Unterlassener Arbeitseinsatzist zu berücksichtigen, wenn der Rechtsuchende nach Berufsausbildung, Familienverhältnissen, Alter und Gesundheit ohne weiteres auf eine nach dem Arbeitsmarkt mögliche Arbeitsaufnahme, auch im Hinblick auf die Konjunkturlage und einem ggfs. vorliegenden Fachkräftemangel, verwiesen werden kann. 138
Auf dieser Grundlage ist dann aber auch zu berechnen. 139Die Anrechnung sollte sich auf klare Fälle des Missbrauchs beschränken, 140z. B. wenn kurz vor der Antragstellung eine Arbeitsstelle ohne ersichtlichen Grund aufgegeben wird.
Beispiele:
Der Rechtsuchende arbeitet bereits seit über 20 Jahren im gleichen Malerbetrieb und gibt dieses Arbeitsverhältnis aus ungekündigter Stellung heraus ohne ersichtlichen Grund auf.
Eine Friseurmeisterin im Reisegewerbe gibt an, 230,00 EURO zu verdienen, bezieht aber keine Sozialhilfe und beruft sich darauf, sie müsse zwei Kinder ihres neuen Lebenspartners betreuen. 141
29Eine schuldhaft herbei geführte Bedürftigkeit (z. B. verantwortungslose Aufgabe des Arbeitsplatzes) verdient keinen Schutz und kann die Zurechnung fiktiven Einkommens rechtfertigen. 142Das vor der Kündigung erzielte Einkommen ist dann fortzuschreiben.
Die tatsächlichen Voraussetzungen sind in diesen Fällen dann festzustellen und reale Möglichkeiten zur Arbeitsaufnahme zu prüfen, ggfs. sind durch den Rechtsuchenden konkrete Bemühungen zur erfolglosen Arbeitsaufnahmeschlüssig darzulegen. 143Gibt er an, dass er sich beim Jobcenter arbeitslos gemeldet hat, genügt dies allein nicht zum Nachweis einer konkreten Erwerbsbemühung.
Macht der Rechtsuchende keine Angaben dazu, welche Erwerbsbemühungen er unternommen hat bzw. gerade unternimmt, so können auch hier hypothetische Einkünfte anzurechnen sein. 144
Die Erbringung eines Missbrauchsnachweises dürfte in der Praxis erhebliche Schwierigkeiten bereiten, zumal der Rechtsuchende immer eine gewisse Unwissenheit vorbringen kann.
Übermäßige Anforderungen können nicht daran gestellt werden. 145
Eine Anrechnung käme vor allem dann in Betracht, wenn es sich um einen jungen, gesunden, persönlich und örtlich ungebundenen Rechtsuchenden handelt, der ohne Weiteres eine ihm zumutbare Arbeit aufnehmen könnte und der keiner Erwerbstätigkeit ohne einleuchtenden Grund nachgeht. 146Er muss offensichtlich die ihm zur Verfügung stehenden Erwerbsmöglichkeiten leichtfertig nicht in Anspruch nehmen. Die Tatsache, dass er lediglich einer Teilzeitbeschäftigungnachgeht, reicht für sich alleine gesehen hierfür nicht aus. 147
Der Rechtsuchende, der keine Einkünfte und keine Sozialhilfe bezieht, hat darzulegen und glaubhaftzu machen, wie er seinen Lebensunterhalt finanziert sowie warum sein Lebensbedarf nicht durch die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit gedeckt werden kann. 148
30Bei verschleierten Arbeitsverhältnissenist die Vergütung anhand § 850h Abs. 2 ZPOzu beurteilen 149(jedoch auch hier: Frage der Nachweisbarkeit!), z. B. der Rechtsuchende arbeitet in einem größeren Umfang im Geschäft des Ehepartners mit und bekommt einen nur geringen Lohn und eventuell gewährte Sachleistungen. Er kann dann so gestellt werden, als würde er über ein an die Ausübung seiner Tätigkeit ausgerichtetes Einkommen verfügen.
31Wer Vermögenserträgeaus einem unschwer verwertbaren Vermögen nicht zieht, wird sich so behandeln lassen müssen, als wenn er die daraus üblichen Erträge erzielt (z. B. wer bei vermietbaren Räumen diese leer stehen lässt). Es besteht keine Bedürftigkeit, wenn die Negativeinkünfte aus Vermietung in einem so krassen Missverhältnis zu den ansonsten guten Einkommensverhältnissen stehen. 150
32 c) Kindergeld.Ob und wie laufende Kindergeldzahlungenim Rahmen der Beratungshilfe als Einkommen zu berücksichtigen ist, wird unterschiedlich beurteilt.
