120. So ziemlich um die Zeit der Krankheit des Kambyses geschah auch Folgendes. Von Cyrus war zum Statthalter in Sardes Orötes, ein Perser, eingesetzt worden. Dieser faßte ein frevelhaftes Verlangen, indem er Polykrates, den Samier, ohne Etwas von ihm erlitten, oder ein schlechtes Port von ihm gehört, ja ohne ihn noch gesehen zu haben, in seine Gewalt zu bekommen und umzubringen verlangte, und zwar, wie die Meisten sagen, wegen einer Ursache, wie folgt. Orötes sey vor dem Thore des Königs gesessen mit einem andern Perser, Namens Mitrobates, welcher Statthalter des Kreises von Dascyleum 134war. Und da seyen sie im Gespräche in einen Streit gerathen; und da sie über den Vorzug rechteten, habe Mitrobates gegen Orötes den Vorwurf ausgestoßen: "Ja, du bist auch ein Mann, der du dem Könige die Insel Samos, die bei deinem Kreise liegt, nicht auch erobert hast, die doch so leicht zu unterwerfen ist, daß sie ein Eingeborener in einer Empörung mit fünfzehn Bewaffneten genommen hat, und jetzt ihr Herr ist!" Auf diese Rede hin, behaupten die Einen, und aus Verdruß über den Schimpf sey er nicht so verlangend gewesen, an Dem, der Dieß gesprochen, Rache zu nehmen, als auf alle Weise den Porykrates umzubringen, wegen dessen er geschmäht war.
121. Andere Wenigere sagen aber, es habe Orötes einen Herold nach Samos geschickt mit irgend einem Gesuche; denn Was es war, das wird eben nicht dabei gesagt: da habe Polykrates, der gerade im Männersaale lag, 135und auch den Anakreon von Teos bei sich hatte, entweder mit Fleiß gar Nichts von Orötes willen wollen; oder der Zufall fügte es nur so, daß nämlich Polykrates, während der Herold vortrat und zu ihm redete, sich von der Wand, gegen die er gerade gekehrt war, gar nicht umgekehrt und auch keine Antwort gegeben habe.
122. Diese zweierlei Ursachen werden vom Tode des Polykrates angegeben, und jeder hat die Wahl, zu glauben, welche er will. Orötes also, der in Magnesia 136saß, der Stadt über dem Mäanderflusse, sandte Myrsus, des Gyges Sohn, einen Lydier, nach Samos, mit einer Botschaft, wobei er den Sinn des Polykrates gut kannte. Polykrates ist nämlich, so viel wir wissen, der Erste von den Hellenen, dessen Sinn auf Seeherrschaft ging, Minos, den Knossier, ausgenommen, und Wer etwa sonst noch vor Diesem Herr zur See war; aber, was man sagt, vom Geschlechte der Menschen 137ist Polykrates der Erste, der voll von der Hoffnung war, über Ionien und die Inseln Herr zu werden. Weil nun Orötes gut wußte, daß ihm Dieß im Sinne liege, sandte er ihm eine Botschaft, des Inhalts: Orötes gibt dem Polykrates zu wissen: ich erfahre, daß du mit großen Dingen umgehst, daß aber dein Vermögen deinen Anschlägen nicht gleichkommt. Thue nun aber Folgendes, so wirst du dich emporbringen und mich erretten. Denn mir trachtet der König Kambyses nach dem Leben, wie ich davon sichere Kunde habe. Nimm tun du mich zu dir hinüber mit sammt meinen Schätzen, behalte davon einen Theil, und den andern laß mich behalten; so wirst du vermöge der Schätze Herr von ganz Hellas werden. Und wenn du mir nicht glaubst, was die Schätze anlangt, so sende nur den vertrautesten Menschen, den du hast, daß ich ihm's zeige."
123. Das hörte Polykrates mit Wohlgefallen und geneigtem Willen, und schickte fürs Erste, weil ihn gar sehr nach den Schätzen gelüstete, den Mäandrius, Mäandrius Sohn, zur Beaugenscheinigung ab, Einen seiner Bürger, den er als Schreiber hatte; welcher nicht lange Zeit hernach den Schmuck vom Männersaale des Polykrates, eine sehenswürdige Sache, sammt und sonders in das Heraheiligthum 138geweiht hat. Nun machte es Orötes, als er wußte, daß er jetzt den Beaugenscheiniger zu erwarten habe, folgendermaßen. Er füllte acht Kisten mit Steinen an, bis auf einen ganz kleinen Streif am Rande, überlegte dann das Oberste mit Gold; und so verschloß er die Kisten wieder, und hielt sie in Bereitschaft. Mäandrius kam, sah's an, und berichtete darnach dem Polykrates.
124. Dieser schickte sich nun, trotz aller Abmahnungen seiner Seher, wie auch seiner Freunde, zur eigenen Abreise an, ja trotz dem, daß seine Tochter folgendes Traumgesicht sah: Es kam ihr vor, ihr Vater, werde schwebend in der Luft von Zeus gebadet und von der Sonne gesalbt. Auf dieses Gesicht hin that sie alles Mögliche, daß Polykrates nicht auf die Reise zu Orötes ginge; und namentlich, als er sich schon auf das Fünfzigruder begab, rief sie ihm noch Ahnungsworte nach. Da drohte er ihr, wofern er gesund heimkomme, solle sie noch lange Jungfrau bleiben. Da bat sie die Götter, Das möchte in Erfüllung gehen; denn gern wolle sie um so viel länger Jungfrau bleiben, als sie ihren Vater nicht verlöre.
