Götzl Doch, sonst würde ich Sie nicht danach fragen. Sagt Ihnen der Name Rosemann etwas?
Rachhausen Ja. Anfang der 90er-Jahre habe ich ihn kennengelernt. Er war aktiv in der rechten Szene in Saalfeld-Rudolstadt.
Götzl Ist er ein Freund von Ihnen?
Rachhausen Er war damals ein Freund von mir. Ich habe zu Herrn Rosemann sehr lange keinen Kontakt mehr.
Götzl In seiner Vernehmung sagte er, er habe mit Ihnen den Peugeot abgeholt. Dieser habe der Mutter von Ralf Wohlleben gehört, aber er sei damit gefahren. Was sagen Sie dazu?
Rachhausen Da kann man mal sehen, was ein menschliches Gehirn so machen kann, wenn das so stimmt.
Anwalt Bliwier Es geht noch mal um Ihre Zusammenarbeit mit dem Verfassungsschutz in Thüringen. Sie sagten, Sie seien von einer Person abgepasst worden nach dem Abschleppen.
Rachhausen Ich bin mir heute ja gar nicht mehr so sicher, wer mich alles befragt hat. Ich erinnere mich nicht, ob es ein Verfassungsschützer war oder ein Polizist oder ein Dritter.
Anwalt Bliwier Hatten Sie denn damals schon Kontakt zum Verfassungsschutz, als das mit dem Abschleppen war?
Rachhausen Der Erstkontakt war im März 97, in der JVA Gotha.
Anwalt Bliwier Schildern Sie das mal!
Rachhausen Weil man Langeweile hat, ich dachte, ich gucke mir das an. Es kamen zwei Personen, Mitarbeiter einer Behörde des Thüringer Innenministeriums. Sie fragten, ob ich Einblicke in die Jugendszene gewähren könnte. Es ging gar nicht um Rechtsradikalismus.
Anwalt Bliwier Gab es weitere Kontakte?
Rachhausen Ja, der nächste Kontakt war vor meiner Hauseingangstür, da haben sie mich abgepasst.
Anwalt Bliwier Haben Sie Geld bekommmen? Wie viel?
Rachhausen Keine Erinnerung.
Anwalt Bliwier Da glaub ich Ihnen kein Wort.
Rachhausen Mindestens drei Mal hab ich Geld bekommen. Über 1000 D-Mark. Einmal hab ich es quittiert.
29. Juli 2014
Manfred Götzl, Richter. Thomas Rothe, 44, wohnt in Chemnitz, derzeit arbeitslos. Maik Eminger, 34, Tätowierer aus Grabow, Zwillingsbruder des Angeklagten André Eminger. Wolfgang Stahl, Verteidiger von Beate Zschäpe. Olaf Klemke, Verteidiger von Ralf Wohlleben. Alexander Hoffmann, Anwalt der Nebenklage.
(Der Zeuge Thomas Rothe hat bereits an Tag 100 ausgesagt, Götzl hat noch weitere Fragen.)
Götzl In dem Protokoll Ihrer polizeilichen Vernehmung heißt es, Sie hätten Beate Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt auf »Partys« kennengelernt.
Rothe Richtig kennengelernt habe ich sie nur, wo sie bei mir waren und gewohnt haben. Vorher eher flüchtig, mir ist es jedenfalls nicht so bewusst gewesen.
Götzl Dann heißt es hier: »Ich habe erst kurz vor ihrem Auszug bei mir davon erfahren, dass die drei untergetaucht sind.«
Rothe Kann ich mich nicht erinnern, dass ich das gesagt habe.
Götzl Das erste Zusammentreffen nach dem Auszug der drei – wie waren da die Umstände?
Rothe Ich habe die durch Zufall getroffen beim Fahrradfahren im Stadtpark, da ist der Kontakt wieder aufgefrischt worden.
Götzl Wer war dabei?
Rothe Die zwei Kerle bloß.
Götzl Hier heißt es im Protokoll, Sie hätten Uwe Mundlos mal im Heckert-Gebiet getroffen.
Rothe Ja, Stadtpark und Heckert, das ist fast das Gleiche.
Götzl Sie hätten Computerspiele und Filme getauscht.
Rothe Ja, wie ich’s letztes Mal schon gesagt habe.
Götzl Ist denn darüber gesprochen worden, wo sie untergekommen sind?
Rothe Hab ich nichts drüber gehört. Ich war nur später mal in Zwickau.
Götzl Sagt Ihnen der Bandname »Blitzkrieg« etwas?
Rothe Ja, da wurde ja 2006 eine Hausdurchsuchung gemacht.
Götzl Was sagt Ihnen der Name?
Rothe Dass die Musik gemacht haben.
Götzl Ich frage ungern alles nach. Ich wäre dankbar, wenn Sie mal etwas im Zusammenhang erzählen würden: Was hat es mit der Band auf sich, wer gehörte dazu?
Rothe Ich kenne da zwei, drei, die Mitglieder der Band waren.
Götzl Und wer?
Rothe Der Richter, der damals bei mir im Haus gewohnt hat, und dann der Silvio. Und der Bruder von Richter.
