• Beschaffungsrisiko, mit Blick auf enge Teilarbeitsmärkte.
Besonders wichtig ist es, frühzeitig Maßnahmen einzuleiten, wenn mehrere Risiken gleichzeitig auftreten, also ein hoher Bedarf und zugleich ein knapper Arbeitsmarkt prognostiziert werden. So stehen in der Tabelle 2.4 bspw. in der Entwicklung vielen (altersbedingten) Abgängen eine geringere Zahl an Absolventen gegenüber. An zweiter und dritter Priorität stehen Jobfamilien, für die ein Engpass bei einem (mäßigen) Bedarf oder für die ein erhöhter Bedarf, aber keine oder nur mäßige Engpässe vorhergesagt werden. So ist es zunehmend schwierig, Einkäufer zu rekrutieren, der Bedarf ist aber überschaubar. Im Marketingbereich dagegen sind die Fluktuationszahlen recht hoch und somit auch der Bedarf; auf dem Arbeitsmarkt ist hier aber auch längerfristig mit genügend geeigneten Kandidaten zu rechnen.
Tab. 2.4: Darstellung der Analyse zukünftig wahrscheinlicher Abweichungen von Personalbestand und Bedarf mittels Heat Mapping (in Anlehnung an Lebrenz, 2017, S. 191)
Für Bereiche mit erster Priorität sind Handlungsfelder und Maßnahmen abzuleiten. Neben der Rekrutierung könnten für den Konstruktionsbereich eines Unternehmens die Handlungsfelder Ausbildung, Einbindung von ehemaligen Arbeitnehmern (in Rente) sowie Outsourcing stehen. Maßnahmen wären die Zusammenarbeit mit Hochschulen, das Angebot dualer Studiengänge, der Aufbau eines Beraternetzwerks mit verrenteten Experten und die Auswahl möglicher Konstruktionsbüros als Partner und Lieferanten. Eine solche Bestimmung von Handlungsfeldern und Ableitung konkreter Maßnahmen kann dann für Bereiche mit Priorität zwei und drei folgen.
Auch für den umgekehrten Fall ist das mögliche Vorgehen frühzeitig abzustecken: Sollte es Bereiche geben, in denen zukünftig ein starker Überhang prognostiziert wird, dann sind eine frühzeitige Identifikation sowie Bestimmung von Handlungsfeldern (wie Weiterbildung, Reduktion von Mitarbeiteranzahl oder -kapazitäten) und die Ableitung von Maßnahmen (z. B. Interessenabfrage zur Weiterentwicklung und Angebot von Schulungsprogrammen, Einstellungsstopp oder Arbeitszeitreduktion) eine Voraussetzung für nachhaltige Personalarbeit.
Einen Leitfaden zur strategischen Personalplanung für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) bieten das RKW Kompetenzzentrum sowie die Initiative Neue Qualität der Arbeit (INQA) auch online (mehr dazu unter http://www.spp-kmu.de).
Beispiel 2.6: Strategische Personalplanung bei Daimler Trucks
Das Vorgehen zur strategischen Personalplanung, das die Boston Consulting Group für vier Werke von Daimler Trucks in Deutschland durchgeführt hat, basiert auch auf der Fortschreibung von Mitarbeiterstrukturen. Im Rahmen des Strategic Workforce Planning wurden dabei folgende zusammengefasste Empfehlungen als Ergebnis veröffentlicht (vgl. Punke & Strack, 2013, S. 29 f.):
• Im Montagewerk Wörth mit rund 7500 Arbeitskräften wurde eine massive Personalunterdeckung festgestellt. Darauf aufbauend wurden Einstellungs-, Ausbildungs- und Qualifizierungsoffensiven entwickelt.
• Im Komponentenwerk Mannheim mit Gießerei, Zerspanung und Motorenmontage wurden stellenweise ebenfalls Unterdeckungen, aber auch Überhänge identifiziert. Das Projekt fokussierte hier auf rund 4000 Arbeitskräfte. Es wurden daher, neben einigen Neueinstellungen, insbesondere auf das Handlungsfeld der Entwicklung und Bewegung von Mitarbeitern, also interne Wechsel, Versetzungen und Abordnungen, gesetzt.
• Im Komponentenwerk in Gaggenau mit Zerspanung, Betriebsmittelbau, Getriebe- und Achsenfertig (im Fokus standen rund 4000 Arbeitskräfte), wurde (kurzfristiger) Flexibilisierungsbedarf festgestellt. Maßnahmen zur Flexibilisierung des Personaleinsatzes wurden abgeleitet.
• Im ähnlich aufgebauten, kleineren Werk in Kassel mit 2000 Arbeitskräften, wurde dagegen kurzfristig eine Unterdeckung, aber längerfristig eine Überhanggefahr ermittelt. Daher wurden temporäre Maßnahmen der Deckung in Form von Abordnungen aus anderen Werken und Zeitarbeit eingeleitet.
