Beide interpretieren also ihr Verhalten als Reaktion auf das Verhalten des anderen und nicht als Ursache dafür. Sie interpunktieren diese Ereignisfolgen so, dass jeweils das Tun des anderen als Ursache für das eigene Verhalten genommen werden kann. Das bedeutet: Der bzw. die andere hat Schuld!
Solche Interpunktionskonflikte lassen sich nicht nur im Privaten oder im Arbeitsalltag finden, sondern sie bestimmen nicht selten auch die (große) Politik. Das Wettrüsten im Kalten Krieg ist ein solches Beispiel.
Merke 
Kommunikation verläuft kreisförmig und hat keinen Anfang.
Axiom 4: Menschliche Kommunikation bedient sich digitaler und analoger Modalitäten.
Das Begriffspaar digital und analog bezieht sich auf die Art der Beziehung, die zwischen einem Objekt und dessen Beschreibung bzw. Benennung besteht.
Die digitale Kommunikation ist ausschließlich dem verbalen System vorbehalten, das hauptsächlich den Inhaltsaspekt einer Nachricht übermittelt. Die formale Ordnung der Bezeichnungen (Syntax) und deren eindeutige Bedeutung (Semantik) sind durch Verwendung von Sprache und Schrift gegeben. Dagegen besitzen die digitalen Ausdrucksmittel kein ausreichendes Vokabular zur klaren Definition von Beziehungen (unzureichende Semantik).
Die analoge Modalität ist die Sprache des Beziehungsaspekts. Mit dem para- und nonverbalen System werden durch die Sprechweise und die körpersprachlichen Signale vielfältige Beziehungsbotschaften gesendet. Im verbalen System werden analoge Botschaften in Form von Metaphern und Geschichten übertragen. Insgesamt offenbart sich damit das im Axiom angesprochene semantische Potenzial. Es fehlt allerdings an der Eindeutigkeit. Das wird deutlich, wenn Sie an ein Lächeln denken. Es kann Sympathie, Zufriedenheit oder Sicherheit, jedoch auch Verachtung widerspiegeln.
Während digitale Kommunikation eindeutig ist und wenig Spielraum für Interpretation lässt, ist analoge Kommunikation ungenauer und vielseitiger. Sagt jemand beispielsweise: »Es regnet draußen«, so ist dies eine relativ klare Aussage in digitaler Form. Wird der genannte Satz aber z. B. von einem traurigen Gesichtsausdruck begleitet, so kann das unterschiedliche Bedeutungen haben. Es kann heißen, dass die Person vom ständigen Regen genervt ist oder dass sie befürchtet, auf dem Weg nach Hause nass zu werden.
Für gelungene Kommunikation ist es entscheidend, dass sich die digitalen und analogen Modalitäten ergänzen und die verbalen, para- und nonverbalen Systeme kongruente Botschaften senden. Nur unter dieser Voraussetzung ergibt sich für den Empfänger eine eindeutig interpretierbare Nachricht. Insbesondere der Beziehungsaspekt der Kommunikation wird nur dann deutlich, wenn die analogen und digitalen Botschaften zur Beziehung übereinstimmen.
Merke 
Die zwischenmenschliche Kommunikation erfolgt hauptsächlich verbal in digitaler Form und über das para- und nonverbale System in analoger Form.
Axiom 5: Zwischenmenschliche Kommunikationsabläufe sind entweder symmetrisch oder komplementär, je nachdem, ob die Beziehung zwischen den Partnern auf Gleichheit oder Ungleichheit beruht.
Im fünften Axiom wird unterschieden, ob die Beziehung zwischen zwei Kommunikationspartnern auf Gleichheit oder Ungleichheit beruht.
Bei der Kommunikation zwischen zwei Kommunikationspartnern, deren Beziehung auf Gleichheit beruht, erfolgt diese auf der gleichen Stufe. So kann es z. B. unter Kollegen und Freunden der Fall sein. Da es in dem Fall keine vorgegebene Hierarchie gibt, fühlen sich beide Partner als gleichrangig. Das Verhalten des einen Partners ist wie das Spiegelbild des Verhaltens des anderen Partners. Die Kommunikationsabläufe werden als symmetrisch bezeichnet. Dabei ist es gleichgültig, worin dieses Verhalten im Einzelfall besteht. Die Kommunikationspartner können sowohl in Stärke wie Schwäche, Härte wie Güte und jedem anderen Verhalten ebenbürtig sein. Symmetrische Beziehungen zeichnen sich dadurch aus, dass beide Kommunikationspartner nach Gleichheit und Verminderung von Unterschieden streben.
Stehen die Kommunikationspartner jedoch auf unterschiedlichen Stufen bzw. beruht die Beziehung auf Ungleichheit, geht Watzlawick davon aus, dass das Verhalten des einen Partners das des anderen ergänzt und dies somit komplementär verläuft. Beispielsweise korrespondiert die Dominanz eines Kommunikationspartners mit der Unterwürfigkeit seines Gegenübers (Watzlawick et al. 2017).
Merke 
Zwei Kommunikationspartner verhalten sich bei Gleichheit zwischen den Partnern häufig spiegelbildlich (symmetrisch) und zeigen bei Ungleichheit meist sich ergänzende (komplementäre) Verhaltensweisen (Watzlawick et al. 2017).
1.6.3 Aktives Zuhören als Grundlage, Haltung und Methode in der Gesprächsführung
Wahrscheinlich erleben viele das Zuhören, vor allem im Berufsalltag in einer Notaufnahme, kaum als einen eigenen bewussten Vorgang der Kommunikation, sondern eher als Reaktion auf eine Situation, welche eine erhöhte Aufmerksamkeit erfordert (z. B. bei der Übergabe durch den Rettungsdienst).
Dabei ist das Zuhören neben dem Senden der Nachricht die wichtigste Funktion in der Kommunikation. Von Watzlawick haben wir gehört, dass Kommunikation eine Interaktion von Individuen bedeutet, welche sich wechselseitig im Verhalten beeinflussen und aufeinander reagieren (Watzlawick et al. 2017).
Auch Schulz von Thun baut den Aspekt des Zuhörens in seine Theorie mit ein. So kann der Empfänger einer Nachricht diese mit vier möglichen »Antennen« (Vier-Ohren-Modell) empfangen und entscheiden, welcher der vier Aspekte für ihn im Vordergrund steht.
Insbesondere der Beziehungscharakter und die Selbstoffenbarungssignale können in der Kommunikation oft nicht eindeutig zugeordnet werden. Aber genau diese Zuordnung einer Botschaft entscheidet letztendlich über das Gelingen eines Gespräches, also darüber, ob sich der Gesprächspartner verstanden fühlt.
Der Begriff des aktiven Zuhörens wurde von Carl Rogers in der klientenzentrierten Psychotherapie als Werkzeug beschrieben (Rogers 1983). Dabei hört der Therapeut überwiegend mit dem Selbstoffenbarungsohr und reagiert gefühlsbetont auf die Botschaften des Klienten. Das Ziel des Therapeuten ist es, sich in die Gefühls- und Gedankenwelt des Klienten einzuspüren.
Über den therapeutischen Kontext hinaus wird das aktive Zuhören auch in der Personalentwicklung, in Deeskalationsstrategien und eben auch bei Klienten-, Patienten- und Angehörigenkontakten im Gesundheitswesen angewandt.
Zur Grundhaltung des aktiven Zuhörens gehören laut Rogers (1983) Akzeptanz und Wertschätzung, eine offene Grundhaltung und Empathie sowie Kongruenz und Authentizität.
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