„Wieso …?“ Ulla fühlte sich überrumpelt.
Manuel fiel ihr ins Wort. „Sie hatte einen Nervenzusammenbruch“, flüstere er.
Dann legte er auf.
***
KH beantwortete weder das Telefon noch sein Handy. Ulla prüfte ihre Uhr – halb vier, Zeit zum Packen. Er würde sich den Koffer aus dem Keller holen.
Vielleicht war es auch besser, wenn er jetzt keinen Kommentar abgeben konnte. Schließlich schien er mit seinen Vermutungen über Mamas Unfall die richtige Spur getroffen zu haben.
Zur Ablenkung entschied sich Ulla für einen Strandspaziergang. Ein Lichtbad würde ihr guttun!
Um diese Zeit sonnten sich im Hotelgarten deutlich weniger Gäste.
Als Ulla einen Blick um die Hausecke warf, sah sie hinter einem breiten Oleanderstrauß das Zimmermädchen von heute Morgen und den jüngeren der beiden Gärtner in einem vertrauten Gespräch. Womöglich hatten sie sich sogar geküsst. Jedenfalls strebten sie sofort schuldbewusst auseinander, als sie Ulla bemerkten.
Das tat Ulla leid.
Auch strenge Arbeitgeber, fand Ulla, mussten Frühlingsgefühle bei ihren Angestellten tolerieren! Selbst dann, wenn sich Gäste beschwerten!
Ein himmelblauer Latexpfad stieß direkt an den Hotelgarten; offenbar führte er vom Hafen nach Can Picafort.
In den Osterferien vor fünf Jahren hatten KH und sie eine schöne Zeit in einem dortigen Apartment-Hotel verbracht und sie waren häufig am Strand entlang Richtung Port d’Alcudia gelaufen.
Damals hatten sie das wunderbare Berg-Panorama hinter der blauen Bucht genossen, die netten Hotels und wohlhabenden Sommerhäuser bewundert.
KH und sie hatten phantasiert, wie es wäre, selbst einmal Besitzer einer Strandvilla zu sein.
Ulla bog nach rechts. Sicherlich würden sie die alten Erinnerungen aufmuntern.
Jetzt im Februar wirkte der Strand deutlich ruhiger als damals Ende März.
Viele Hotels waren noch geschlossen. Fensterläden oder feste Gardinen verdeckten den Blick in die meisten Ferienwohnungen und Häuser.
Auffällig viele sa vendre – for sale Schilder.
Das hatte es vor fünf Jahren nicht gegeben; Ulla war sich sicher. Wahrscheinlich zeigten hier die spanische Finanzkrise und die von der EU verordneten drastischen Einsparmaßnahmen ihre Wirkungen.
Vereinzelt erledigten Handwerker Reparaturarbeiten; ein einsamer Gärtner säuberte Wege.
Die wenigen Spaziergänger bestanden aus älteren Menschen; viele führten Hunde mit. Häufig nutzten sie ihre Hunde als Grund, um mit anderen Hundebesitzern ins Gespräch zu kommen.
Ein alter Mann quietschte selbstvergessen auf einer gelben Gummi-Ente, bevor er sie fortwarf, damit sein schwarz-weiß gefleckter Liebling sie freudig schwanzwedelnd apportieren konnte.
Ein junger Vater warf sein jauchzendes Baby in die Luft, während die Mutter in Ruhe auf einer Bank ein Buch las.
In der Ferne sah sie Reiter, die ihre braunen Pferde ins Wasser trieben.
Und natürlich Jogger – meist junge Paare oder Frauen mittleren Alters –, die aufeinander Rücksicht nahmen.
Im Schnellsprint einzig Männer, offenbar getrieben vom ehrgeizigen Willen, das schnellste Tempo vorzulegen.
Nur die Hubschrauber am blauen Himmel störten die Idylle.
Ulla entfernte sich vom Wasser und stapfte gerade durch den weichen Sand in die mit Pinien bewachsenen Dünen, als KH anrief.
„Was ist, Liebes? Tut mir leid, ich war im Keller, als du angerufen hast und hab’s jetzt erst gemerkt. Geht’s dir gut?“
Ja, es ging ihr erstaunlich gut, in ihr war sogar etwas wie Urlaubsstimmung aufgekommen. Das sagte sie ihm.
„Und weißt du, wo ich jetzt stehe? Vor diesen Doppelhaus-Villen im spanischen Stil, sandbraun, große Balkons mit gedrehten Balustraden und handgearbeiteten Tonziegeln auf dem Dach. Jedenfalls sehen sie handgearbeitet aus, auch wenn sie maschinell gefertigt wurden. Erinnerst du dich noch daran? Ich glaub, jetzt sehe ich unsere Traum-Villa. Die mit den Ananas-Palmen und den Azaleen und dem Oleander im Garten. Hier blühen schon ein paar von diesen südamerikanischen Kakadu-Blumen, Strelitzien oder so.“
KH musste lachen: „Ich merke, dir geht es besser, Liebes. Schön. Ich muss jetzt packen. Bis später.“
Durchs Telefon tauschten sie Küsse aus und Ulla hatte seit vielen Stunden zum ersten Mal das Gefühl, dass alles gut ausgehen könnte.
Leider erwies es sich als falsch.
Zwei Hubschrauber landeten plötzlich nahe an der Wasserlinie. Polizei!
Die Reiter legten an Geschwindigkeit zu, um sich ihnen zu nähern. Ulla erkannte, dass es sich um berittene Polizei handelte.
Sie zogen Netze hinter sich her. Wahrscheinlich hatte es etwas mit dem Vermissten zu tun. Ulla wendete ihren Blick ab und nahm ihr Nordic Walking Tempo an, um schnell ihr Hotel zu erreichen.
Sie hatte keine Lust auf eine Leiche.
***
Bei ihrem nächsten Anruf meldete sich Elmar sofort, aber er war kurz angebunden.
„Hör zu, ich sitze gerade am Steuer und die spanische Polizei handhabt das Handy-Verbot streng. – Wie, Nervenzusammenbruch? Na und? Den hat Elfi doch dauernd! Kein Grund zur Sorge – sie ist halt hysterisch.“ Er lachte.
Nach ihrer nächsten Frage schlich sich Vorsicht in seine Stimme.
„Was gehen mich Manuels Auto-Reparaturen an? – Nein, ich hab’ nicht gesagt, dass ETA gestern Morgen Manuels Auto gefahren hat. – Was? Nein, nein, ich meinte: ETA fährt manchmal Manuels Wagen und ihr passieren halt mal Schrammen. Mehr nicht.“
Mehr nicht.
Weiter war ihm nichts zu entlocken. Dennoch oder vielleicht gerade deswegen hatte Ulla den Eindruck, dass KH leider nicht so falsch mit seinen Vermutungen lag.
Erneuter Anruf bei Manuel. Besetztzeichen. Nach drei weiteren Versuchen war die Leitung endlich frei, aber es meldete sich niemand.
Ulla hatte die Hoffnung schon aufgegeben, als sie eine Frauenstimme hörte. „Si, en que puedo servirle? – Sie wünschen, bitte?“
„Ich möchte gern Elvira sprechen – oder Elfi. Bitte, es ist dringend.“ Ulla hoffte, dass ihr flehender Ton eine Frau weich stimmen würde.
Vergeblich.
„Elfi? – Elfi nicht hier. Elfi im Flugzeug. Nach Deutschland.“
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