8. Die Araber gehören zu Denen, die ihre Verträge am meisten heilig halten. Sie machen dieselben auf folgende Weise. Wollen Zwei einen Vertrag schließen, so macht ihnen ein Dritter, der zwischen den beiden Vertragenden steht, mit einem scharfen Stein einen Einschnitt in die Hand am Hauptfinger, nimmt alsdann aus dem Gewand eines Jeden eine Faser, und bestreicht mit ihrem Blute sieben Steine, die zwischen ihnen liegen, wobei er den Dionysus und die Urania anruft. Wenn Dieser Das vollzogen hat, so empfiehlt Der, welcher den Vertrag eingeht, seinen Freunden den Fremdling oder den Bürger, wo solcher mit einem Bürger eingegangen wird, wornach dann auch den Freunden selbst der Vertrag für heilig gilt. Den Dionysus halten sie für den einzigen Gott nebst der Urania, und scheeren ihr Haar, wie sie behaupten, nach derselben Schur, wie sie Dionysus hat, nämlich in einen Kranz an den Schläfen herum. Und den Dionysus nennen sie Orotal, die Urania Alilat.
9. Nachdem nun die Araber mit den Gesandten, die von Kambyses gekommen waren, den Vertrag eingegangen hatten, traf er folgende Anstalt. Er füllte Kamelschläuche mit Wasser, und belud damit alle seine lebendigen Kamele, die er dann so in die wasserlose Wüste trieb, und dort das Heer des Kambyses erwartete. Und das wäre die glaubwürdigere Sage; nun muß ich, aber auch die minder glaubwürdige, da sie einmal vorkommt, erzählen. Es ist ein großer Fluß in Arabien, mit Namen Korys, welcher sich in das sogenannte Erythräische Meer ergießt. Nun soll der König der Araber aus Rinderfellen und sonstigen Häuten eine Rinne zusammengenäht haben, die von eben diesem Fluß bis in die Wüste reichte, und durch dieselbe das Wasser geleitet, in der Wüste selbst aber große Behälter gegraben haben, um das Wasser aufzunehmen und zu erhalten, Das ist aber ein Weg von zwölf Tagen von dem Fluß in diese Wüste; und er roll es durch drei Rinnen an dreierlei Orte geleitet haben.
(Psammenit 525 v. Ch.)
10. An der sogenannten Pelusischen Mündung des Nil war Psammenitus, der Sohn des Amasis, gelagert, in Erwartung des Kambyses. Denn den Amasis traf Kambyses bei seinem Zuge wider Aegypten nicht mehr am Leben; sondern König Amasis starb nach einer Herrschaft von vierundvierzig Fahren, in denen ihm nie ein sonderliches Mißgeschick begegnet ist. Nach seinem Tode ward er einbalsamirt, und in der Gruft im Heiligthum bestattet, die er sich selbst erbaut hatte. Aber unter dem König der Aegyptier, Psammenitus, dem Sohne des Amasis, kam in Aegypten die ganz sonderbare Erscheinung vor, daß es im Aegyptischen Theben regnete, welches niemals, weder vordem, noch nachher bis auf mich beregnet worden ist, wie die Thebaner selbst sagen. Denn in Oberägypten regnet es überhaupt gar nicht; damals aber wurde Theben recht tropfenweis beregnet.
11. Nachdem die Perser die Wüste durchzogen hatten und den Aegyptiern nahe genug zum Treffen standen, stellten die Hülfsvölker der Aegyptier, Hellenen und Karier, aus Groll gegen Phanes, daß er ein fremdes Heer wider Aegypten führte, Folgendes ihm zu Leide an. Phanes hatte Söhne in Aegypten zurückgelassen. Diese führten sie in's Lager und ihrem Vater vor die Augen, stellten dann einen Mischkrug zwischen beide Lager, und darauf führten sie einen Knaben nach dem andern vor, und schlachteten ihn über dem Mischkrug. Als sie mit allen Knaben fertig waren, thaten sie Wein und Wasser hinein; und nun tranken alle Hülfsvölker von dem Blut; dann giengen sie in's Treffen. Und in einer hitzigen Schlacht, wo ihr Viele von beiden Kriegsbeeren fielen, wurden die Aegyptier geschlagen.
