(Möris, 1445 - 1416.)
101. Die übrigen Könige, sagten sie, haben keine Werte ausgeführt, und so auch nichts Glänzendes, einzig den lebten von ihnen, Möris, ausgenommen. Dieser habe sich ein Denkmal aufgeführt, des Hephästus Vorhalle an der Seite gegen den Nordwind, auch einen See gegraben, dessen Umfang an Stadien ich später angeben werde, und Pyramiden in demselben aufgebaut, deren Größe ich zugleich mit dem See bemerklich machen will. So viel habe Dieser, von den Uebrigen aber kein Einziger Etwas ausgeführt.
(Sesostris, 1416-1357.)
102. Darum will ich, mit Uebergehung Dieser, von dem König, der nach ihnen kam, deß Name war Sesostris, Meldung thun. Der sey, sagten die Priester, zuerst mit langen Schiffen vom Arabischen Busen ausgefahren und habe die Küstenbewohner längs dem Erythräischen Meer sich unterworfen, bis er endlich im Weiterschiffen in ein Meer kam, das vor Seichte nicht mehr schiffbar war. Als er nun von da zurück nach Aegypten kam, zog er, laut der Sage der Priester, mit vielem Kriegsvolk durch das Festland, und unterwarf jedes Volk, das ihm in den Weg kam. Und wo er darunter auf Solche stieß, die tapfer im Kampf waren und gewaltig um ihre Freiheit rangen, da setzte er in ihrem Lande Säulen, deren Inschriften seinen und seines Vaterlandes Namen besagten, und daß er mit seiner Macht Dieselben unterworfen. Wo er aber ohne Widerstand und Mühe die Städte in seine Hand bekam, da zeichnete er in die Säulen nicht nur Dasselbe ein, wie bei den Völkern, die sich mannhaft bewiesen, sondern zeichnete auch dazu hin ein weibliches Schamglied, um offenbar zu machen, daß sie feig im Kampf gewesen.
103. Auf solche Art durchzog er denn das Festland, bis er endlich, aus Asien nach Europa hinübergedrungen, die Scythen und Thracier sich unterwarf. Das waren, dünkt mir, die Aeußersten, zu denen das Aegyptische Heer kam; denn in ihrem Lande sieht man noch die Säulen aufgestellt, weiter hinaus aber nicht mehr. Hier kehrte er um, ging zurück, und kam hierauf an den Phasisstrom; wo ich nurmehr keine bestimmte Auskunft geben kann, ob der König Sesostris selbst aus seinem Heere einen großen Theil aussonderte und daselbst zurückließ als Anbauer in dem Laude, oder ob von seinen Soldaten etliche, seines Herumziehens überdrüssig, am Phasisstrom zurückblieben.
104. Denn Das sieht man, daß die Kolchier Aegyptier sind, und ich habe, was ich da sage, selber früher gedacht, als von Andern gehört. Da ich es nun zu Sinn gefaßt hatte, befragte ich Beide; und die Kolchier erinnerten sich mehr der Aegyptier, als die Aegyptier der Kolchier. Doch erklärten die Aegoptier, sie glauben, daß die Kolchier vom Speere des Sefoftris seyen; was ich auch selbst schon daraus schloß, weil sie schwarzhäutig und kraushaarig sind. Wiewohl, Das führt an sich zu nichts; denn von der Art sind auch noch Andere. Allein weit mehr aus dem Grund: weil die Kolchier, Aegyprier und Aethiopier allein unter allen Menschen von jeher ihre Schamglieder beschneiden. Die Phonicier dagegen und die Syrier in Palästina geben selber zu, daß sie es von den Aegyptiern gelernt haben, und die Syrier am Thermodon und Partheniosfluß, und die Grenznachbarn von Diesen, die Makronen, erklären, neuerlich von den Kolchiern es gelernt zu haben. Das sind nämlich die einzigen Völker, die sich beschneiden; und Diese thun es offenbar den Aegyptiern nach. Aber von den Aegyptiern selbst und Aethiopiern vermag ich nicht zu sagen, welcher Theil es dem andern abgelernt hat; ist es doch offenbar uralt. Daß es aber im Verkehr mit Aegypten in Aufnahme kam, dafür gilt mir Folgendes als Hauptbeweis: Sämmtliche Phönicier, die mit Hellas in Verkehr stehen, machen es mit den Schamgliedern den Aegyptiern nicht mehr nach, sondern lassen die Schamglieder ihrer Nachkommenschaft unbeschnitten.
