Götzl Wie ging es weiter?
Michael K. Das Ergebnis dieser Probe von der Frau von Thomas Starke brachte dann das Ergebnis, dass die beiden Söhne nicht als Spurenverursacher infrage kamen.
Oberstaatsanwalt Weingarten Ist inzwischen die Identität des Spurenlegers geklärt?
Michael K. Ja, es handelt sich dabei um einen wissenschaftlichen Mitarbeiter von der Kriminaltechnik, das kam einige Zeit später erst raus. Er war der Spurenverursacher. Eine missliche Situation.
(Auch wegen dieses Vorfalls im Jahr 2013 waren die Ermittler sehr vorsichtig, als drei Jahre später, im Oktober 2016, eine genetische Spur von Uwe Böhnhardt in der Nähe des Skeletts der 2001 ermordeten Peggy Knobloch in einem Wald in Thüringen gefunden wurde.)
5. August 2014
Manfred Götzl, Richter. Jürgen Länger, 42, Tauchlehrer aus Jena. Herbert Diemer, Vertreter der Bundesanwaltschaft. Wolfgang Heer, Verteidiger von Beate Zschäpe. Olaf Klemke, Verteidiger von Ralf Wohlleben. Thomas Bliwier, Hardy Langer, Anwälte der Nebenklage.
(Götzl verkündet zunächst, dass Renate Fischer aus dem NSU-Senat ausgeschieden ist, da sie zur Richterin am Bundesgerichtshof ernannt wurde. Damit rückt die bisherige Ergänzungsrichterin Gabriele Feistkorn nach. Fortan gibt es damit nur noch zwei Ergänzungsrichter. Dann wird der Zeuge Jürgen Länger in den Saal gerufen. Die NSU-Ermittler haben den Zeugen im Verdacht, Teil der Lieferkette gewesen zu sein, durch die der NSU die Tatwaffe Česká 83 erhalten hat. Allerdings ist der Zeuge offiziell nicht Beschuldigter oder Angeklagter. Deshalb wird nun vor Gericht debattiert, ob und inwieweit dem Zeugen ein Auskunftsverweigerungsrecht zusteht. Jürgen Länger wird von Anwalt Thomas Jauch begleitet .
Verteidiger Heer Ich bitte darum, den Zeugen auch im Sinne der Mosaikstein-Theorie zu belehren. (Die Mosaikstein-Theorie hat der Bundesgerichtshof im Jahr 2002 begründet, wonach ein Zeuge auch dann ein Recht auf generelle Auskunftsverweigerung hat, wenn er durch eine Aus sage den Ermittlern auch nur einzelne Hinweise wie Mosaiksteine für ein Beweisgebäude gegen sich liefern würde.)
Götzl Die Voraussetzung, dass ein umfangreiches Zeugnisverweigerungsrecht nach Paragraf 55 besteht, sehe ich nicht.
Länger Darf ich mal kurz was sagen: Ich weiß, dass BKA-Beamte Leute aufsuchen und sich nach mir erkundigen. Ich weiß nicht, ob Ermittlungsverfahren gegen mich laufen oder nicht. Es ist deshalb ein Risiko, hier auszusagen.
Götzl Es geht uns hier darum, ob von Ihrer Seite Waffenlieferungen an Herrn Schultz vom Laden Madley in Jena stattgefunden haben.
Länger Okay, dazu kann ich was sagen.
Verteidiger Heer Ich halte meinen Verfahrensantrag aber aufrecht.
Länger Es behaupten auch Anwälte in Gera, dass es noch einen NSU-II-Prozess gibt.
Götzl Wer behauptet das?
Länger Das sind Gerüchte halt. Es ist auf jeden Fall so, dass sich das BKA in Gefängnissen nach mir erkundigt hat.
Götzl Bei wem hat sich wer erkundigt?
Länger Das BKA bei einem Mann, Spitzname Sebastian. Und vor einem Jahr bei einem guten Bekannten von mir in Tegel. Ich weiß nicht, was das soll.
Götzl Das nehmen wir jetzt mal zur Kenntnis, nehmen Sie bitte kurz draußen Platz.
(Götzl wendet sich an Verteidiger Heer.) Wollen Sie denn auch eine Begründung abgeben zu Ihrem Antrag, Herr Heer?
Verteidiger Heer Gerne. Es kommt ja nicht auf Ihre Beurteilung an, sondern auf den Zeugen. Ich beantrage, dass ihm ein umfassendes Auskunftsverweigerungsrecht zusteht.
Anwalt Bliwier Ein Antrag im Rechtssinne liegt nicht vor. Ich nehme zur Kenntnis, dass der Zeuge jetzt zwei Rechtsbeistände hat. Eine Belehrung im Sinne der Mosaiktheorie gibt es gar nicht.
