Insbesondere im Bereich des Insolvenzrechts fanden die gewichtigsten Änderungen der letzten Jahrzehnte statt. So ist hier das Gesetz zur weiteren Verkürzung der Restschuldbefreiung zu nennen (BT-Drs. 19/25251), welches zwar als unmittelbare Folge der sog. Europäischen Restrukturierungsrichtlinie auf längere Sicht gesehen absehbar war, aufgrund der Pandemie und der daraus erwarteten wirtschaftlichen Folgen jedoch stark vorgezogen wurde. Das Gesetz wurde am 30.12.2020 verkündet und trat rückwirkend zum 1.10.2020 in Kraft. Weiter ist das das Gesetz zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts vom 22.12.2020 zu nennen, welches zum 1.1.2021 in Kraft trat. Dieses Gesetz schafft erstmals in der Bundesrepublik ein vorgerichtliches und außergerichtliches Sanierungsverfahren. Es bleibt abzuwarten, ob sich durch die beiden Reformen im Insolvenzrecht auch Auswirkungen im Beratungshilferecht abzeichnen werden. Zumindest für den außergerichtlichen Einigungsversuch dürfte dies zu einem deutlichen Anstieg an Verfahrenszahlen führen, welcher sich dann auch auf die Anzahl der Beratungshilfeanträge und auch deren Ausgaben niederschlagen wird.
Unser Praxishandbuch wendet sich wie bereits bisher an alle, die im Rahmen der Beratungshilfe sowie der Prozess- und Verfahrenskostenhilfe Berührungspunkte mit diesem komplexen und zum Teil schwer überschaubaren Rechtsgebiet haben. Zum einen soll es diejenigen, die bisher noch keine oder nur sehr wenig Kenntnisse haben, in die Materie der Beratungshilfe einführen und entsprechenden juristischen Sachverstand vermitteln, und bei denjenigen, die bereits Erfahrung auf diesem Gebiet haben, vorhandene Kenntnisse auffrischen und im Detail vertiefen. Die zahlreichen Beispiele, Hinweise und Formulierungsvorschläge sollen helfen, die so erworbenen oder vertieften theoretischen Kenntnisse in der täglichen Praxis einzusetzen. Den Autoren, die alle auf dem Gebiet der Beratungshilfe und Prozess-/Verfahrenskostenhilfe langjährige Praxiserfahrungen haben, ist es ein Anliegen, mit dem Handbuch eine bessere Transparenz bezüglich der einzelnen Verfahrensabschnitte nach den erfolgten umfangreichen Reformen zu schaffen. Bestehende Verständnis- und Akzeptanzschwierigkeiten zwischen den Verfahrensbeteiligten und Behörden sollen durch die klare und verständliche Darstellung beseitigt werden. Im Lichte der Transparenz und Lesbarkeit erlauben sich die Autoren, nachfolgend auf die zusätzliche Nennung der weiblichen Form zu verzichten.
Das Buch richtet sich in erster Linie an Rechtspfleger, Richter, Rechtsanwälte, Steuerberater, Steuerbevollmächtigte, Wirtschaftsprüfer sowie auch an Bürovorsteher und Rechtsanwaltsfachangestellte. Darüber hinaus ist dieses Handbuch auch für alle Behörden, gerade im Bereich der sozial- und familienrechtlichen Angelegenheiten, wie z. B. Jugend- oder Sozialämter, Agenturen für Arbeit oder auch Ausländerbehörden, ein wertvolles Nachschlagewerk im Hinblick auf die Berührungspunkte mit diesen Rechtsgebieten. Das Werk wendet sich zudem aber auch an die Studierenden an den Universitäten und Fachhochschulen sowohl im juristischen als auch sozial-pädagogischen Bereich, um bereits in diesem frühen Stadium der künftigen Tätigkeitsbereiche Grundlagenwissen vermittelt zu bekommen.
Im ersten Teil beschreibt das Buch ausführlich alle Verfahrensabschnitte des gesamten Beratungshilfeverfahrens. Der Leser erhält umfassende und klar strukturierte Informationen über die materiell-rechtlichen Voraussetzungen der Beratungshilfe und die verfahrensrechtliche Umsetzung. Weiterer Schwerpunkt sind die entsprechenden Vergütungstatbestände und das Festsetzungsverfahren. Die Inhalte werden durch viele für die Praxis dienliche Hinweise, Praxistipps, Beispiele und Formulierungshilfen ergänzt. Der zweite Teil des Buches führt den Leser in die Thematik des Prozesskosten- sowie des Verfahrenskostenhilferechts ein. Schwerpunkt der Bearbeitung ist dabei die Darstellung der Voraussetzungen für die Bewilligung der Prozesskostenhilfe/Verfahrenskostenhilfe und der Beiordnung eines Rechtsanwalts. Richter am Bundesgerichtshof Dr. Karsten Schmidt bearbeitet seit der 3. Auflage den zweiten Teil betreffend die Prozess- und Verfahrenskostenhilfe. In der aktuellen Auflage wurde dieser Teil in vielen Bereichen erweitert und teilweise neu gegliedert. Für Kritik, Anregungen und Änderungswünsche sind die Verfasser jederzeit dankbar. Die Gesetzgebung ist bis zum 1.8.2021, die Rechtsprechung, Zeitschriften- und Kommentarliteratur sind bis April 2021 berücksichtigt.
