(Die Befragung des Zeugen Brandt vom Vortag wird fortgesetzt. Dabei geht es um den NPD-Politiker und bereits verstorbenen Rechtsanwalt Hans Günter Eisenecker, der die Untergetauchten anwaltlich vertreten sollte. Den Kontakt zu ihm soll damals Brandt vermittelt haben.)
Brandt Eisenecker war ja Anwalt, dementsprechend hat er sich zu Mandanten nicht weiter geäußert. Ich hatte ihm erklärt, was vorgefallen war, dass die untergetaucht sind und sie nach Hause wollen, und da man die anderen Anwälte nicht einschätzen konnte, wollte man lieber einen Szeneanwalt haben.
Götzl Wissen Sie, wie die Sache ausgegangen ist?
Brandt Nein, nachdem er das Mandat hatte, hat er sich nicht mehr dazu geäußert.
Götzl Haben Sie mal mit Wohlleben darüber gesprochen?
Brandt Weiß ich nicht mehr.
Götzl Dem Verfassungsschutz sollen Sie berichtet haben, dass Ralf Wohlleben mitgeteilt habe, man habe dem Rechtsanwalt Eisenecker keine Akteneinsicht gewährt. Deshalb die Frage, ob Sie mit Wohlleben über Eisenecker und den Gang der Dinge gesprochen haben.
Brandt Demnach schon. Ich hätte mich jetzt nicht daran erinnert. Wir Thüringer wollten ja, dass die zurückkommen, die drei. Mir persönlich war das damals eigentlich auch wichtig. Wir waren davon ausgegangen, dass ein Szeneanwalt da vielleicht etwas bewerkstelligen kann.
Götzl Wissen Sie, ob Sie mit Herrn Wohlleben über eine Unterbringung der Untergetauchten im Ausland gesprochen haben?
Brandt Das war ja immer Thema. Entweder man guckt, bis es verjährt ist, oder bringt sie unter, wo die Verfolgungsorgane keinen Zugriff haben. Wobei das Hauptaugenmerk für uns drauf lag, dass sie zurückkommen, weil sie ja durchaus gefehlt haben.
Verteidiger Stahl Sie sagten gestern, Frau Zschäpe sei keine dumme Hausfrau gewesen. Wie war das, wenn sie mitdiskutiert hat?
Brandt Das waren Diskussionen über das Germanentum. Da hat sie sich eingebracht. Bei politischen Grundsatzdiskussion war sie nicht dabei.
Verteidiger Stahl Was hat Sie zu dem Vergleich »keine dumme Hausfrau« bewogen?
Brandt Wir hatten auch Skinhead-Girls, die alles nachgesprochen haben, was andere von sich gegeben haben. Die in jeder Diskussion fehl am Platze waren. Das war sie nicht. Sie hatte schon Ahnung von Politik.
Verteidiger Stahl Aber Ihre Umschreibung muss ich nicht gleichsetzen mit: Sie war Meinungsbildnerin?
Brandt Nein.
Verteidigerin Sturm War Frau Zschäpe auch bei den Mittwochsstammtischen?
Brandt Ab und zu.
Verteidigerin Sturm Gab es dort Diskussionen über Germanentum?
Brandt Nein, da kam man zum Biertrinken hin. Wie ein Stammtisch von Skatbrüdern.
Verteidigerin Sturm Wo haben Sie Frau Zschäpe so erlebt, wie Sie sie hier geschildert haben?
Brandt An einzelne Veranstaltungen kann ich mich nicht mehr erinnern.
Verteidigerin Sturm Können Sie einschätzen, welche Rolle und Intensität in den Gesprächen mit dem Verfassungsschutz die Suche nach den dreien gespielt hat?
Brandt Am Anfang haben die mächtig aufgedreht in die Richtung, dann ist es eigentlich wieder in Vergessenheit geraten.
Verteidigerin Sturm Was heißt aufgedreht?
Brandt Ja, mit Extrageld. Und ich habe da gesagt, da muss ich nachhaken, und das gefährdet mich als Person, wenn ich mich da zu sehr einbringe in die Geschichte. (Nach der Mittagspause gibt Richter Götzl eine Erklärung ab.)
Götzl Ich gebe bekannt, dass Herr Polizeiobermeister W. mich in der Mittagspause informiert hat, dass Frau Zschäpe kein Vertrauen mehr in ihre Verteidiger habe. Ist das richtig, Frau Zschäpe?
Zschäpe (nickt)
Götzl Dann weise ich Sie darauf hin, dass Sie das etwas näher darlegen müssten. Eine Voraussetzung für die Entbindung der Pflichtverteidiger müsste eine nachhaltige Störung des Vertrauensverhältnisses sein. Wir werden jetzt unterbrechen.
