Axiom 1: Man kann nicht nicht kommunizieren.
Das erste Axiom Watzlawicks erinnert daran, dass die Kommunikation keineswegs nur aus Worten besteht, sondern auch alle para- und nonverbalen Elemente und somit auch Verhalten jeder Art umfasst. Verhalten besitzt die besondere Eigenschaft, dass es kein Gegenteil von Verhalten gibt. Denn: Man kann sich nicht nicht verhalten.
Jedes Verhalten in einer zwischenmenschlichen Situation besitzt also Mitteilungscharakter und ist somit Kommunikation. Daraus ergibt sich das erste Axiom, dass man nicht nicht kommunizieren kann.
Auch wenn man in einer Situation schweigt, nichts sagt oder nichts tut, nicht handelt oder schlichtweg versucht, dem Kommunikationspartner keine Signale zu senden, kommuniziert man und löst eine Verhaltensreaktion bei seinem Gegenüber aus.
Fallbeispiel 
Auf die Frage der Tochter, wann Sie zur Mutter in den Behandlungsraum darf, antwortet die Pflegekraft nicht, dreht sich um und läuft weg.
Was denken Sie: Welche Reaktion löst die Kommunikation der Pflegekraft bei der Tochter aus?
Merke 
Jedes Verhalten hat Mitteilungscharakter. Man kann sich nicht nicht verhalten.
Axiom 2: Jede Kommunikation hat einen Inhalts- und einen Beziehungsaspekt, wobei letzterer den ersten bestimmt und daher eine Metakommunikation darstellt.
Neben der Sachinformation, die in Form von Worten über das verbale System übertragen wird, werden bei der Kommunikation Hinweise gegeben, wie der Sender seine Nachricht verstanden haben will und wie er seine Beziehung zum Empfänger sieht. Diese Hinweise werden u. a. durch den Tonfall und durch körpersprachliche Signale über das para- und nonverbale System gegeben. Die im Axiom angesprochene Metakommunikation wird als Kommunikation über Kommunikation definiert. Die Gesprächspartner verlagern ihre Aufmerksamkeit auf eine höhere Ebene der Betrachtung und sprechen über ihre Kommunikation, also darüber, wie sie miteinander umgehen oder was sie im Moment stark beschäftigt.
Weiter besagt das Axiom, dass der Beziehungsaspekt den Sachaspekt bestimmt. Erst durch die Aussagen zur Beziehung konkretisiert sich der Sachinhalt einer Nachricht. Der Beziehungsaspekt informiert, wie der Inhalt zu verstehen ist.
Watzlawick hat zum besseren Verständnis folgende Denkaufgabe erstellt (Watzlawick et al. 2017, S. 61):
»Ein Mann wird von zwei Wachen in einem Raum gefangen gehalten, der zwei Ausgänge hat. Beide Türen sind geschlossen, aber nur eine ist zugesperrt. Der Gefangene weiß ferner, dass einer seiner Wächter stets die Wahrheit sagt, der andere dagegen immer lügt. Welcher der beiden der Lügner ist, weiß er nicht. Seine Aufgabe, von deren Lösung seine Freilassung abhängt, besteht darin, durch eine einzige Frage an einen der beiden Wärter herauszufinden, welche der beiden Türen nicht verschlossen ist.«
Überlegen Sie: Wie muss die Frage lauten und an wen muss diese gerichtet sein?
Lösung:
Der Mann deutet auf eine Tür und fragt eine der Wachen (wobei es gleichgültig ist, auf welche Tür er zeigt und welche Wache er fragt): »Wenn ich Ihren Kameraden fragen würde, ob diese Tür offen ist, was würde er sagen?« Lautet die Antwort »Nein«, so ist die Tür offen, wenn »Ja«, so ist sie zugesperrt.
Das spannende an der Geschichte ist, dass eine Gleichung mit zwei Unbekannten (Tür offen oder zu und Wache lügt oder sagt die Wahrheit) nur mit einer Frage gelöst werden kann. Das kann nur gelingen, weil dabei sowohl der Inhalts- als auch der Beziehungsaspekt beachtet wird.
Zum einen besitzt der Gefangene inhaltsbezogene Informationen über die unpersönlichen Objekte (Türen) und deren Zustand (offen oder geschlossen), zum anderen bezieht er Informationen über die für die Wachen typischen zwischenmenschlichen Beziehungsformen mit ein und leitet so das Ergebnis ab.
Auf Alltagssituationen in einer Notaufnahme bezogen, verdeutlicht das folgende Beispiel nochmal das 2. Axiom:
Fallbeispiel 
Der Stationsarzt sagt zur Pflegekraft: »Den IV-Zugang bei unserer Patientin lege ich, die Dame hat sehr schlechte Venen.«
Inhaltbezogen bedeutet diese Aussage nicht anderes, als dass der Arzt den Zugang legen will, weil die Patientin wohl schlechte Venen hat.
Nun wird aber die Beziehungsdefinition von Pflegekraft und Arzt über den Inhalt der Aussage entscheiden. Auch wenn sich nach dieser Aussage beide weiterhin über IV-Zugänge und schlechte Venen unterhalten (oder vielleicht sogar ein Konflikt darüber entsteht), ist das Entscheidende einzig und allein die Art ihrer Beziehung zueinander.
Merke 
Der Inhaltsaspekt liefert Informationen zur Sache, während der Beziehungsaspekt Informationen über das persönliche Verhältnis der Kommunikationspartner bietet und darüber, wie die Sachinformation verstanden werden soll.
Axiom 3: Die Natur einer Beziehung ist durch die Interpunktion der Kommunikationsabläufe seitens der Partner bedingt.
Was sich erstmal kompliziert anhört, ist im Grunde ganz einfach. Bei einer Kommunikation kommt es in der Regel zu einem mehrfachen wechselseitigen Austausch von Nachrichten zwischen zwei oder mehreren Personen. Dies wird als Interaktion bezeichnet. Insbesondere bei einem Streitgespräch werden in schneller Folge endlos Argumente ausgetauscht bzw. Vorwürfe mit Gegenvorwürfen beantwortet. Ein unvoreingenommener Beobachter erhält den Eindruck, dass ununterbrochen Botschaften ausgetauscht werden. Jeder Teilnehmer dieser Kommunikation definiert für sich einen Anfangspunkt des Streitgesprächs, was »Interpunktion von Ereignisfolgen« genannt wird. Meinungsverschiedenheiten auf dem Gebiet der Interpunktion sind Auslöser vieler Beziehungskonflikte. Ein oft zu beobachtendes Partnerschaftsproblem besteht darin, dass der Mann im Wesentlichen ein passives und zurückgezogenes Verhalten zeigt, während seine Partnerin zu übertriebenem Nörgeln neigt. In einem gemeinsamen Interview beschreibt der Mann sein Verhalten typischerweise als einzig mögliche Verteidigung gegen das Nörgeln. Die Partnerin sieht dagegen das Verhalten des Partners als Grund für ihre Kritik. Das Gespräch verläuft als monotones hin und her gegenseitiger Vorwürfe und Selbstverteidigungen: »Ich meide dich, weil du nörgelst« und »Ich nörgle, weil du mich meidest«.
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