Sie haben die qualitative und die quantitative Seite der kurz- bis mittelfristigen Personalplanung kennengelernt. Bei der qualitativen Personalplanung stehen Kompetenzmodelle (auf Organisationsebene) und Anforderungsprofile (auf Stellenebene) als Instrumente im Zentrum. Für die quantitative Personalplanung ist der Prozess, vom Bruttopersonalbedarf über den fortgeschriebenen Personalbestand zum Nettopersonalbedarf, über Organisationen hinweg generalisierbar. Die Instrumente, die im Prozessschritt der Ermittlung des Bruttopersonalbedarfs eingesetzt werden, sind dagegen situationsspezifisch.
Wesentlich ist, dass beide Komponenten eingebunden werden, sowohl der zahlenbezogene Planungsansatz als auch der qualitative, auf die Kompetenzen der (zukünftigen) Mitarbeiter gerichtete Ansatz. Dies gilt ebenso für den längerfristigen strategischen Blick, in dem – meist auf Ebene von Jobfamilien – beide Perspektiven auf einer generischen Ebene integriert werden. Hiermit kann eine nachhaltige Personalplanung erreicht werden.
1 Modellgestützte Projektion, z. B. mithilfe von Markov-Ketten 1 1 Ein vom russischen Mathematiker Andrei Andrejewitsch Markow entwickelter stochastischer Prozess. , werden in Großunternehmen schon seit Jahrzehnten genutzt. Hier werden aus vorliegenden Daten Wahrscheinlichkeiten für das Eintreten zukünftiger Ereignisse berechnet. Nach Scholz (2016) kann das als eines der ersten Big Data-Projekte in den Personalbereichen gelten. Der errechnete Nettopersonalbedarf fällt negativ (Überdeckung) oder positiv (Unterdeckung) aus, im Ausnahmefall kann er deckungsgleich sein. Hieraus resultieren meist Notwendigkeiten zum Personalabbau oder zur Rekrutierung. Unterschieden werden kann zudem in Ersatzbedarf, d. h. existierende Stellen werden frei und sind nachzubesetzen, und Neubedarf, d. h. Positionen werden neu geschaffen und erstmalig besetzt. Dabei kann es sich um im Unternehmen bislang nicht vorhandene Stellen handeln (wie im E-Commerce) oder um eine Aufstockung von bereits vorhandenen Stellen durch eine Erweiterung (z. B. Call-Center mit neuen Kunden/Aufträgen).
Ein vom russischen Mathematiker Andrei Andrejewitsch Markow entwickelter stochastischer Prozess.
3 Personalmarketing und Rekrutierung
Nach diesem Kapitel können Sie wesentliche Phasen des Employer Brandings nennen und beschreiben sowie in Grundzügen am praktischen Fall umsetzen. Sie haben einen Einblick in wesentliche Aspekte der mitarbeiterorientierten Gestaltung von Stellen sowie in die Konzeption und Umsetzung des Personalmarketings.
Zudem kennen Sie die Bandbreite der Möglichkeiten, die Unternehmen zur Gewinnung von Kandidaten zur Verfügung stehen und können deren Vor- und Nachteile einschätzen. Auf dieser Basis können Sie situationsspezifisch geeignete Wege der Personalgewinnung wählen. Sie sind in der Lage, die Relevanz von informativen, realistischen Stellenausschreibungen reflektiert darzustellen und können Stellenausschreibungen aufsetzen.
Um für Fach- und Führungskräfte auf dem Arbeitsmarkt attraktiv zu sein, müssen sich Unternehmen entsprechend aufstellen. Auf Basis der Kernwerte des jeweiligen Geschäftsmodells und der Strategie sind bei der Gestaltung von Stellen und Arbeitsbedingungen in zunehmendem Maß die Vorstellungen und Bedürfnisse der – zukünftigen – Arbeitnehmer einzubinden. Das Stellendesign hat entscheidende Wirkung auf Attraktivität und insbesondere das Engagement von Mitarbeitern und wird kurz thematisiert. Das Personalmanagement ist allerdings regelmäßig stärker in die Gestaltung auf Organisationsebene eingebunden als auf Stellenebene, daher wird im Folgenden der Prozess des Employer Brandings ins Zentrum gestellt. Eine Employer Brand, eine Arbeitgebermarke, kann dabei als die Summe aller Vorstellungen verstanden werden, die ein Unternehmensname beim derzeitigen und potenziellen Mitarbeiter hervorruft bzw. hervorrufen soll, um sich positiv von anderen Arbeitgebern abzugrenzen. Employer Branding umfasst zudem das Personalmarketing. Personalmarketing wird hier verstanden als die nach innen wie außen gerichtete kontinuierliche Kommunikation der Employer Brand. Damit wird das Unternehmen als Arbeitgeber bekannter und mit der Zeit vertrauter. Bekanntheit und Vertrautheit sind dann auch genauso wichtig wie inhaltliche Facetten bei der Einschätzung von Arbeitgeberattraktivität, bei Berufseinsteigern geben sie gar den Ausschlag (vgl. Lohaus & Rietz, 2015, S. 80).
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