Götzl Können Sie sich an einen Badeunfall erinnern?
J.S. Ja, wir haben zusammengesessen und ein Spiel gespielt. Wir haben gesehen, dass eine Tauchschule mit Kindern tauchen geht. Zwei Kinder sind ertrunken, große Katastrophe.
Götzl Wie haben sich die drei verhalten?
J.S. Liese und ich sind ein bisschen näher rangegangen an den Unfall. Dann kamen viele Krankenwagen und die Polizei. Als Presse kam, um Campingplatzbewohner zu interviewen über den Unfall, sind sie ganz schnell in den Wohnwagen gerannt.
Götzl Sie waren vorhin emotional sehr bewegt. Was ist der Grund?
J.S. Über die Jahre hat sich schon eine enge Freundschaft aufgebaut. Es war eine besondere Beziehung. Fast wie Ersatzeltern. Und als ich dann die Nachrichten gesehen hab, ist für mich eine Welt zusammengebrochen. Ich kann es bis heute nicht begreifen: Ich habe den dreien hundertprozentig vertraut und dann gemerkt, dass sie mich von vorne bis hinten belogen haben. Ich frage mich: Mochten sie mich wirklich oder haben sie mich die ganze Zeit verarscht?
(Die Zeugin J.S. blickt flehentlich zu Zschäpe, aber die schaut sie nicht an. Auch die nächste Zeugin lernte das Trio an der Küste kennen.)
K. M. Im Sommer 2007 haben wir die drei kennengelernt und dann die nächsten fünf Jahre miteinander Urlaub gemacht. Es war eine eingeschworene Urlaubsgemeinschaft. Wir haben dort drei völlig offene, nette Menschen kennengelernt. Es war nicht vorstellbar, dass sie einer Ameise oder Fliege was getan haben. Keiner hätte je gedacht, dass das so ausgeht. Frau Zschäpe war immer so ein Zwischending zwischen Freundin und Mutter. Uwe Böhnhardt war der Ruhigere. Der am meisten aus sich rausgegangen ist, war Uwe Mundlos, das blühende Leben, immer wortgewandt, hat den Kontakt zu uns gesucht. Es war eine humorvolle Runde.
Götzl Bei der Polizei haben Sie laut Protokoll angegeben, Sie hätten auch mehrfach über Ihre politische Einstellung gesprochen.
K. M. Kann sein, aber ich glaube, sie haben dann sehr schnell abgelenkt. Liese, also Frau Zschäpe, verhielt sich neutral.
Götzl Worüber haben Sie geredet?
K. M. Wenn ich über Politik rede, dann ist es das Problem mit rechts. »Schrei nach Liebe« – eine Hymne gegen rechts von den »Ärzten«. Aber das war dann schnell vom Tisch. Ich habe eine Tasche mit einem Aufnäher »Gegen Nazis«, mit einer Faust gegen das Hakenkreuz. Die drei wussten definitiv von meiner politischen Einstellung.
Götzl Haben Sie die Tasche damals auch getragen?
K.M. Ja.
Götzl Haben Sie eine Reaktion feststellen können?
K.M. Nein.
Verteidiger Stahl Sie sagten, Sie hätten mit Frau Zschäpe »Die Ärzte« gehört. Nur gehört?
K. M. Ich hatte auch meine Akustikgitarre dabei und ein »Ärzte«-Liederbuch. Frau Zschäpe hat mitgesungen, sie kannte die Texte.
23. Juli 2014
Manfred Götzl, Richter. Andreas Rachhausen, 42, selbstständiger Bauleiter aus Saalfeld-Rudolstadt. Herbert Diemer, Vertreter der Bundesanwaltschaft. Thomas Bliwier, Anwalt der Nebenklage.
(Zunächst teilt der Richter mit, weshalb ein weiterer Zeuge, der Uwe Böhnhardt aus Jugendtagen kannte, heute nicht erschienen ist.)
Götzl Der Zeuge erklärte, er sei bis Nürnberg gefahren. Da sei ihm schwindlig geworden. Seinen guten Willen habe er gezeigt, er könne das Ticket vorzeigen. Er brauche jetzt eine Wirtschaft und was zu trinken. Am Montag beginne seine Therapie.
Diemer Ich denke, wir müssen den Zeugen vorführen.
Götzl Ja.
(Der Zeuge Andreas Rachhausen nimmt Platz. Er hat einen Zeugenbeistand an seiner Seite, den Anwalt Thomas Jauch, der immer wieder Rechtsextremisten vertreten hat.)
Götzl Es geht uns um Kontakte zu Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos vor 1998 und möglicherweise danach. Und auch um Kontakte zu den Angeklagten hier.