22. Juli 2014
Manfred Götzl, Richter. J.S., 21,Studentin aus Niedersachsen. K.M., 21, Abiturientin aus Niedersachsen. Wolfgang Stahl, Verteidiger von Beate Zschäpe
(Beate Zschäpe ist sehr blass. Es ist das erste Mal, dass ihre Anwälte sie mit ihren Roben nicht vor den Fotografen abschirmen. Sie halten Abstand zueinander, reden kein Wort miteinander. Zunächst verkündet Richter Götzl einen Beschluss zu einem Thema, das ihn ein ganzes Jahr nicht mehr loslassen wird: Beate Zschäpe hatte am vorigen Verhandlungstag erklärt, sie vertraue ihren Anwälten nicht mehr. Sie hat mittlerweile auch schriftlich beim Gericht beantragt, ihre Verteidiger zu entpflichten.)
Götzl Mit Verfügung vom 21. Juli ist der Antrag der Angeklagten Zschäpe, die Bestellung der Verteidiger zu widerrufen, abgelehnt worden. Eine Begründung, dass konkrete und hinreichende Anhaltspunkte vorliegen, dass das Vertrauensverhältnis zu den Verteidigern endgültig und nachhaltig gestört ist, ist in der Erklärung von Frau Zschäpe nicht enthalten. Dann setzen wir in der Hauptverhandlung fort.
(Die beiden Zeuginnen an diesem Tag sind noch immer traumatisiert und werden zum Teil psychologisch betreut.)
Götzl Berichten Sie uns doch, wie Sie Ihre Bekannten auf Fehmarn kennengelernt haben. Und wenn Sie eine Pause brauchen, sagen Sie einfach Bescheid.
J.S. (weint) Ich war mit meinen Eltern und meiner Schwester im Urlaub. Und eines Tages sind die drei zu meinen Eltern gekommen und haben gefragt, ob sie Doppelkopf spielen wollen. Von dem Tag an haben wir immer mehr miteinander gemacht. Zusammen gefrühstückt, zum Spielen zusammengesetzt, Musik gehört, das Fehmarn-Lied, ins Kino, bummeln, beim Reiten, drei Wochen lang. Zusammen abends gegrillt oder im Restaurant. (Schluchzt.) Getrunken, gequatscht.
Götzl Können Sie sagen, von welchen Jahren Sie sprechen?
J.S. Ja, 2007 bis 2011.
Götzl Unter welchen Namen haben Sie die genannten Personen kennengelernt?
J.S. Beate Zschäpe kenne ich unter Lieschen oder Liese. Und die beiden Männer unter Max und Gerry.
Götzl Mit wem hatten Sie am meisten Kontakt?
J.S. Eigentlich mit allen dreien gleich viel. Aber Persönliches ausgetauscht habe ich am meisten mit Lieschen.
Götzl Können Sie das Verhalten der drei Personen beschreiben?
J.S. Die drei haben in einem Wohnwagen zusammengewohnt, zusammen eingekauft. Liese hat für alle drei gezahlt. Sie kannten sich schon sehr lange aus der Jugend. Sie wussten alles voneinander. Max war ein Spaßvogel. Mit meinem Vater hat er aber auch ernste Gespräche über Technik geführt. Gerry war etwas ruhiger. Liese war wie eine Freundin, mit der man auch persönliche Anliegen besprechen konnte, wie Eltern und Schule. Alle drei waren so herzlich!
Götzl Was haben Sie von den drei Personen über ihr Leben erfahren?
J. S. Ich wusste, dass sie in Zwickau wohnen. Dass Gerry Kurierfahrer ist und Max was mit Informatik und Computern macht. Von Liese weiß ich gar nichts beruflich.
Götzl Hatten Sie auch außerhalb der Urlaubszeit Kontakte?
J. S. Die ganze Familie hatte die Handynummer von Lieschen, über die wir sie immer erreichen konnten.
Götzl Kam es auch zu persönlichen Treffen?
J. S. Zu meinem Geburtstag habe ich die drei eingeladen. Sie sind mit dem Auto zu uns gefahren und haben bei uns übernachtet. Und es gab noch weitere Treffen, als Überraschung haben sie bei uns geklingelt, wenn sie auf dem Weg zu Freunden waren.
Götzl Haben Sie auch mal über Waffen oder Bomben geredet?
J. S. Sie haben erzählt, dass sie in ihrer Jugend eine Bombe gebaut haben. Und sie haben mir erklärt, wie man das macht. Ich meine, es war Gerry, der meinte, geht doch ganz einfach: drei Zutaten – welche habe ich mir nicht gemerkt –, die machst du mit dem Mörser klein, dann stehenlassen und nach so und so vielen Tagen kannst du daraus was bauen.
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