(Polykrates Tod Ol. 64, 3. v. Chr. 522.)
125. Polykrates schiffte nun, taub gegen allen Rath, zu Orötes, in Begleitung vieler Gefährten, insbesondere auch des Democedes, Kalliphon's Sohn von Kroton, eines Arztes, der zu seiner Zeit der Erste in seiner Kunst war. Als denn Polykrates in Magnesia ankam, erlitt er ein schmähliches; seiner und seines Sinnes unwürdiges, Ende, in Betracht, daß außer den Herrschern, die in Syrakus auftraten, 139sonst kein einziger Hellenischer Herrscher würdig ist, mit Polykrates an Großmuth zusammengestellt zu werden. Orötes brachte ihn auf eine nicht zu erzählende Art um, und hing ihn dann an's Kreuz. Von seinem Gefolge aber ließ er, was Samier waren, mit der Weisung gehen, sie müßten ihm Dank wissen, daß sie frei seyen; was aber Fremde und Knechte im Gefolge waren, die behielt er, als seine Sklaven, bei sich. An Polykrates ging nun, da er aufgehängt war, das Gesicht seiner Tochter ganz in Erfüllung, indem er von Zeus gebadet wurde, so oft es regnete, und von der Sonne gesalbt, da fein eigener Leib Feuchtigkeit ausschwitzte. Also lief dem Polykrates sein vieles Glück zuletzt darauf hinaus, wie es ihm Amasis, der König von Aegypten, prophezeiht hatte.
126. Doch nicht lange Zeit hernach ereilten den Orötes die Rachegeister des Polykrates. Nach Kambyses Tode und der Magier Königsherrschaft blieb Orötes in Sardes, ohne Etwas für die Perser zu thun, da ihnen durch die Medier die Herrschaft entrissen war; sondern in dieser Verwirrung ermordete er den Mitrobates, den Statthalter von Dascyleum, der ihn hinsichtlich des Polykrates gescholten hatte; desgleichen den Sohn des Mitrobates, Kranaspes, ehrenhafte Perser, und beging sonst noch allerhand Frevel, wie daß er einen Reitboten, welchen Darius ihm zugesandt, weil ihm die Botschaft nicht nach Wunsch gewesen war, auf dem Heimwege, durch einen Hinterhalt an der Straße, tödten ließ, und den Getödteten sammt seinem Pferde unsichtbar machte.
127. Wie nun Darius die Herrschaft hatte, verlangte ihn, den Orötes büßen zu lassen wegen seiner Verbrechen überhaupt, und vornehmlich für Mitrobates und dessen Sohn. Geradezu aber ein Heer gegen ihn zu schicken, dünkte ihm nicht gut, da um ihn selbst noch Alles unvergohren und seine Herrschaft kaum angetreten war, und da er Kunde hatte von der großen Macht des Orötes, als Gebieter über eine Leibs wache von tausend Persern und über den Phrygischen, Lydischen und Ionischen Kreis. Dagegen stellte Darius Folgendes an. Er rief erst die ehrenhaftesten Perser zusammen, und sprach zu ihnen: "Wer von euch, ihr Perser, will mir eine Aufgabe vollenden mit List, ohne Gewalt und Mannschaft? Denn wo es List braucht, da wird mit Gewalt Nichts geschafft. Also Wer von euch will mir den Orötes lebendig liefern, oder um's Leben bringen, welcher den Persern gar nichts Gutes gethan, wohl aber die ärgsten Schlechtigkeiten verübt hat; da er erstlich Zwei von euch, den Mitrobates und seinen Sohn, aus der Welt schaffte, und dann die Gesandten, die in meinem Namen ihn aufrufen, mit einem offenbaren Frevelmuthe tödtet, der nicht zu ertragen ist? Eh' er also den Persern noch ein ärgeres Uebel anthut, müssen wir ihm den Tod anthun."
128. So fragte Darius, und dreißig Männer wollten dieser Aufgabe sich unterziehen. Jeder für sich allein dazu bereit. Darius that ihren Streit damit ab, daß sie das Loos werfen hieß; und da sie mit einander loos'ten, traf es den Bagäus, Artontes Sohn. Und da es ihn getroffen hatte, machte es Bagäus, wie folgt. Erst schrieb er viele Briefe über vielerlei Dinge, worauf er das Siegel des Darius drückte, und dann ging er damit nach Sardes. Und als er dort vor das Angesicht des Orötes gekommen war, erbrach er einen Brief nach dem andern, und gab sie dem königlichen Schreiber zu lesen. Königliche Schreiber haben nämlich die Statthalter alle. Und zwar gab Bagäus die Briefe ab zur Versuchung der Leibwächter, ob sie zum Abfalle von Orötes fähig wären. Da er nun sah, daß sie große Ehrfurcht vor den Briefen und noch größere vor ihrem Inhalte hatten, gab er jetzt einen ab, der die Worte euthielt: "Perser, der König Darius verbietet euch, des Orötes Leibwächter zu bleiben." Wie sie Das hörten, legten sie vor ihm die Lanzen nieder; und wie Bagäus diesen ihren Gehorsam gegen den Brief sah, da gab er schon ganz getrost seinen lebten Brief dem Schreiber, worin geschrieben stand: "Der König Darius befiehlt den Persern in Sardes, den Orötes zu tödten." Wie die Trabanten Das hörten, so zogen sie ihre Säbel und todteten ihn auf der Stelle. So ereilten also den Perser Orötes die Rachegeister des Samiers Polykrates.
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