Rachhausen Also, die Kontakte waren eher flüchtiger Natur. Keine persönlichen Kontakte, bestenfalls mal »Guten Tag« und »Guten Weg«. Nach 1998 gab es Kontakte zu Herrn Wohlleben. Das war’s dann schon.
Götzl Können Sie uns das genauer schildern?
Rachhausen Ich bin 1997 im ersten Quartal aus der Haft entlassen worden. Davor war ich viel unterwegs oder in Verwahrung. Es gab keine Möglichkeit, Kontakte zu haben. Erst danach. Im Wesentlichen traf man sich in der Gaststätte Heilsberg. Das war ein bekannter Treffpunkt für Leute der rechten Szene. Ob man will oder nicht, lernt man Leute kennen, zwangsläufig.
Götzl Haben Sie Anfang 1998 Informationen über Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt bekommen?
Rachhausen Es wurde natürlich gesprochen oder gemunkelt, die Bombenbastler aus Jena, das war ein geflügeltes Wort, davon habe ich was mitbekommen.
Götzl Was haben Sie mitbekommen?
Rachhausen Dass Bombenattrappen abgelegt worden sein sollen.
Götzl Haben Sie gehört, ob die drei geflüchtet sind?
Rachhausen Hab mal gehört, dass die weg sind.
Götzl Können Sie das noch einordnen?
Rachhausen Nein, nicht mal aufs Jahr. Kann genauso gut aus der Presse gekommen sein.
Götzl Da gefällt mir Ihr Aussageverhalten jetzt nicht, das muss ich Ihnen ehrlich sagen!
Rachhausen Ich möchte Ihnen auch keinen Unsinn sagen. Die Beamten beim BKA haben mich gedrängt, über Böhnhardt und Mundos was zu sagen. Ich habe dann nur verlautbart, was man schon aus Presse und Funk wusste. Die Beamten sagten, das sei so okay.
Götzl Haben Sie was mitbekommen von der Flucht?
Rachhausen Ja, ich habe einen havarierten Kleinwagen transportiert, von dem ich vor, nach oder während des Transports erfahren habe, dass die drei (er meint Mundlos, Böhnhardt, Zschäpe) sich mit dem bewegt haben.
Götzl Schildern Sie mir, was Sie gemacht haben!
Rachhausen Ich habe einen Anruf von Herrn Kapke bekommen, ob ich die Möglichkeit hätte, ein Auto zu verladen mit meinem Anhänger. Ich habe mich mit Herrn Wohlleben getroffen in Jena, dann sind wir gemeinsam zur A4 bei Dresden gefahren und haben das Fahrzeug abgeholt.
Götzl Was ist mit dem Fahrzeug geschehen?
Rachhausen Wurde nach Jena gebracht.
Götzl Und was ist dann damit geschehen?
Rachhausen Das weiß ich nicht mehr.
Götzl Sie und Herr Wohlleben waren da unterwegs?
Rachhausen Ja.
(Sein Handy läutet.)
Götzl Würden Sie das bitte so gestalten, dass hier keine Störungen auftreten! – Wie gut kannten Sie damals Herrn Wohlleben?
Rachhausen Den kannte ich im Gegensatz zu Herrn Kapke nicht wirklich. Habe höchstens »Guten Tag« gesagt. War relativ fremd bei dieser Abschleppgeschichte.
Götzl Welche Rolle spielte er denn dabei?
Rachhausen Er wusste, wo das Fahrzeug steht. Er wurde mir beigestellt als Hilfe.
Allein ist das so eine Sache, ein Fahrzeug abzuschleppen.
Götzl Wie war Ihre politische Einstellung damals?
Rachhausen Ich hatte damals auch eine rechte politische Einstellung.
Götzl Was waren Ihre politischen Vorstellungen?
Rachhausen Der Kampf um das biologische Überleben unseres Volkes.
Götzl Können Sie mir das näher darstellen?
Rachhausen Deutschland schafft sich ab.
Götzl Wie macht Deutschland das Ihrer Meinung nach?
Rachhausen Da gibt es nichts zu erklären, ich habe heute andere Probleme.
Götzl Sie weichen mir aus.
Rachhausen Ich weiche doch gar nicht aus.
Götzl Sie bedienen mich mit Schlagwörtern.
Rachhausen Ich dachte, nach Ende der DDR wäre es richtig, mich zu engagieren, um politische Veränderungen herbeizuführen.
Götzl Wie sollte das erfolgen?
Rachhausen Ein Nationalstaat sollte errichtet werden auf demokratische Weise.
Götzl An was haben Sie da gedacht?
Rachhausen Ich bin kein Politiker, und als ich gemerkt habe, dass ich es nicht bin, habe ich davon abgelassen. Meine Vorstellungen tun doch gar nichts zur Sache.
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