von der Unternehmensstrategie ermittelt HR die Relevanz für das Personalmanagement, hieraus werden konkrete Maßnahmen abgeleitet und geprüft, ob es eine Rückwirkung auf die Unternehmensstrategie gibt. So sind etwa zur Umsetzung einer neuen Fertigungstechnologie umfangreiche Qualifizierungsmaßnahmen der Mitarbeiter erforderlich, die aber im Businessplan bislang nicht berücksichtigt waren. Die Qualifizierung beansprucht Zeit und Geld. Beides ist zusätzlich in den Businessplan einzuarbeiten. Das verschiebt zwar den vorgesehenen Break-even-point, der Businessplan ist nach dieser Anpassung aber auch wesentlich realistischer. Die so entwickelten einzelnen Maßnahmen werden zusammengefasst zu einer Personalmanagementstrategie, die zusätzlich weitere Rahmenbedingungen berücksichtigt. Dies können bspw. die Verfügbarkeit bestimmter Fachkräfte für die vorgesehenen Einstellungen sein, die interne und externe demografische Entwicklung und deren Einfluss auf die Verfügbarkeit von Personal oder die voraussichtliche Gehaltsentwicklung der kommenden Jahre. Insgesamt wird daraus eine, mit internen Erfordernissen und externen Rahmenbedingungen abgestimmte Strategie. Abschließend muss der Personalbereich prüfen, inwieweit er quantitativ und qualitativ in der Lage ist, die daraus resultierenden Aufgaben zu stemmen.
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