12. Dort sah ich auch ein großes Wunder, womit mich die Eingeborenen bekannt machten. Bei den Gebeinen nämlich, die von den in dieser Schlacht Gefallenen jederseits besonders aufgeschüttet sind (denn die Gebeine der Perser liegen besonders, wie sie von Anfang gesondert wurden, und auf der andern Seite die der Aegyptier), sind die Köpfe der Perser so schwach, daß Einer blos mit einem Steinchen werfen darf, so durchlöchert er sie, dagegen die der Aegyptier so stark, daß man sie kaum mit einem rechten Stein zerschlagen mag. Davon, sagten sie, sey die Ursache (was mir auch nicht schwer war, zu glauben), daß die Aegyptier gleich von Kindheit an ihre Köpfe bescheeren, da denn der Schädel an der Sonne fester wird. Eben Das ist auch Ursache, daß es keine Kahlköpfe gibt. Denn bei den Aegyptiern bekommt Einer unter allen Menschen die wenigsten Kahlköpfe zu sehen. Das ist also bei Diesen die Ursache, warum sie starke Köpfe haben, während bei den Persern, daß sie schwache Köpfe haben, darin seine Ursache hat, weil sie von Anfang durch die Bundhüte, welche sie tragen, sich weich halten. Daß aber diese Schädel so sind, habe ich gesehen, und habe auch in Papremis wieder solche gesehen von Denen, die mit Achämenes, Darius Sohn, durch Inaros, den Libyer, er schlagen worden sind. 88
13. Die erschlagenen Aegyptier flohen aus der Schlacht ohne alle Ordnung. Da sie nun nach Memphis hineingedrängt waren, sandte Kambyses den Fluß hinauf ein Mitylenisches Schiff mit einem Herold, einem Perser, der die Aegyptier zu einer Uebereinkunft aufrief. Als Diese das Schiff nach Memphis hereinkommen sahen, stürzten sie haufenweis aus den Mauern, und zerstörten das Schiff, und die Mannschaft zerfleischten sie in Stücken, und trugen sie so in ihre Mauer hinein. Hierauf wurden die Aegyptier belagert, bis sie hernach sich ergaben. Die angränzenden Libyer, aus Furcht vor dem Schicksal Aegyptens, übergaben sich selbst ohne Schwertstreich, setzten sich auch eine Abgabe an, und sandten Geschenke. Desgleichen die Cyrenäer und Barcäer machten es eben so, aus derselben Furcht wie die Libyer. Kambyses nahm die Geschenke von den Libyern freundlich an; hingegen mit den Cyrenischen war er unzufrieden, wie mir vorkommt, weil sie zu gering waren. Was nämlich die Cyrenäer schickten, waren fünfhundert Minen Silbers; diese nahm Kambyses in die Hand, und warf sie eigenhändig seinem Kriegsvolk aus.
14. Aber am zehenten Zage, nachdem Kambyses die Mauern von Memphis eingenommen hatte, ließ er den König der Aegyptier, Psammenitus, welcher sechs Monate König gewesen, zum Schimpf in die Vorstadt setzen, nebst andern Aegyptiern, und versuchte sein Gemüth folgendermaßen.
Er schickte die Tochter Desselben, gekleidet in Sclaventracht, hinaus nach Wasser, mit einem Wassereimer, und mit ihr noch andere Jungfrauen, die er von den ersten Männern auserlesen hatte, in gleicher Tracht, wie die Königstochter. Als nun die Jungfrauen mit Geschrei und Weinen an ihren Vätern vorbeikamen, schrieen alle Väter laut, und weinten mit, da sie ihre Kinder in solchem Zustande erblickten; Psammenitus aber schaute hin, sah es wohl, und schlug den Blick zur Erde. Und als die Wasserträgerinnen vorübergegangen waren, schickte er zum zweiten seinen Sohn hinaus, mit zweitausend andern Aegyptiern, desselben Alters, alle mit Stricken um den Hals und mit Zäumen im Munde. Diese wurden hinausgeführt zur Buße für die Mitylenäer, welche zu Memphis mit ihrem Schiff umgekommen waren. Denn so hatten die königlichen Richter gerichtet, daß für jeden Mann gehen von den ersten Aegyptiern umkommen müßten. Psammenitus aber sah sie vorübergehen, sah auch wohl seinen Sohn zum Tode führen; und während alle die um ihn sitzenden Aegyptier weinten und sich's arg zu Herzen nahmen, machte er's eben so, wie bei seiner Tochter. Und als auch Diese vorübergegangen waren, traf sich's, daß Einer von seinen Tischfreunden, ein ältlicher Mann, der um das Seine gekommen, und nur etwas mehr als ein Bettler war, indem er die Soldaten um Almosen bat, an Psammenitus, dem Sohne des Amasis, und jenen Aegyptiern vorbeikam, die in der Vorstadt saßen. Wie Psammenitus Den sah, weinte er heftig, rief den Freund bei Namen, und schlug sein Haupt.
Nun hatte er aber seine Wächter, die sein ganzes Benehmen bei jedem Schritt dem Kambyses anzeigten. Kambyses wunderte sich, über dieses Benehmen, sandte einen Boten an ihn, und ließ ihn fragen: "Kambyses, der Gebieter, fragt Dich, Psammenitus, warum Du deine Tochter in so traurigem Zustand, und deinen Sohn auf dem Weg zum Tode gesehen hat, ohne Schrei und ohne Weinen; den Bettler aber, der Dir doch - wie er sich sagen ließ - gar nicht angehört, so hochgeachtet hast?" Das war seine Frage; und darauf antwortete Jener: "Sohn des Cyrus, mein häusliches Unglück war zu groß zum Weinen; aber das Elend eines Freundes war thränenwerth, der um all seinen Wohlstand, und an den Bettelstab gekommen ist an der Schwelle des Alters." Da ihm Dieß also hinterbracht wurde, dünkte es ihm wohlgesprochen. Und wie man von den Aegyptiern hört, so weinte Krösus, der auch dem Kambyses nach Aegypten gefolgt war, so weinten auch die anwesenden Perser; und Kambyses selbst wandelte Mitleiden an, so daß er gleich befahl, seinen Sohn unter Denen, die umkommen mußten, zu retten, und ihn selber aus der Vorstadt zu ihm herzuholen.
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