Eine Verwertung in Form eines Verkaufsist jedoch dann generell unzumutbar, wenn – auch bei einem verbleibenden Erlös – erhebliche Kosten entstehen (z. B. Maklerprovision, Gerichts- und Notarkosten, Mehrkosten bei der Ablösung von Verbindlichkeiten etc.), die weit über den voraussichtlichen Prozesskosten liegen dürften 558und unverhältnismäßig hoch sind. 559Das gleiche gilt, wenn der Verkauf der Immobilie lediglich die noch offenen Verbindlichkeiten ablöst und danach kein weiterer frei verfügbarer Überschuss mehr vorhanden ist. Auch die Hinnahme eines Verkaufs unter Wert, wodurch die damit zu erwartenden finanziellen Einbußen unverhältnismäßig viel höher als die voraussichtlichen Kosten der Rechtswahrnehmung wären, kann dem Rechtsuchenden nicht zugemutet werden. 560
Bestehen Unsicherheiten, ob bei einer Veräußerung ein Erlös erzielt wird, der die vorhandenen Belastungen und Kosten übersteigt, so ist die Immobilie nicht als verwertbar einzustufen. 561
Als mögliche Option kann auch bei entsprechender größerer Fläche über eine mögliche Veräußerung einer Teilflächedes Grundstücks nachgedacht werden, wobei hier natürlich auch die Zumutbarkeit wieder eine Rolle spielt. 562
86bAuch eine Beleihungvon Grundstücken bzw. der Einsatz von Mieteinnahmen ist unter Umständen zumutbar, 563z. B. wenn diese Belastung in Anbetracht des Grundstückwertes und vorrangiger Sicherheiten noch möglich ist und die Gewährung eines Darlehens gegen Bestellung eines Grundpfandrechts zu zumutbaren Konditionen in einem angemessenen Verhältnis steht (z. B. die Restschuld liegt deutlich unter dem Verkehrswert, 564die voraussichtlichen Gerichts- bzw. Rechtsanwaltskosten sind verhältnismäßig gering; 565angemessenes Verhältnis zu den Einkommensverhältnissen 566). Dies gilt auch bei Miteigentumsanteilen einer von dem Rechtsuchenden nicht selbst bewohnten Immobilie. 567Bei entsprechender Möglichkeit ist auch eine Teilvermietungin Betracht zu ziehen. 568
Kann der Rechtsuchende dagegen weder die Zins- noch Tilgungsbelastung aufbringen, kann er nicht auf eine Beleihung verwiesen werden. 569Dies kann z. B. der Fall sein, wenn die aktuellen Einkommensverhältnisse offensichtlich nicht geeignet sind, ein weiteres Darlehen überhaupt aufzunehmen und der Rechtsuchende auch die entsprechenden Darlehensraten nicht zahlen kann. 570
Wenn der Rechtsuchende mit seiner Familie ein Zwei-Familien-Haus bewohnt, so wird auch dieses Objekt dem Schutz unterfallen. 571Jedoch ist hier insoweit eine Beleihungsmöglichkeit zu prüfen.
Grundsätzlich sind in allen Fällen in diesem Zusammenhang auch die Beleihungsgrenzen der Bankenzu beachten. Oftmals orientieren sich die Bankinstitute bei der Frage nach der Beleihungsgrenze an den Vorgaben der §§ 14, 16 PfandBG, 572wonach 60 Prozentdes aufgrund der Wertermittlung festgesetzten Wertes des Grundstücks als Höchstgrenzeangenommen und nur bei besonderen Umständen überschritten wird. 573
87Vermögen, welches erst zum Erwerb eines Hauses bestimmt ist, zählt nicht zum Schonvermögen. 574Etwas anderes gilt, wenn das Vermögen nachweislich zur baldigen Beschaffung oder Erhaltung eines Hausgrundstücks bestimmt ist, soweit dies Wohnzwecken von Menschen mit erheblichen Teilhabeeinschränkungen (§ 99 SGB IX) oder pflegebedürftiger Menschen (§ 61 SGB XII) dient oder dienen soll (sh. auch Rn. 90). 575
Ist der Rechtsuchende aus seiner Wohnung ausgezogen, bewohnt diese jedoch noch der getrennt lebende Ehegatte, so ist diese nicht zu verwerten, solange es möglich erscheint, dass sich die Eheleute wieder versöhnen und der Rechtsuchende in die Ehewohnung zurückkehrt. 576Hier kommt es auch auf die bereits vorliegende Trennungszeit sowie die weiteren Umstände an. Vor Ablauf des Trennungsjahres hat das Grundstück seine Eigenschaft als Familienheim noch nicht verloren. Letztlich ist hier ja auch noch nicht absehbar, wie das Familiengericht entscheidet.
