Bereits erworbene Altersversorgungen von Arbeitnehmern und Beamtengehören nicht zum einzusetzenden Vermögen. Die auf den Heiratsfall der Tochter abgeschlossene Lebensversicherung dient hingegen nicht der eigenen Altersvorsorge und ist daher unter Beachtung des Schonvermögens einzusetzendes Vermögen. 709
Wurden die Ansprüche aus der Lebensversicherung abgetreten, so zählen diese bereits mit Abschluss des Vertrages gem. § 398 Satz 2 BGB nicht mehr zum Vermögen des Rechtsuchenden. 710
99aKommt man nach der obigen Prüfung zu dem Entschluss, dass eine grundsätzliche Verwertbarkeit der Lebensversicherung zu bejahen ist, ist im Rahmen der Prüfung der Verwertungzunächst der einsetzungsfähige Wert der Versicherung festzustellen. Hierbei wird von dem aktuellen Rückkaufswertausgegangen, da dieser dem Verkehrswert zum Zeitpunkt der Beendigung des Vertragsverhältnisses entspricht, bei Kündigung also tatsächlich an den Versicherungsnehmer ausgezahlt wird. Ob der Rückkaufswert hinter den bereits eingezahlten Versicherungsbeiträgen zurückbleibt, spielt hierbei grundsätzlich keine Rolle. 711
Nach vielfacher Meinung ist der Rückkaufswert dann einzusetzen, wenn er den sog. Schonbetraggem. § 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII – ggfs. zusammen mit weiterem verwertbarem Vermögen – so weit übersteigt, dass die Kosten der Rechtsverfolgung hiermit bestritten werden können. 712Dies ist nachvollziehbar, da die Verwertung der Lebensversicherung in der Auszahlung des Rückkaufswertes besteht und somit letztlich ein Geldbetrag i. S. d. § 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII zur Zahlung der Prozesskosten verbleibt. Allerdings muss der nach dem Rückkauf der Versicherung und der Begleichung der Kosten verbleibende Betrag deutlich über dem Schonvermögenliegen. 713Dies gilt insbesondere, wenn mit dem vorzeitigen Rückkauf ein größerer Wertverlust einhergeht und ersichtlich unwirtschaftlich ist. 714
Der mit der vorzeitigen Auflösung der Lebensversicherung verbundene Wertverlustist von dem Rechtsuchenden hinzunehmen. 715Eine Vermögensbildung zu Lasten der Allgemeinheit ist abzulehnen. Der Einsatz von Vermögenswerten ist auch bei einem Wertverlust zumutbar; 716eine Härte i. S. d. § 90 Abs. 3 SGB XIIwird hiermit nicht begründet. 717Es gehört zum allgemeinen Lebensrisiko, dass sich ein finanzieller Bedarf zur vorzeitigen Kündigung ergeben kann, der mit finanziellen Einbußen einhergeht. 718
100Kommt die Prüfung zu dem Ergebnis, dass eine Verwertung der Lebensversicherung möglich ist, so sind je nach Art des abgeschlossenen Vertrages folgende Verwertungsmöglichkeiten denkbar:
– Kündigungund (teilweiser) Einsatz des Rückkaufwertesals verwertbares Vermögen;
– alleinige Auszahlung der Überschussanteile, die im Allgemeinen nur der Laufzeitverkürzung dienen;
– Beleihungder Lebensversicherung in Form eines sog. Policendarlehens, 719welches die Partei nicht belastet, da die Rückzahlung durch Verrechnung bei der Auszahlung der Lebensversicherungssumme erfolgt und insoweit nur durch die Verzinsung Verluste entstehen. Es ist kostengünstiger als ein Bankkredit, die Versicherungsgesellschaft trägt kein Kreditausfallrisiko, da sie lediglich eine Vorauszahlung leistet. Die zusätzliche monatliche Belastung muss tragbar sein. 720Es wird davon ausgegangen, dass die Konditionen, zu denen eine Versicherung beliehen werden kann, in der Regel nicht unwirtschaftlich sind. Sollte eine derartige Beleihung nicht möglich sein, muss der Rechtsuchende konkret und substantiiert darlegen, dass seine Versicherung diese Form der Beleihung nicht anbietet und sie auch nicht bei einem Drittanbieter beliehen werden kann; 721
– befristete Stilllegungdes Vertrags und Zahlung der Kosten anstelle der Versicherungsbeiträge.
