Bleibt bei der Verwertung einer Lebensversicherung beispielsweise der Rückkaufswert um 14,8 % hinter den eingezahlten Beiträgen zurück (= Differenz zwischen Rückkaufswert und eingezahlten Beträgen), 751liegt noch keine Härte i. S. v. § 90 Abs. 3 S. 1 SGB XII vor. 752
Über den Wortlaut des § 90 Abs. 2 Nr. 3 SGB XII hinaus wird auch Vermögen aus der Verwertung einer Lebensversicherung geschützt, wenn es zum behindertengerechten Umbaudes bereits im Eigentum des Rechtsuchenden stehenden Hausgrundstücks dienen soll und diese Verbindlichkeit zumindestens bereits konkret absehbar ist. 753
Beispiel:
Ein 46-jähriger steht im Arbeitsverhältnis und besitzt zwei Lebensversicherungen, der Rückkaufswert beträgt insgesamt 35.000,00 EURO. 754
Bei den Lebensversicherungen handelt es sich vorliegend um einsetzbares Vermögen. Die Schutzregelungen des § 90 Abs. 3 SGB XII greifen vorliegend nicht ein, da die Lebensversicherungen nicht zwingend auf die Altersvorsorge des Rechtsuchenden ausgerichtet sind. Dieser kann vielmehr, selbst wenn er bei normalem Verlauf planen würde, mit ihnen zu seiner Alterssicherung beizutragen, nach deren Auszahlung über die Guthabensbeträge frei verfügen. Sie unterfallen auch nicht dem Pfändungsschutz des § 851c ZPO. Eine Schutzbedürftigkeit liegt hier nur dann vor, wenn die Zahlungen später zwingend in die Altersvorsorge fließen.
Eine Verwertung kann z. B. durch die Aufnahme eines sog. Policendarlehens(= die Rückzahlung ist erst im Zeitpunkt der Auszahlung der Lebensversicherung fällig, es verbleibt so alleine die ihm zumutbare Zinsbelastung) erfolgen.
Die Auflösung eines Bestattungsvorsorgevertrageskann eine unbillige Härte darstellen, da angemessene Mittel zur Deckung der Bestattungskostensowie der Grabpflegeverbleiben müssen. 755Ein derart zweckgerichtetes angespartes Vermögen ist nicht nach § 90 Abs. 2 SGB XII geschützt, 756die Sicherung von diesen Kosten ist nur über die Regelung des § 90 Abs. 3 SGB XII möglich. Die Höhe bemisst sich hier nach den Kosten für eine würdige, schlichte Beerdigung.
Der Einsatz eines umfangreichen Vermögens (hier: 154.000,00 EURO) bedeutet eine besondere Härte, wenn das Vermögen zur Deckung fortdauernder Pflegekostenbenötigt wird. 757
Die Grundrente nach dem OEG (Opferentschädigungsgesetz) zählt nicht zum Einkommen und kann eine besondere Härte darstellen. Betreffend einer Nachzahlung liegt grundsätzlich für ein Jahr ab Zufluss der Nachzahlung bis zur Höhe der Freibeträge gem. § 25f Abs. 2 und 4 BVG eine besondere Härte vor, je nach Zweck können auch weitere Beträge geschützt sein. 758
Bei Vorhandensein eines Kraftfahrzeuges kann ein Härtefall dann gegeben sein, wenn der Rechtsuchende aufgrund seiner Erkrankungen spezielle Mobilitätsbedürfnisse (diese müssen nicht zwingend in einer Erwerbstätigkeit begründet sein) hat und daher nicht generell auf die Nutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln verwiesen werden kann. 759Beruflich sind Kraftfahrzeuge nur zu berücksichtigen, wenn die Arbeitsstelle nicht mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreichbar ist. Die Nutzung eines angemessenen Fahrzeuges muss gerade erforderlich sein, um krankheits- oder behinderungsbedingte Nachteile so weit wie möglich ausgleichen zu können. Hier kann zum Begriff der Angemessenheit des § 12 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 SGB II (Wert: 7.500,00 EURO) herangezogen werden.
Vermögen, welches auf Invaliditätszahlungen der privaten Unfallversicherungberuht, ist von der schadensausgleichenden Funktion und opferbezogenen Merkmalen, insbesondere Eingriffe in das Leben des Unfallopfers, geprägt, und stellt damit grundsätzlich ein Härtefall im Sinne von § 90 Abs. 3 SGB XII dar. 760
8.Möglichkeit der Kreditaufnahme
103Grundsätzlich darf jemand ohne Vermögen nicht darauf verwiesen werden, einen Kredit aufzunehmen . 761Personen, die über kein eigenes Einkommen verfügen, bekommen in der Regel auch keinen reinen Personalkredit.