Muss der Eigentümer des Hausanwesens ins Pflegeheim, so muss der Ehepartner das Haus nicht aufgeben. Ist der Rechtsuchunde nur vorübergehend außerstande (z. B. Krankenhausaufenthalt), sein Hausanwesen zu bewohnen, so entfällt insoweit nicht der Schutzzweck. Bewohnt dagegen der Rechtsuchende auf unbestimmte Zeit nicht mehr sein Hausanwesen, so entfällt der Schutzzweck, z. B. bei einer dauernden Aufnahme in einer Pflegeeinrichtung.
Der durch die Veräußerung des früheren Familienheims erlangter Verwertungserlösist regelmäßig einzusetzendes Vermögen. 577Dieser ist auch für schon entstandene Prozesskosten einzusetzen, wenn die Partei damit ein neues angemessenes (privilegiertes) Hausgrundstück erworben hat. 578
Zur Deckung der Kosten kann von dem Rechtsuchenden auch verlangt werden, ein noch selbst genutztes Anwesen einzusetzen, wenn sicher abzusehen ist, dass es in absehbarer Zeit zu dessen Veräußerung kommen wird. 579
Beispiel:
Der Rechtsuchende besitzt als Immobilienvermögen:
a) eine selbst bewohnte Eigentumswohnung und
b) ein unbelastetes Einfamilienhaus im Wert von 286.000,00 EURO.
Das unbelastete Einfamilienhaus ist grundsätzlich kein Schonvermögen, aber im vorliegenden Fall besteht eine notarielle Verpflichtung gegenüber dem Ehepartner (dieser hat den Kaufpreis gezahlt), das Grundstück ohne dessen Zustimmung nicht zu belasten oder zu veräußern, da ansonsten die Übertragung des Miteigentumanteils verlangt werden kann. Vorliegend ist der Einsatz des Einfamilienhauses zumutbar, es waren hier Mittel in Höhe von ca. 2.000,00 EURO aufzubringen. 580
Der aus einem Hausverkauf eingehende Erlös zum Ausgleich eines überzogenen Girokontosist kein einzusetzendes Vermögen. 581Bestehen jedoch anderweitige Schulden, die in langfristigen Raten getilgt werden, so ist der nach Ablösung der Finanzierung noch zur Verfügung stehende überschießende Resterlös zunächst auf die Verfahrenskosten zu verwenden. 582Grundsätzlich ist der Rechtsuchende aber dazu verpflichtet, eingehendes Kapital für die Gerichts- bzw. Rechtsanwaltskosten zu verwenden. Deshalb kann ihm fiktives Vermögen zugerechnet werden, soweit er seine Leistungsunfähigkeit böswillig oder mutwillig herbeigeführt hat. Dies wird auch dann angenommen, wenn mit einer eingehenden Zahlung eine Verbindlichkeit weit vor deren Fälligkeit getilgt wird. 583Keine Partei ist nach § 115 ZPO dazu verpflichtet, einen Kontokorrentkredit für die Prozesskosten aufzunehmen. 584
Wurde das Hausanwesen oder die Eigentumswohnung zwangsversteigertund ist dem Rechtsuchenden ein entsprechender Erlös noch zugeflossen, so ist dieser Erlös ebenso wenig wie der Erlös aus einem Verkauf geschützt und als Vermögen einzusetzen. 585Unbeachtlich ist auch der Wunsch des Rechtsuchenden, vorhandenen Grundbesitz völlig unbelastet als späteres Erbe erhalten zu wollen.
Hinweis:
Der Rechtsuchende muss substantiiert unter Glaubhaftmachungseiner Argumentation vortragen, aus welchen konkreten Tatbeständen sich eine Unmöglichkeit der Verwertung oder eine fehlende Beleihungsmöglichkeit ergibt. Dies hat er anhand der oben untersuchten einzelnen Aspekte zu erläutern; 586z. B. warum und aus welchen Gründen die getätigten Bemühungen zur Veräußerung vergeblich waren, aus welchen Tatsachen sich die Unmöglichkeit oder wirtschaftliche Unvernunft ergibt. 587Dies kann er z. B. anhand des Verkehrswertes, der Verwertungskosten, vorliegender Verwertungshindernisse oder auch dem Marktgeschehen vortragen. Insoweit kann er auch einen Nachweis seines möglichen beleihenden Kreditinstituts vorlegen, dass die Immobilie nicht als Sicherheit herangezogen werden kann.
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