Gerlach Dann berufe ich mich auf diesen Paragrafen 55. Weil ich dann Gefahr laufe, dass Ermittlungsbehörden auf mich aufmerksam werden und dann Ermittlungen gegen mich führen.
Bundesanwalt Diemer Der Zeuge sagte, er macht keine Angaben wegen seines Wertgefüges. Wenn er sich dann auf das bezieht, was sein Anwalt gesagt hat, sind das leere Worthülsen. Er will nicht aussagen wegen seines Wertegefüges – und nicht weil er Angst hat, dass gegen ihn ermittelt wird.
(Götzl liest nun aus den mehrfach angesprochenen Akten der Staatsanwaltschaft Dresden vor. Das Verfahren wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung gegen Mirko Hesse und die Hammerskins wurde eingestellt. Öffentliches Interesse, so heißt es in der Verfügung war nicht gegeben, die Schuld als gering anzusehen. Nach einer Pause verkündet Götzl, der Zeuge könne sich auf sein Auskunftsverweigerungsrecht nach Paragraf 55 StPO berufen, weil er sich bereits mit der Bejahung der Mitgliedschaft bei den Hammerskins eventuell selbst belaste. Nach einer weiteren Diskussion darüber meldet sich Rechtsanwalt Yavuz Narin mit einem Beweisantrag zu Wort.)
Anwalt Narin Der Angeklagte Eminger trägt einen Kapuzenpulli mit der Aufschrift »Brüder schweigen«. Diese Aufschrift steht für »The Order«, eine rechte Terrororganisation, die aus dem Untergrund Anschläge verübt hat. Der Angeklagte bekennt sich damit nicht nur zu einer rechtsterroristischen Vereinigung, es liegt auch eine versuchte Beeinflussung des Zeugen Gerlach vor.
Verteidiger Kaiser Das ist doch ein Biker-Shirt. Die Nebenklage versucht hier, den Prozess zu politisieren.
Anwalt Hoff mann Es ist doch wichtig, wie sich der Angeklagte Eminger heute verhält, wie er sich politisch verhält. »Brüder schweigen« ist Teil eines SS-Treueliedes. Die Hammerskins haben Regularien von Rockern übernommen, auch das Schweigegelübde. Deshalb kann diese Aufschrift auch als Bedrohung angesehen werden.
Verteidiger Klemke Wir sollten erstmal den Zeugen Gerlach befragen, ob er gesehen hat, was der Angeklagte Eminger trägt.
Verteidiger Kaiser Der Zeuge Gerlach hat doch auch schon in erster und zweiter Vernehmung nichts gesagt. Deshalb wäre der Aufruf durch ein T-Shirt doch sinnlos.
Oberstaatsanwältin Greger Wir treten dem Antrag der Augenscheinnahme des Shirts nicht entgegen. Wenn ein Angeklagter so ein Kleidungsstück trägt, ist das ein Statement, das Rückschlüsse auf die aktuelle Gesinnung zulässt und eine mögliche Beeinflussung darstellt. Es kommt nicht darauf an, ob der Zeuge das gesehen hat.
Götzl Sind Sie bereit, das T-Shirt zu zeigen?
Verteidiger Kaiser (nach kurzer Beratung mit Eminger) Er ist bereit, das fotografieren zu lassen. Wie beim letzten Mal und vielleicht bei weiteren Malen, die noch folgen werden.
(Das Kleidungsstück wird fotografiert. Anschließend wird ein Foto des Shirts an die Wand des Gerichtssaals projiziert. Zu sehen ist die Aufschrift »Brüder schweigen«, darunter zwei Motorräder und ein Totenkopf auf dem steht: »bis in den Tod«.)
21. Oktober 2014
Manfred Götzl, Richter. Sitta I., 54, Selbstständige aus Apolda, ehemalige Lebensgefährtin von Hans-Ulrich Müller, der ein wichtiges Glied des Waffentransports der Česká aus der Schweiz nach Jena gewesen sein soll. Sabine R., 46, Kriminalhauptkommissarin beim LKA Baden-Württemberg. Sebastian Scharmer, Anwalt der Nebenklage.
(Die Zeugin schaut zunächst in Richtung Zschäpe- Verteidigung.)
Götzl Bitte schauen Sie in meine Richtung.
Sitta I. Ah, ich hab Sie nicht erkannt.
Götzl Es geht uns um Ihre Beziehung zu Herrn Müller und ob Sie jemals eine Waffe aus der Schweiz nach Deutschland eingeführt haben. Zunächst zu Ihrer Beziehung zu Herrn Müller. Bitte berichten Sie, ob Sie ihn kannten, wie Sie zu ihm standen.