Angesichts der im Vergleich zur Prozesskostenhilfe geringeren Kosten der außergerichtlichen Beratung wird es oftmals angemessen sein, die Lebensversicherung im Bereich der Beratungshilfe außer Betracht zu lassen, soweit der Rückkaufswert das Schonvermögen nur gering übersteigt, wobei auch zu bedenken ist, dass es zu Lasten des Rechtsuchenden geht, aus den Sparbeiträgen keine anderweitigen Rücklagen gebildet zu haben.
100aCheckliste – Prüfung, ob eine Lebensversicherung mit Kapitalwahlrecht verwertet werden kann
1. ist die Lebensversicherung für die Altersvorsorge bestimmt?
1.1. die Lebensversicherung muss durch vertragliche Gestaltungfür die Alterssicherung bestimmt sein – Prüfung anhand folgender Kriterien:
1.1.1. Lebensalter des Rechtsuchenden und Laufzeit des Vertrages ( Fälligkeit)
1.1.2. Zweckbindung (Altersvorsorge)– eine bloße Absicht genügt nicht
1.1.3. sonstige Regelungen
2. ist die Verwertung der Lebensversicherung angemessen?
2.1. keine pauschale Verwertbarkeit – immer am Einzelfall zu prüfen
2.2. der Rechtsuchende darf im Rentenalter bei einer Verwertung der Lebensversicherung voraussichtlich nicht sozialleistungsbedürftigwerden
2.3. welche Altersversorgung kann der Rechtsuchende ohneden entsprechenden Anteil der Lebensversicherung insgesamt noch erzielen? – hier ggfs. anhand der entsprechenden Versorgungsleistungen gem. § 42 SGB XII oder anhand der zu berechnenden Entgeltpunkte (bei Rentenversicherungen) beurteilen
2.4. welche zukünftige Erwerbstätigkeiten sind möglich?
2.5. bei selbständig Tätigen: Sicherung der künftigen Altersvorsorge überwiegend durch die Lebensversicherung?
3. Darlegungspflicht des Rechtsuchenden
4. kein Ausschluss der Verwertbarkeit
– z. B. Altersvorsorge der Beamten etc.
5. nur bei Prüfung – Einsatz des Rückkaufswertes
5.1. Besteht ein Rückkaufswert?
5.2. Übersteigt der Rückkaufswert das Schonvermögen i. S. d. § 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII? (Frage der Höhe)
5.3. Ist die Verwertung (Rückkauf) der Lebensversicherung in hohem Maße unwirtschaftlich? (Gegenüberstellung von eingezahlten Beträgen und bereits erworbenen Rückkaufswert)
101Bei Abfindungen ist zunächst zwischen Abfindungen aus Vermögensauseinandersetzungen, Unterhaltsabfindungen und Abfindungen für den Verlust des Arbeitsplatzes zu unterscheiden.
Diese Unterscheidung ist zur Beurteilung, ob es sich hier um einen Vermögenswertoder um Einkommenhandelt, wichtig.
Abfindungen aus Vermögensauseinandersetzungen, Schenkungen, für den Zugewinnausgleich und Erbschaftensind Vermögen. 722Ebenfalls sind Abfindungen für Witwenrenten Vermögen. 723
Bei Abfindungen für den Verlust des Arbeitsplatzesist die Einordnung als Einkommen oder Vermögen umstritten. 724
Zunächst ist nur der tatsächlich zugeflosseneBetrag zu berücksichtigen. 725
Zum Teil wird vertreten, es handele sich um Einkommen, weil die Abfindung anstelle von Lohn oder Gehalt gezahlt werde. Nach dieser Auffassung ist die Abfindung dabei auf den Zeitraum, für den sie gezahlt wird, als Einkommen umzulegen, 726da sie der Aufrechterhaltung der bisherigen wirtschaftlichen Verhältnisse diene. Benutzt der Rechtsuchende diese jedoch für andere Zwecke, so gelten die Grundsätze zum allgemeinen Vermögenseinsatz. Nimmt der Rechtsuchende ein neues Arbeitsverhältnis auf, bevor rechnerisch die auf die Monate umzulegende Abfindung verbraucht ist, wird der noch offene Rest als Vermögenbetrachtet.
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