Wir wünschen unseren Lesern auch mit der 4. Auflage eine spannende Lektüre sowie eine für ihre tägliche Arbeit sehr effiziente und effektive Anwendung unserer Ausführungen. An dieser Stelle möchten wir uns insbesondere bei den Leserinnen und Lesern bedanken, die uns für die zurückliegenden Auflagen sehr positive Rückmeldungen und Anregungen gegeben haben und uns damit bei der Entwicklung der jetzigen Auflage unterstützt haben. Für weiteres Feedback und Ergänzungswünsche stehen wir jederzeit gerne zur Verfügung. Unser Dank gilt ebenfalls dem Verlag, der uns diese weitere Auflage ermöglicht hat. Soweit in diesem Buch auf Internetfundstellen und Webseiten Dritter verwiesen wurde, kann für die Richtigkeit und den Inhalt dieser Seiten keine Verantwortung übernommen werden.
Juli 2021
Die Verfasser
Teil 1 Beratungshilfe
Kapitel 1: Einführung
I.Allgemeines
II.Entwicklung der Beratungshilfe
1.Betrachtung der Fallzahlen
2.Gründe für die hohen Ausgaben im Rahmen der Vergütungsfestsetzung
III.Rechtswahrnehmung
1.Was bedeutet die „Wahrnehmung von Rechten“?
2.Abgrenzung zur allgemeinen Beratung
3.Abgrenzung der Beratungshilfe zu der Prozesskostenhilfe
Kapitel 2: Subjektive Voraussetzungen gem. § 1 Abs. 1 Nr. 1 BerHG
I.Allgemeines
II.Ermittlung des einzusetzenden Einkommens
1.Allgemeines
2.Die einzelnen Einkommensarten
a)Arbeitseinkommen
b)Fiktives Arbeitseinkommen
c)Kindergeld
d)Sozialleistungen
e)Sonstige Einkünfte
3.Kein Einkommen
4.Sonderfall Insolvenzverfahren
III.Abzüge vom Einkommen
1.Abzüge gem. § 115 Abs. 1 S. 3 Nr. 1a ZPO
a)Steuern (§ 82 Abs. 2 Nr. 1 SGB XII)
b)Pflichtbeiträge (§ 82 Abs. 2 Nr. 2 SGB XII)
c)Versicherungsbeiträge (§ 82 Abs. 2 Nr. 3 SGB XII)
d)Werbungskosten (notwendige Ausgaben, die mit der Einkommenserzielung verbunden sind, § 82 Abs. 2 Nr. 4 SGB XII)
e)Freibetrag bei ehrenamtlicher Tätigkeit (§ 82 Abs. 2 S. 2 und 3 SGB XII).
2.Erwerbstätigenbonus (Abzug gem. § 115 Abs. 1 S. 3 Nr. 1b ZPO)
3.Freibeträge (Abzüge gem. § 115 Abs. 1 S. 3 Nr. 2a und b ZPO)
4.Unterkunft und Heizung (Abzüge gem. § 115 Abs. 1 S. 3 Nr. 3 ZPO)
a)Mietwohnung
b)Eigenheim bzw. Eigentumswohnung
c)Mehrere Bewohner mit eigenen Einkünften
5.Mehrbedarfe (Abzüge gem. § 115 Abs. 1 S. 3 Nr. 4 ZPO)
6.Besondere Belastungen (Abzüge gem. § 115 Abs. 1 S. 3 Nr. 5 ZPO)
IV.Einsatz des Vermögens
1.Vermögensbegriff
2.Verwertbarkeit und Zumutbarkeit des Vermögenseinsatzes
3.Schonvermögen
a)Kleinere Barbeträge (§ 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII)
b)Hausgrundstücke (§ 90 Abs. 2 Nr. 8 SGB XII)
c)Vermögen aus öffentlichen Mitteln (§ 90 Abs. 2 Nr. 1 SGB XII)
d)Staatlich geförderte Altersvorsorge (§ 90 Abs. 2 Nr. 2 SGB XII)
e)Vermögen zur baldigen Beschaffung oder Erhaltung eines Hausgrundstücks (§ 90 Abs. 2 Nr. 3 SGB XII)
f)Hausrat (§ 90 Abs. 2 Nr. 4 SGB XII)
g)Gegenstände zur Ausübung der Erwerbstätigkeit (§ 90 Abs. 2 Nr. 5 SGB XII)
h)Familien- und Erbstücke (§ 90 Abs. 2 Nr. 6 SGB XII)
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