Hat der Rechtsuchende eine Immobilie und kann er diese alsbald mit einem Kredit belasten und diesen dann auch zurückzahlen, so könnte man eine entsprechende Belastung in Betracht ziehen. 762
Hat der Rechtsuchende ohnehin einen Kredit aufgenommen und wusste er vom bevorstehenden Rechtstreit, so kann er durchaus darauf verwiesen werden, dass er den Kredit noch um einen für die Verfahrenskostenfinanzierung geringfügigen Betrag hätte aufstocken können. 763
Ist in einem absehbaren Zeitraum einsatzpflichtiges Vermögen verwertbar, z. B. in Kürze wird eine Lebensversicherung ausgezahlt, so kann zur Überbrückung die Aufnahme eines Realkredits zumutbar sein. 764
Keine Bedürftigkeiti. S. d. § 114 ZPO liegt jedoch vor, wenn der Rechtsuchende Inhaber eines Unternehmensist, mit diesem am Wirtschaftsleben teilnimmt und über ausreichende wirtschaftliche Bewegungsfreiheit verfügt, um die Prozesskosten aus einer erweiterten Kreditaufnahme zu bestreiten. 765Das gilt ebenso für Unternehmer, die im Rahmen eines ordnungsgemäßen kaufmännischen Geschäftsbetriebes regelmäßig mit Fremdkapital arbeiten und ihre Kreditlinie noch nicht ausgeschöpft haben. 766Hilfe wird nur dann gewährt, wenn der Rechtsuchende glaubhaft macht, dass er ohne die Hilfe insolvent wäre. 767
104 a) Allgemeines.Grundsätzlich stellt der Anspruch auf Prozesskostenvorschussgegen einen Dritten ein Vermögensrecht im Sinne von § 115 ZPO dar 768und könnte die Hilfsbedürftigkeit daher ausschließen. Er setzt das Bestehen einer gesetzlichen Unterhaltspflichtvoraus sowie die Bedürftigkeit des Rechtsuchendenund die Leistungsfähigkeit des Dritten. 769
Im Folgenden werden kurz die Besonderheiten im Beratungshilfsverfahren dargestellt. Wegen weiterer und detaillierter Einzelheiten wird auf den Teil Prozesskostenhilfe (Rn. 466a ff.) verwiesen.
b) Prozesskostenvorschuss im Beratungshilfeverfahren.Fraglich ist, ob ein Prozesskostenvorschuss auch im Rahmen der Bewilligung von Beratungshilfe zum Vermögen zu rechnen ist.
Teilweise wird aus einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs zur Prozesskostenhilfe 770gefolgert, dass eine Vorschusspflicht im Rahmen der Beratungshilfe nicht bestehe, da in §§ 1360 Abs. 4, 1361a Abs. 4 BGB nur von Kosten eines Rechtsstreits die Rede sei. Der Anspruch auf Prozesskostenhilfe sei zudem noch gar nicht entstanden, wenn die Beratungshilfe beansprucht werde. 771
Dagegen sprichtjedoch, dass Beratungshilfe gemäß § 1 Abs. 2 BerHG nur dann bewilligt werden kann, wenn dem Rechtsuchenden Prozesskostenhilfe nach der Zivilprozessordnung ohne einen eigenen Beitrag zu den Kosten zu gewähren wäre. Insofern ist kein Grund ersichtlich, die entsprechende Anwendung der Vorschusspflicht abzulehnen. Insbesondere können dadurch unbillige Ergebnisse verhindert werden, wenn und soweit sich der Vorschussanspruch ohne Schwierigkeiten realisieren lässt. 772Es darf zur Geltendmachung jedoch vorher kein unsicherer Prozess zu führen sein. 773Eine alsbaldige Realisierung kann im Wege der einstweiligen Anordnung gegen den Unterhaltspflichtigen erfolgen. 774
Praxistipp:
Bei stabilen Familienverhältnissen dürfte einem Vorschussanspruch nichts im Wege stehen. Es ist Sache des Rechtsuchenden, evtl. vorliegende Hinderungsgründe schlüssig darzustellen.
Voraussetzungen für eine Vorschusspflicht
– Rechtstreit/Rechtswahrnehmung muss eine wichtige persönliche Angelegenheit des Rechtsuchenden betreffen
– die Auseinandersetzung muss z. B. die Wurzel in der ehelichen Lebensgemeinschaft haben,
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