Götzl Haben die Brüder Spitznamen?
Rothe Kicke und Kacke, glaub ich.
Götzl Und was hatten Sie mit der Band zu tun?
Rothe Na, nichts. Ich war noch nie in ’ner Band. Auf einem Konzert war ich früher.
Götzl Sie sind mal als Zeuge vernommen worden 2006, und da sagten Sie, Sie kennen keine Band namens »Blitzkrieg«. Das war dann doch damals glatt gelogen!
Rothe Wie gesagt, das sind Freunde von mir.
(Der nächste Zeuge ist ein Richter des Bundesgerichtshofs (BGH), der den Beschuldigten Matthias Dienelt vernommen hatte, als gegen Dienelt wegen mutmaßlicher Unterstützung des NSU ermittelt und er in Untersuchungshaft genommen wurde diese wurde später aufgehoben. Der Zeuge sagt, Dienelt habe einen verängstigten Eindruck auf ihn gemacht, Götzl zitiert längere Passagen aus der damaligen Vernehmung. Als der BGH-Richter als Zeuge entlassen wird, beantragen Zschäpes Verteidiger eine lange Unterbrechung. Anschließend stellen sie einen Befangenheitsantrag gegen Götzl und die weiteren Mitglieder des 6. Strafsenats. Sie kritisieren, Götzl habe bestimmte wichtige Passagen aus dem damaligen Vernehmungsprotokoll ignoriert, beispielsweise Aussagen Dienelts, denen zufolge sich Beate Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt wie völlig normale Personen verhalten hätten. Sie hätten nicht den Eindruck erweckt, im Untergrund zu leben und etwas zu verbergen.)
Verteidiger Stahl Es ist zu befürchten, dass der Vorhalt dieser Passagen deshalb unterblieben ist, weil diese Angaben die Anklagehypothesen des Generalbundesanwalts nicht stützen, sondern infrage stellen und damit entlastende Punkte in die Hauptverhandlung eingeführt worden wären.
Verteidiger Klemke Die Verteidigung Wohlleben schließt sich an. Es bestätigt sich die ganz deutliche Tendenz der Voreingenommenheit des Senats.
Anwalt Bliwier Der Antrag ist auf jeden Fall unbegründet. Wenn die Verteidigung da sitzt, dann kann sie diese Sachen auch einführen. Darauf ein Ablehnungsgesuch zu stützen, ist wirklich absurd.
(Über den Befangenheitsantrag muss nicht sofort entschieden werden. Deshalb tritt nun als Nächstes der Bruder des Angeklagten André Eminger auf. Die beiden lächeln sich kurz zu.)
Götzl Als Bruder haben Sie ein Zeugnisverweigerungsrecht, das bedeutet, dass Sie keine Aussage machen müssen. Wollen Sie Angaben machen?
Eminger Nein.
Götzl Dann wären wir für heute am Ende.
Anwalt Hoffmann Ich möchte noch eine Erklärung abgeben: Der Angeklagte Eminger hat heute Morgen das Gericht betreten mit einem Pullover, auf dem stand: »Brüder schweigen«.
(In der Neonazi-Szene wird der Spruch »Brüder schweigen« verbunden mit der US-Terrorgruppe »The Order«, auch bekannt als »Silent Brotherhood«.)
30. Juli 2014
Manfred Götzl, Richter. Maria H., 33, Studentin aus Jena. Steffi S., 33, Krankenpflegerin aus Jena.
Götzl Es geht uns um einen Vorfall aus den Neunzigern in Jena, was können Sie uns dazu berichten?
Maria H. Das war so, dass ich mit Freunden auf den Rummel gegangen bin, und dann fuhr ich abends wieder nach Hause mit einer Freundin, der Steffi, in der Straßenbahn nach Winzerla, zur Endhaltestelle. Schon in der Straßenbahn habe ich gesehen, dass sich jemand bei mir direkt gegenüber hingesetzt hat. Die Bahn war nicht voll, sie hat mich direkt angestarrt, ich kannte das Mädchen nicht. Sie hat mich nach dem Aussteigen angesprochen, es war früher Abend. Sie sagte, dass ich sie beleidigt hätte oder sie ausgelacht, es war mir nicht erinnerlich, dass ich das gemacht habe. Sie hat mich geschubst, ich bin gefallen, mein Fuß hat geschmerzt. Sie hat sich auf meinen Rücken gesetzt und hat mich gezwungen zu sagen: »Ich bin eine Potte.« Die Steffi stand nur daneben, sie hatte eine kleine Ratte in ihrer Kapuze und hatte die Sorge, ihr passiert was. Das Mädchen hatte auch noch jemanden dabei, die aber auch nichts gemacht hat. Beide waren mir bis dahin unbekannt, im Nachhinein habe ich erfahren, dass es Beate Zschäpe war, ich habe sie auf alten Fotos identifizieren können. Mein Fuß hat so geschmerzt, dass ich am nächsten Tag zum Arzt gegangen bin. Er hat festgestellt, dass er angebrochen war. Was für Beate Zschäpe aber nicht ersichtlich war, das konnte sie nicht wissen. Ich hatte einen Gips für einige Wochen, danach war alles gut.
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