Um dies zu verhindern, kann es ratsam sein, das Gespräch in einer ruhigen Umgebung (z. B. ohne die Überwachungsalarme der Monitoranlage im Hintergrund) durchzuführen, z. B. in einem Besprechungsraum. Vor dem Gespräch hilft ein bewusstes Umschalten von Notfall- auf Normalkommunikation, z. B. durch ein Glas Wasser und eine ganz kurze Auszeit mit der Möglichkeit zum Durchatmen.
1.3 CRM und Kommunikation
Crew Resource Management (CRM) wird als »die Fähigkeit, das Wissen, was getan werden muss, auch unter den ungünstigen und unübersichtlichen Bedingungen der Realität eines medizinischen Notfalls in effektive Maßnahmen im Team umzusetzen« definiert (Gaba 1989; Gaba et al. 1994, zit. n. Rall et al. 2020, S. 11).
Aus der Luft- und Raumfahrt abgeleitet, wurde CRM von Gaba und Howard in die Medizin übernommen und an diese angepasst (Gaba et al. 1994; Howard et al. 1992). In der Form des »Anesthesia Crisis Resource Management« fand das Konzept zuerst in der Anästhesie Anwendung, hält aber mehr und mehr Einzug in die Akutmedizin (Rall et al. 2020).
Kommunikation stellt im CRM das Bindeglied der meisten von Rall et al. (2010) entwickelten CRM-Leitsätze dar. Die 15 Leitsätze sind in erster Linie dazu entwickelt worden, um einen Einfluss auf die Teamperformance, z. B. in Akutsituationen, zu nehmen und somit die Patientensicherheit zu erhöhen. Die grundlegenden Kommunikationsaspekte in Leitsatz 7 sind beispielsweise: »Kommuniziere sicher und effektiv – sag, was Dich bewegt«. Sie lassen sich, wenn auch mit Einschränkungen, auf die Angehörigenkommunikation in der Notaufnahme übertragen.
Ein Blick auf die Kommunikationstreppe lässt diesen Aspekt besser verstehen:
Gemeint ist nicht gesagt
Gesagt ist nicht gehört
Gehört ist nicht verstanden
Verstanden ist nicht gemacht
Stellen Sie sich folgende Situation vor:
Fallbeispiel 
An einem stressigen und dynamisch verlaufendem Tag in der Notaufnahme befragt der Arzt zur Fremdanamnese einer dementen Patientin die Tochter. Mit dem Satz »Muss ich noch was über Ihre Mutter wissen?« zielt der Arzt auf wichtige Vorerkrankungen ab, was die Tochter so aber nicht wahrnimmt und die Frage verneint. Der Arzt ist sich danach sicher, nach Vorerkrankungen gefragt zu haben, hat dies aber in Wirklichkeit nur gemeint und nicht gesagt.
Oder:
Direkt nach der Mitteilung einer (für die Tochter schlimm klingenden) Diagnose der Mutter fragt der Arzt noch nach wichtigen Vorerkrankungen. In Gedanken aber noch mit der Mitteilung des Arztes beschäftigt, nimmt die Tochter die Frage nicht wahr. Die Frage wurde zwar gesagt, aber nicht gehört.
Gerade was die Kommunikation mit Patienten und Angehörigen angeht, kommt es nicht selten zum Problem, dass die Verwendung von Fachsprache dazu führt, nicht verstanden zu werden. Geschieht dies ohne dass es bemerkt und korrigiert wird, kann es zu fatalen Kommunikationsstörungen und Missverständnissen bis hin zum Vertrauensverlust führen. Somit ergibt sich für die Stufe gesagt ist nicht verstanden eine in der Angehörigenkommunikation sehr wichtige Rolle.
Ein Instrument aus CRM, welches solche Kommunikationsstörungen in Bezug auf die Kommunikationstreppe verhindern soll, stellt die Closed-Loop-Kommunikation dar (Rall et al. 2020).
Hierbei wird durch ein aktives Schließen der Kommunikationsschleife sichergestellt, dass
• das, was gemeint wurde, auch gesagt wurde,
• das, was gesagt wurde, auch gehört wurde,
• das, was gehört, auch verstanden wurde und
• das, was verstanden wurde, auch gemacht wurde.