Sitta I. Hans-Ulrich Müller hab ich kennengelernt zwischen 1989 und 1990, die Grenzen wurden gerade aufgemacht. Ich hab mir Westgeld gespart und einen BMW gekauft, der ist kaputtgegangen, musste zu Fuß zur Werkstatt laufen, da war ein Mann, den hab ich angefragt. Das war der Hans-Ulrich Müller. Mein Auto wurde abgeschleppt, er lud mich in die Schweiz ein. Ich hab das angenommen, dann entwickelte sich eine Beziehung in den Tagen. Für mich war das eigentlich abgeschlossen, aber plötzlich stand er da und wollte was geschäftlich aufbauen, einen Autohandel. In den Neunzigerjahren war es so, wir sind nach Apolda gezogen und er brachte seine Sachen aus der Schweiz mit, und wir haben ein Geschäft eröffnet. Der Bedarf war ja da, die Leute waren süchtig nach Westautos, die wurden dann von der Schweiz überführt. Ich hab die Zollfragen gemacht, das waren vier, fünf Jahre. Dann hatte ich in Apolda einen kleinen Werbeladen mit einer Angestellten. Als dann die Mutter von Herrn Müller starb, fuhr er rüber in die Schweiz, nach Thun. Ich bin dann nachgefahren. Da habe ich festgestellt, dass ihn doch meine Angestellte begleitet hatte – und dann ging die ganze Sache in die Brüche, da war fini.
Götzl Hatten Sie weiter Kontakt zu ihm?
Sitta I. Ja, ab und an.
Götzl Wieso haben Sie sich nun an die Polizei gewandt?
Sitta I. In der Schweiz war ich mal bei Herrn Baumann. Im Gespräch mit Müller und einem Bekannten hab ich da gehört, dass er Waffen bestellt hat. Das ist schon ein ganzes Stück her.
Götzl Wer hat Waffen bestellt?
Sitta I. Der Hans-Ulrich Müller.
Götzl Um welche Waffen ging es denn?
Sitta I. Diese Kugelschreiber-Waffen. (Es handelt sich um sogenannte Schießkugelschreiber, die wie Kugelschreiber aussehen, aber scharf schießen können. Einer dieser Kugelschreiber wurde bei Enrico Theile, einem früheren Bekannten von Uwe Böhnhardt, sichergestellt.)
Götzl Wie ging es weiter?
Sitta I. Ja, nix weiter. Die hingen zusammen, und dann wurde irgendwann die Tür zugemacht. Ich hab nie was selber gesehen.
Götzl Kennen Sie Enrico Theile?
Sitta I. Ist mir bekannt. Persönlich weniger, mehr durchs Gespräch mit Hans-Ulrich. Der war ab und zu bei ihm in Jena. Ich wusste nicht konkret, um was es da geht.
Götzl Waren die beiden befreundet?
Sitta I. Ich würde schon sagen.
(Als nächste Zeugin folgt die Kriminalkommissarin Sabine R.)
Götzl Es geht uns um Bezüge der Angeklagten und auch von Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt nach Baden-Württemberg und zum anderen um die Frage, ob sich Frau Beate Zschäpe zur Zeit der Tat in Backnang aufgehalten hat. (Er spielt auf den Mord an Michèle Kiesewetter an.)
Sabine R. Meine Position im Verfahren war die: Ich habe ab 2007 die Soko Parkplatz unterstützt und war dort maßgeblich für die Opferumfeld-Ermittlungen zuständig.
Was Backnang angeht: Da hat es einen anonymen Anruf gegeben. Die Anruferin konnte nicht ermittelt werden, aber die Person, die die Übernachtungsmöglichkeit zur Verfügung gestellt haben soll. Das soll 2011 oder 2012 gewesen, als Frau Zschäpe bereits in Haft saß, auf jeden Fall nicht zur Tatzeit 2007. Es soll eine Litauerin gewesen sein, die aussah wie Beate Zschäpe.
Zu Ludwigsburg: Das BKA hat ein Ermittlungskonzept vorgelegt mit Namen, die man noch mal vernehmen wollte, elf Personen. Die haben wir vernommen, und darüber hinaus auch solche, die auf Bildern abgelichtet waren in einem Privatkeller in Ludwigsburg, da waren zum Teil Beate Zschäpe und Uwe Mundlos und andere abgebildet aus Jena und auch aus Chemnitz. Eine Zeugin hat die Besuche an privaten Daten fix machen können, das konnte man mit ihr relativ genau eruieren und so acht Besuche zwischen 1993 und 2001 herausarbeiten. Die Zeugen sprachen immer vom Trio, aber es hat sich herausgestellt, dass die meisten Besuche wohl durch Uwe Mundlos und Beate Zschäpe erfolgten. Identifiziert auf den Bildern haben die Zeugen auch nur Frau Zschäpe und Herrn Mundlos, Uwe Böhnhardt war nicht drauf.
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