Verteidiger Klemke Die Verteidigung von Herrn Wohlleben schließt sich dem Antrag der Verteidigung von Frau Zschäpe an. Wir wissen alle aus unserer Praxis, dass die Hürde für einen Anfangsverdacht nicht allzu hoch liegt. Ich erinnere an die Aussagen des Zeugen Schultz. (Bricht kurz ab.) Ich höre Zwischenrufe. Aber wenn ich unterbrochen werde, muss der Vorsitzende ja nicht eingreifen, das ist mir auch bekannt …
Götzl Und an welche konkreten Informationen des Zeugen Schultz wollen Sie anknüpfen?
Verteidiger Klemke Wollen wir jetzt ein Rechtsgespräch führen? Angeblich soll Schultz ja angegeben haben, dass er die »Scheißknarre« – so hat er sich ausgedrückt – vom Jürgen Länger hat. Damit ist der objektive Tatbestand erst mal gegeben. Und die Unterscheidung zwischen Verstoß gegen das Waffengesetz und Beihilfe zu Mord liegt ja nur am subjektiven Tatbestand. Mehr dazu muss ich nicht sagen!
Verteidiger Heer Ich mache geltend, dass niemand das beurteilen kann außer Herr Länger selbst.
Bundesanwalt Diemer Es bedarf aus unserer Sicht keiner weiteren Belehrung. Es kommt auf die Frage an.
Anwalt Langer Ein Vernehmungsbeamter sagte hier über die Aussage des Zeugen Schultz, über den Verwendungszweck der Waffe sei nicht gesprochen worden. Somit ist klar: Es gibt keinen konkreten Ansatz dafür, dass Herr Länger wissen konnte, an welchen Personenkreis die Waffe gelangen wird.
Verteidiger Klemke Das setzt ja alles voraus, dass Herr Schultz die Wahrheit gesagt hat.
Götzl Sie wissen ja selbst, dass es um die Frage der Beurteilung eines Anfangsverdachts geht. Rein denktheoretische Möglichkeiten und Vermutungen scheiden da aus.
(Die Verhandlung wird kurz unterbrochen.)
Götzl Dann setzen wir fort. Die Anträge, zusätzlich zur erfolgten Belehrung auch hinsichtlich eines umfassenden Auskunftsverweigerungsrechts zu belehren, werden abgelehnt. (Der Zeuge wird wieder in den Saal geholt.) Herr Länger, es geht uns um die Frage, ob Sie eine Waffenlieferung im Zeitraum etwa 1998 bis 2000 an Herrn Schultz vorgenommen haben?
Länger Was Herr Schultz sagt, ist gelogen. Wie er darauf kommt, kann ich mir nicht erklären, absolut nicht. Den Herrn Schultz kenne ich, ich hab da ein Büro in Jena gehabt und im Laden von Herrn Schultz Schuhe gesucht. Dass er mich aus der Lehre kennt, ist auch gelogen.
Götzl Sie haben Herrn Schultz im Laden kennengelernt?
Länger Ja, das ist halt ein Klamottenladen gewesen in Jena, ein kleiner, das Madley. Ich bin zur Mittagspause in der Nähe gewesen. Da unterhält man sich auch. Das war 1997, 1998, kann ich nicht genau sagen. Ich hab mich immer totgelacht, weil die nix gebacken gekriegt haben. Die konnten mir keine Schuhe besorgen.
Götzl Warum gab es da Probleme?
Länger Ich hab Schuhgröße 52.
Götzl Wie gut kannten Sie jetzt Andreas Schultz?
Länger Ich hatte ihm mal Geld geborgt. Er hatte eine Imbissbude, da hab ich mal 300, 400 Euro geborgt, und da habe ich ewig gebraucht, das wiederzubekommen. Er hat mir auch schöne Zinsen versprochen.
Götzl Zurück zu dem Punkt »Waffe«: Ist in der Zeit 1998 bis 2000 – ist das Thema Waffenbeschaffung aufgetaucht? Ist darüber mal mit Herrn Schultz oder Herrn Liebau (der Kompagnon von Schultz und Besitzer des Szeneladens Madley) gesprochen worden von Ihrer Seite?
Länger So was war überhaupt kein Gespräch. Mit Liebau habe ich mich über die nächste Technoparty unterhalten. Und Herr Schultz, der hat mehr Bier getrunken und Drogen genommen. Den konnte man gar nicht ernst nehmen. Er hat ja behauptet, dass ich alles besorgen konnte. Das ist ja Wahnsinn. Wie kann man so was sagen?
Götzl Also Waffen – war das jemals Gesprächsthema?
Länger Nee. Meine Vermutung ist, Schultz verwechselt da jemanden mit mir. Ich denke mal, er tut das vertauschen.
Götzl Gab es denn Streit über das Darlehen?
Länger Nein, er hat weiter weg gewohnt. Ich hab den auch nicht verprügelt oder so, sodass er eine Wut auf mich hätte. Vielleicht war er im Drogenwahn und er verwechselt mich.
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