Thomas Breuer - Der letzte Prozess

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In Wewelsburg wird Anton Kottmann, ein alter Mann, der wenige Tage zuvor aus einem Bürener Altersheim verschwunden ist, bestialisch ermordet. Der gerade erst nach Paderborn versetzte Leiter des Kommissariats für Kapitaldelikte, Stefan Lenz, stößt mit seinem Team auf weitere Morde, die innerhalb der Senioren-Residenz verübt wurden, aber bislang als natürliche Todesfälle deklariert worden sind. Dabei ist besonders brisant, dass es in dem Altersheim eine ganze Ebene gibt, die von Frauen und Männern bewohnt wird, die im Dritten Reich in Wewelsburg „die schönste Zeit ihres Lebens“ verbracht und sich deshalb im Alter in der Nähe ihrer Wirkungsstätte niedergelassen haben.
Gibt es einen Zusammenhang zwischen dem Modus Operandi und dem Vorleben der Getöteten?

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Thomas Breuer

Der letzte Prozess

Kriminalroman

Zum Autor Thomas Breuer geboren 1962 in HammWestf hat in Münster - фото 1

Zum Autor

Thomas Breuer, geboren 1962 in Hamm/Westf., hat in Münster Germanistik und Sozialwissenschaften studiert und arbeitet seit 1993 als Lehrer für Deutsch, Sozialwissenschaften und Zeitgeschichte an einem privaten Gymnasium im Kreis Paderborn. Seit 1994 lebt er mit seiner Frau Susanne, seinen Kindern Patrick und Sina, Streifenhörnchen Fridolin und Katze Lisa im ostwestfälischen Büren. Er liebt die Fotografie, die Nordseeinseln und den Darß. Seine zweite Heimat ist Föhr, wo er regelmäßig im Auftrag seiner Hauptfigur Henning Leander neue Kriminalfälle recherchiert, in denen dieser dann ermitteln darf. Mit »Leander und der tiefe Frieden« legte er 2012 seinen Debüt-Roman im Leda-Verlag vor, 2013 folgte »Leander und die Stille der Koje«, 2014 »Leander und die alten Meister«, 2015 »Leander und der Lummensprung« sowie 2016 »Leander und der lange Schatten«. 2018 erschien der Kriminalroman »Der letzte Prozess«.Weitere Projekte sind in Arbeit und in Planung. www.Breuer-Krimi.de

Impressum

Dies ist ein Roman. Die Handlung ist frei erfunden. Abgesehen von einzelnen historischen Personen sind die Figuren fiktiv. Ähnlichkeiten oder gar Übereinstimmungen mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig und nicht beabsichtigt.

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Alle Rechte vorbehalten

1. Auflage 2020

(Originalausgabe erschienen im Leda-Verlag 2018)

Umschlaggestaltung: Katrin Lahmer

unter Verwendung eines Fotos von: © Kreismuseum Wewelsburg

ISBN 978-3-8392-6520-8

Marschliedchen

Ihr und die Dummheit zieht in Viererreihen

In die Kasernen der Vergangenheit

Glaubt nicht, dass wir uns wundern, wenn ihr schreit

Denn was ihr denkt und tut, das ist zum Schreien

Ihr kommt daher und lasst die Seele kochen

Die Seele kocht und die Vernunft erfriert

Ihr liebt das Leben erst, wenn ihr marschiert

Weil dann gesungen wird und nicht gesprochen

Marschiert vor Prinzen, die erschüttert weinen:

Ihr findet doch nur als Parade statt!

Es heißt ja: Was man nicht im Kopfe hat,

Hat man gerechterweise in den Beinen

Ihr liebt den Hass und wollt die Welt dran messen

Ihr werft dem Tier im Menschen Futter hin

Damit es wächst, das Tier tief in euch drin!

Das Tier im Menschen soll den Menschen fressen

Ihr möchtet auf den Trümmern Rüben bauen

Und Kirchen und Kasernen wie noch nie

Ihr sehnt euch heim zur alten Dynastie

Und möchtet Fideikommißbrot kauen

Ihr wollt die Uhrenzeiger rückwärts drehen

Und glaubt, das ändere der Zeiten Lauf

Dreht an der Uhr! Die Zeit hält niemand auf!

Nur eure Uhr wird nicht mehr richtig gehen

Zitat

Wie ihr’s euch träumt, wird Deutschland nie erwachen

Denn ihr seid dumm und seid nicht auserwählt

Die Zeit wird kommen, da man sich erzählt:

Mit diesen Leuten war kein Staat zu machen!