Bei der Kommunikation mit Angehörigen bedeutet dies, dass sich mindestens ein Kommunikationspartner (in der Regel Arzt oder Pflegekraft) der Closed-Loop-Kommunikation bewusst ist, auf eventuell auftretende Störungen achtet und aktiv versucht, diese zu erkennen und zu vermeiden. Aussagen wie »Habe ich Sie richtig verstanden, dass…als Sie sagten…?« oder »Was genau haben Sie gemeint, als sie sagten…« und weitere können in bestimmten Situationen dabei helfen.
Empfehlung 
Literaturempfehlung zum Thema CRM in der Notaufnahme
Rall M, Schmid K, Langewand S et al. (2020) Crew Resource Management (CRM) für die Notaufnahme – Strategien zur Fehlervermeidung und Optimierung der Teamarbeit. Stuttgart: Kohlhammer. ISBN: 978-3-17-035309-1
(Gaba et al. 1994)
(Gaba 1989)
(Haerkens et al. 2015)
1.4 Herausforderung: Patienten- und Angehörigenzufriedenheit
Die Zahl der in Notaufnahmen vorstelligen Patienten mit und ohne Angehörige steigt stetig. Art und Schwere ihrer Erkrankung, persönliche Situationen und auch Begleitumstände sind sehr unterschiedlich. Sprachliche oder anderweitige Verständigungsbarrieren bei z. B. Menschen mit Behinderungen, Demenzkranken oder ausländischen Patienten können gleichermaßen zur Herausforderung im Behandlungsprozess werden wie der Umgang mit Patienten mit unterschiedlichem intellektuellen Niveau oder unterschiedlichem kulturellen Hintergrund. Nicht selten kommen kritische Patienten mit klaren Vorstellungen und Erwartungen in die Notaufnahmen. Einige haben bereits Rat im Internet oder bei Bekannten gesucht und sie vertreten ihre Ansprüche auch selbstbewusst. Alle haben den Wunsch nach möglichst kurzen Wartezeiten, sofortiger Schmerzreduzierung, Kommunikation mit ihnen (und nicht über sie), adäquate Information, kompetente Versorgung, Klarheit und Sicherheit über die weitere Behandlung (Hogan & Fleischer 2016). Entscheidend für die Zufriedenheit von Patienten und Angehörigen ist insbesondere die Wartezeit bis zum ersten Arztkontakt (Welch 2010). Ausschlaggebend ist hier nicht die tatsächliche, sondern die subjektiv wahrgenommene Wartezeit (Boudreaux et al. 2004).
Für eine für Patienten und Angehörige zufriedenstellende Kommunikation ist es hilfreich, Patienten mit ihrem Namen anzusprechen, aktiv und aufmerksam zuzuhören, Patienten ausreden zu lassen, freundlich und empathisch zu sein, auf den äußeren Rahmen zu achten (Diskretion), Loyalität und Verständnis zu zeigen und nichts zu versprechen, was nicht gehalten werden kann (Hogan & Fleischer 2016). Angehörige wollen häufig in den Behandlungsprozess eingebunden werden, was nicht immer sofort und umfassend möglich ist. Hier sind sowohl das Interesse und der Wunsch des Patienten sowie dessen Versorgung als auch die Datenschutz-Grundverordnung und die Schweigepflicht zu berücksichtigen. Der Patient steht im Mittelpunkt. Positiv auf die Zufriedenheit von Patienten und Angehörigen wirkt sich grundsätzlich ein freundlicher, respektvoller und wertschätzender Umgang mit ihnen aus (Hogan & Fleischer 2016).
1.5 Botschaften senden und empfangen
Zur Kommunikation gehört zum einen das Senden einer Nachricht durch den einen Akteur, genauso aber das Empfangen der Nachricht durch den zweiten Akteur. Kommunikation ohne Empfänger ist keine Kommunikation.
Das Sender-Empfänger-Modell der Kommunikation beschreibt diesen Prozess wie folgt: Der Sender einer Nachricht kodiert diese für den Sendeprozess, z. B. indem er diese Nachricht in Worte fasst und ausspricht. Die Übertragung des Gesprochenen wird vom Empfänger dekodiert und dieser wiederum entscheidet nun weiter, was mit der Nachricht passiert.
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