Selbst- Schemata sind solche, die Annahmen der Person über sich selbst enthalten, wie »Ich bin ein Versager.«, »Ich bin nicht wichtig.« u. a., sowie Kontingenzannahmen und Bewertungen dazu.
Kontingenzannahmen geben an, was alles Schlimmes passieren kann, wenn eine Annahme zutrifft, z. B.: »Wenn ich ein Versager bin, dann werde ich abgelehnt, werde ich ausgeschlossen, bin ganz isoliert.« usw. Da diese Annahmen sich zum Teil in der Kindheit bilden, sind es oft »Kindbefürchtungen«, also irrationale Annahmen, was aber, wie bereits beschrieben, bei einer Schema-Aktivierung keine Rolle spielt.
Beziehungsschemata sind solche, die Annahmen der Person über Beziehungen enthalten, darüber, wie Beziehungen funktionieren, was man in Beziehungen zu erwarten hat sowie wiederum Kontingenzannahmen und Bewertungen dazu (z. B.: »In Beziehungen wird man abgewertet.«, »Beziehungen sind nicht verlässlich.« u. a.).
Dysfunktionale Schemata wie z. B. »Ich bin unfähig.« erzeugen im System eine Diskrepanz oder Dissonanz und damit eine Tendenz, diese auszugleichen. Da die Person die Schemata aber nicht »knacken« kann, muss sie Gegenannahmen entwickeln, die die Schema-Annahmen unter Kontrolle halten. Also entwickelt sie z. B. gegen das Schema »Ich bin unfähig.« ein kompensierendes Schema »Ich bin intelligent.« Möglicherweise überkompensiert sie aber auch durch eine Annahme wie »Ich bin extrem intelligent.« o. a.
Wichtig ist hier, dass negative Beziehungsschemata negative Erwartungen erzeugen, wie Kontakte ablaufen werden. Damit erzeugen solche Schemata ein interaktionelles Misstrauen: Wenn eine Person ein Schema hat wie »In Beziehungen wird man abgewertet.«, dann misstraut sie einem Interaktionspartner, weil sie annehme, dass dieser das nun auch tun wird.
Damit ist interaktionelles Misstrauen ein Charakteristikum aller PD: Bei manchen PD (z. B. der narzisstischen) ist es eher leicht, bei anderen, wie der paranoiden PD, ist es extrem ausgeprägt.
Kompensatorische Schemata sind solche, die sich entwickeln, um die Annahmen der dysfunktionalen Schemata zu falsifizieren, diese Schemata zu kontrollieren oder um die negativen Effekte der dysfunktionalen Schemata zu kompensieren.
Normative Schemata enthalten Anweisungen darüber, wie die Person sein sollte oder sein muss. Sie enthalten damit Ziele der Person. Diese Ziele sind, motivationspsychologisch gesehen, sogenannte Vermeidungsziele: Es sind Ziele, die man anstrebt, um das Eintreten unangenehmer Konsequenzen zu verhindern. Normative Schemata sind somit interaktionelle Ziele auf der Spielebene (s. u.), also auf der Ebene intransparenten, manipulativen Handelns (mit dessen Hilfe man Interaktionspartner dazu veranlasst, etwas zu tun, was sie von sich aus nicht tun würden).
Diese Schemata sind solche, die Anweisungen der Person an sich selbst enthalten (oder Verpflichtungen, die eine Verbindlichkeit für die Person haben), z. B.: »Sei erfolgreich.«, »Sei der Beste.«, »Sei die Wichtigste.«, »Vermeide auf alle Fälle Blamagen.«, »Vermeide alle Situationen, in denen Du kritisiert werden könntest.« Die Aktivierung von Normen erzeugt ein Gefühl von »Getriebensein«, von »unter Druck stehen«. Daher können Normen auch als Antreiber bezeichnet werden.
Das Gefühl, Normen nicht zu erfüllen, erzeugt (über emotionale Verarbeitungsprozesse) Emotionen wie Schuld (schlechtes Gewissen) oder Scham. Gerade bei Normen gibt es meist eine starke Kontingenzebene, also relativ hoch bedrohliche Annahmen darüber, was alles Schlimmes passieren wird, falls man die Norm nicht erfüllt. Die Stärke einer Norm resultiert sehr stark aus diesen Befürchtungen (was deutlich macht, dass Normen Vermeidungsziele sind).