Erich Kästner 1932

»Der Schoß ist fruchtbar noch, aus dem dies kroch!«

(Bertolt Brecht: »Der aufhaltsame Aufstieg des Arturo Ui«, 1941)

1

»Schöne Schweinerei«, stellte Kriminalkommissarin Gina Gladow lapidar fest.

Sie stand vor der Burgmauer in Wewelsburg direkt gegenüber dem Kreismuseum neben Kriminalhauptkommissar Schröder und dem Rechtsmediziner Hermann-Josef Stukenberg und ließ das Szenario auf sich wirken.

»Grießpudding mit Himbeersoße«, sagte Stukenberg und grinste, als Schröder zu würgen begann.

»Ist es das, von dem ich glaube, dass es das ist?« Gina Gladow­ hoffte inständig, dass Schröder ihr nicht auf die hohen Lederstiefel oder, schlimmer noch, auf die Leiche kotzte, und beugte sich etwas vor, als müsse sie die Bescherung aus nächster Nähe unter die Lupe nehmen.

Der Gerichtsmediziner nickte. »Gehirnmasse und Blut.« Er deutete auf einen Felsbrocken, der nur dreißig Zentimeter entfernt auf dem Pflaster lag und deutliche schwarzrote Flecken aufwies. »Der Klöpper da hat ihm die Schädeldecke zermatscht.«

Das war zu viel für Schröder. Er drehte sich um und hastete laut würgend in Richtung der Rasenfläche vor der gegenüber liegenden Kirche davon.

Kopfschüttelnd blickte Stukenberg ihm nach. »Dein Kollege hat wohl heute einen schwachen Magen.«

Gina Gladow antwortete nicht und trat noch etwas näher an die Matsche heran, die von den Kriminaltechnikern unter dem Felsbrocken freigelegt worden war. Unglaublich, dass das Geschlabber einmal ein menschliches Gehirn gewesen war. Der Geruch war nicht eindeutig zu identifizieren: Das Metallische des Blutes war bestimmend, aber auch eine süßliche Note und ein etwas fauliger Unterton waberten in der Luft. Die Masse hatte eine stückige Konsistenz, die nicht nur von den zahllosen Knochensplittern ausging, und ein Farbdurch­einander von käsigen Gelb- und glänzenden Rottönen. An den Rändern war das Blut braunschwarz verkrustet.

Wie nicht dazugehörig lag ein dürrer Männerkörper in einem zerrissenen, blutdurchtränkten Hemd ausgestreckt daneben. Das Opfer musste sehr alt sein, das erkannte Gina Gladow nicht nur an den spärlichen Resten grauer Haare in der Gehirn-Blut-Matsche, sondern auch an der dürren Gestalt, die wie hingegossen auf dem Kopfsteinpflaster lag, und an der geradezu durchsichtigen faltigen Pergamenthaut.

Ein Kriminaltechniker machte Fotos mit seiner Digital­kamera aus allen Positionen um den Toten herum und überprüfte die Ergebnisse auf dem Display. Er nickte zufrieden und entfernte sich dann wortlos zu seinem Einsatzfahrzeug.

»Schon gesehen?«, fragte Hermann-Josef Stukenberg. Der Gerichtsmediziner deutete auf die völlig zermalmten Hände des Toten.

Gina Gladow hockte sich so dicht wie möglich neben die Leiche und sezierte die zermalmten Knöchelchen mit den Augen. Da war wirklich kein Glied mehr an dem anderen und kein Gelenk in funktionstüchtigem Zustand. »Auch von dem Steinklotz?«, erkundigte sie sich über die Schulter hinweg.

»Nee, sieht eher danach aus, als habe sich jemand mit seinem Stiefel ausgetobt.« Der Gerichtsmediziner hockte sich neben sie und deutete auf etwas neben der Leiche. »Hier im Blut ist ein Teilabdruck der Sohle zu erkennen. Treckingschuh oder Bergstiefel, schätze ich. Vielleicht auch ein Bundeswehrstiefel. Dürfte ein Leichtes gewesen sein, die morschen Knochen damit zu zermalmen.«

»Übertötung?«

»Eher Folter.«

Gina Gladow nickte. So etwas hatte sie sich schon gedacht, als sie die Striemen unter dem zerfetzten Hemd des alten Mannes gesehen hatte. »Passt zu der Neunschwänzigen Katze, mit der sich der Täter offenbar vergnügt hat«, stellte sie fest. »Daran, dass hier der Tatort ist, besteht ja wohl kein Zweifel, oder?«

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