Deutsche Staatsangehörige erhalten einkommensunabhängig Kindergeld, wenn sie in Deutschland ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt haben. Auch in Deutschland wohnende ausländische Staatsangehörige können unter bestimmten Voraussetzungen Kindergeld erhalten.
Das Kindergeld wird dabei für Kinder unabhängig von ihrer Staatsangehörigkeit gezahlt, wenn sie in Deutschland oder einem EU-Mitgliedsstaat oder einem Staat des Europäischen Wirtschaftsraumes (z. B. Schweiz) ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt haben.
Bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres wird Kindergeld für alle Kinder gezahlt, darüber hinaus nur unter bestimmten Voraussetzungen (z. B. Kinder in Schul- oder Berufsausbildung).
Das Kindergeld erhält der Elternteil, der das Kind in seinen Haushalt aufgenommen hat. Lebt das Kind nicht in einem Haushalt eines Elternteils, so erhält das Kindergeld derjenige Elternteil, der dem Kind laufend den (höheren) Barunterhalt zahlt. Wird dem Kind von beiden Elternteilen kein laufender Barunterhalt gezahlt, so können die Eltern untereinander bestimmen, wer von beiden das Kindergeld erhält.
Das monatliche Kindergeld beträgt ab Januar 2021 151
– für das erste und zweite Kind jeweils 219,00 EURO,
– für das dritte Kind 225,00 EURO und
– für jedes weitere Kind 250,00 EURO.
Die PKH und damit auch die Beratungshilfe ist Sozialhilfe im Bereich der Rechtspflege. Der Einkommensbegriff des § 115 Abs. 1 S. 2 ZPO knüpft an denjenigen des § 82 Abs. 1 SGB XII an. Die Definition des Einkommensbegriffs ist hier identisch. Auch durch den Verweis auf die vorzunehmenden Abzüge gem. § 82 Abs. 2 und 3 SGB XII wird die Anknüpfung an den sozialrechtlichen Aspekt deutlich.
Laufende Kindergeldzahlungen sinddanach lediglich insoweit i. S. d. § 115 Abs. 1 S. 2 ZPO zum Einkommen eines Elternteilszu rechnen, als es nicht zur Bestreitung des notwendigen Lebensunterhalts eines minderjährigen Kindes (also bis zur Höhe des Freibetrages gem. § 115 Abs. 1 S. 3 Nr. 2b ZPO – evtl. ergänzt um Wohnkostenanteil) zu verwenden ist. 152Der Wortlaut von § 82 Abs. 1 S. 3 SGB XII wird hier betreffend minderjährige Kinderals zutreffende Zurechnungsnorm für die gem. § 115 Abs. 1 ZPO relevante sozialhilferechtliche Einkommensermittlung angewendet. Es wird auch dann als Einkommen des bezugsberechtigten Elternteils berücksichtigt, wenn Kindesunterhalt gezahlt wird. 153
Durch Einbeziehung des § 11 Abs. 1 S. 4 SGB II wird das Kindergeld für unterhaltsberechtigte volljährige Kinder, die in vollständiger oder zumindest temporärer Bedarfsgemeinschaft leben, uneingeschränkt dem Einkommen des Elternteils zugerechnet. 154Dies gilt auch, wenn das Kind schwerbehindert ist. 155
Durch die Einstellung des Kinderfreibetrags in die Berechnung und den Abzug der Wohn- und Heizkosten ist die Deckung des notwendigen Lebensunterhalts des Kindes grundsätzlich gewährleistet.
Mit Rücksicht auf die bestehenden – nach Altersstufen gestaffelten – Unterhaltsfreibeträge kann davon ausgegangen werden, dass damit das Existenzminimum eines Kindes (ohne die Kosten der Unterkunft und Heizung, die ohnehin vom Einkommen des Rechtsuchenden abzusetzen sind) zumindest bis zum vollendeten 14. Lebensjahr gewährleistet ist. 156
Der notwendige Bedarf eines Kindes kann sich in diesem Kontext auch an den Mindestunterhaltsbeiträgen gem. § 1612a Abs. 1 BGB i. V. m. der Mindestunterhaltsverordnungorientieren.
Beispiel: Berechnung des dem Einkommen hinzuzurechnenden Kindergeldes
Freibetrag für das Kind |
311,00 EURO |
(Kind ist 4 Jahre alt) |
abzgl. gewährter Kindesunterhalt |
238,00 EURO |
übrig bleiben (= Lücke): |
73,00 EURO |
|
Kindergeld für das Kind |
219,00 EURO |
abzgl. obiger Lücke |
73,00 EURO |
ergibt: |
146,00 EURO |
Ergebnis:
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