Es ist hier sehr wichtig zu verstehen, dass alle diese Normen Ziele definieren, die Annahmen der dysfunktionalen Schemata (vor allem der Selbstschemata) kompensieren: Sagt das Schema z. B. »Ich bin ein Versager.«, dann enthält das normative Schema Aussagen wie »Sei erfolgreich.«, »Zeige Dich als intelligent.«, »Sei der Beste.« (oder auch »Vermeide Kritik.«): Dies sind alles Ziele, die die negativen Annahmen der dysfunktionalen Schemata falsifizieren oder dafür sorgen sollen, dass diese nicht wahr werden. Damit sind die normativen Schemata wieder sehr eng inhaltlich mit den dysfunktionalen Schemata verbunden. Außerdem sind die Ziele, was noch wichtiger ist, per definitionem Vermeidungsziele.
Regel- Schemata enthalten keine Regeln, die die Person selbst befolgen soll, sondern Regeln, die andere, die Interaktionspartner, befolgen sollen. Sie enthalten somit interaktionelle Erwartungen wie »Andere haben mich respektvoll zu behandeln.« oder »Ein Partner hat mir rund um die Uhr Aufmerksamkeit zu geben.«
Bei Regel-Schemata ist auch die Kontingenzebene wichtig: In jeder Regel hat die Person Annahmen darüber, was sie mit einer Person tun kann, die sich nicht an die entsprechende Regel hält. Dies sind damit Annahmen darüber, welche Konsequenzen dem Interaktionspartner von der regelsetzenden Person drohen, z. B. »Wenn mich jemand nicht respektvoll behandelt, darf ich wütend reagieren.« oder »Wenn mein Partner mir keine Aufmerksamkeit gibt, mache ich ihm eine Szene.«
Regel-Schemata kompensieren insbesondere die negativen Beziehungserwartungen der dysfunktionalen Beziehungsschemata: Hat eine Person das Schema »In Beziehungen wird man nicht respektiert.«, dann entwickelt sie auf der Spielebene eine (mehr oder weniger starke) Erwartung an Interaktionspartner, die genau dieser Annahme widersprechen (»Dein Partner hat mich respektvoll zu behandeln – und wehe nicht!«).
2.4.6 Schemata und Beziehungsmotive: die Schema-Matrix
Die vier unterschiedlichen Schema-Arten kann man noch spezifizieren, je nachdem, auf welchem zentralen Beziehungsmotiv das jeweilige Schema lokalisiert ist. Es wird angenommen, dass Personen in ihrer Biographie Erfahrungen mit ihren zentralen Beziehungsmotiven machen und dass sich dadurch spezifische Schemata bilden. Dadurch bilden sich dann auf der Ebene eines Beziehungsmotiv dysfunktionale und kompensatorische Schemata.
Wird z. B. das Anerkennungsmotiv durch ein Feedback der Art »Du bist ein Versager.«, »Du kannst nichts.« u. a. frustriert, dann bilden sich Schemata, die eng mit dem Beziehungsmotiv verbunden sind, die gewissermaßen zu dem Beziehungsmotiv gehören.
Damit bilden Klienten auch nur Schemata auf den Motiven, die für sie jeweils relevant sind: Weist ein Narzisst z. B. als relevante Motive Anerkennung und Wichtigkeit auf, dann weist dieser eben acht relevante Arten von Schemata auf (
Tab. 2.1).
Tab. 2.1: Übersicht über Beziehungsmotive und Schema-Arten
Schema MotivSelbst-SchemaBeziehungs-SchemaNorm-SchemaRegel-Schema
Es wird davon ausgegangen, dass Personen mit PD immer sowohl dysfunktionale als auch kompensatorische Schemata aufweisen: Dabei sind, durch die spezielle Art der Frustration, die Inhalte der Selbst- und Beziehungsschemata immer »Negationen des zugehörigen Motivs«: Ist mein Motiv z. B. Anerkennung und wird dies in der Biographie durch Feedback der Art »Du bist ein Versager.« frustriert, dann bilden sich Schemata heraus, die das Gegenteil von Anerkennung beinhalten.
Es gilt für alle Motive: Die dysfunktionalen Schemata sind immer Negationen der Motive.
Damit ermöglicht dies eine Heuristik (ein Suchmodell für den Therapeuten): Wenn das Motiv bekannt ist, kann die Art der Schemata vorhergesagt werden (nicht die Schemata im Detail), wenn die Schemata bekannt sind, kann auf das Motiv geschlossen werden und wenn die dysfunktionalen Schemata bekannt sind, kann auf die Art der kompensatorischen Schemata geschlossen werden.
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