105. Nun will ich noch etwas von den Kolchiern sagen, wie sie den Aegyptiern ähnlich sind. Die Leinwandarbeit ist allein bei ihnen und den Aegyptiern gleich; auch hat ihr ganzes Leben und ihre Sprache Aehnlichkeit mit einander. Die Kolchische Leinwand wird von den Hellenen Sardonische genannt; die jedoch, welche von Aegypten kommt, nennt man auch die Aegyptische.
106. Die Säulen aber, welche Sesostris, der König von Aegypten, in die Lande setzte, die sieht man zum größten Theil nicht mehr stehen; doch im Palästinischen Syrien sah ich selbst solche, und die besagten Inschriften daran und weibliche Schamglieder. Noch sind auch in Ionien zwei Abbilder dieses Mannes in Felssteine eingehauen, wo man aus dem Ephesischen nach Phocäa geht und wieder von Sardes nach Smyrna. An beiden Orten ist ein Mann eingegraben in der Größe von vier Ellen und einer Spanne, mit einem Speer in der rechten Hand und einem Bogen in der Linken, und mit dem übrigen Zeug in gleicher Art, Aegyptischem nämlich und auch Aethiopischem angethan; und von dessen einer Schulter zur andern läuft, über die Brust hin eingehauen, heilige Aegyptische Schrift, die so viel besagt: "Ich habe dieses Land mit meinen Armen gewonnen." Doch, Wer und woher er sey, Das zeigt er hier nicht an, anderswo aber hat er's ans gezeigt. Endlich wollen Einundandere, die des Memnon's Bildniß gesehen haben, ihn darin erblicken, womit sie weit von der Wahrheit entfernt sind.
107. Diesen Sesostris von Aegypten also habe auf seinem Rückzug, wo er viele Menschen mit sich führte von den Völkern, deren Lande er sich unterworfen, sagten die Priester, als er auf dem Rückweg im Pelusischen Daphnä war, sein Bruder, welchem er Aegypten anvertraut hatte, zu einem Gastmahl geladen und seine Söhne dazu; dann außen um das Haus her Holz aufgeschichtet, und diese Schickte in Brand gesteckt. So wie nun Sesostris Dessen inne geworden, hätte er gleich mit seiner Frau sich berathen (er habe nämlich auch seine Frau auf dem Zuge bei sich gehabt), die ihm gerathen habe, von ihren sechs Söhnen zwei auf den Scheiterhaufen zu legen, als eine Brücke über das Feuer, auf ihnen dann heraus zu gehen und sich so zu retten. Das habe Sesostris gethan; und auf diese Art seyen zwei seiner Söhne verbrannt, die Uebrigen aber sammt dem Vater gerettet worden.
108. Als Sesostris nach Aegypten zurückgekehrt war und sich an seinem Bruder gerächt hatte, brauchte er den Haufen, den er mitgebracht, nämlich die Leute, deren Länder er unterworfen hatte, zu Folgendem. Sowohl die Steine, die unter diesem König zum Heiligthum des Hephästus beigeschafft wurden, welche von ungemeiner Größe sind, haben sie herangeschleppt; als auch alle die Rinngräben, die jetzt Aegypten hat, mußten sie graben; und machten so, im unfreiwilligen Dienst, Aegypten, das zuvor durchaus bereitbar und befahren war, untauglich hiezu. Denn seit dieser Zeit ward Aegypten, obgleich durchaus eine Ebene, unberitten und unbefahren; und davon sind die Rinngräben Ursache, deren viele sind und von allen möglichen Richtungen. So durchschnitt der König das Land darum, weil alle Aegyptier, die ihre Städte nicht am Fluß, sondern mitten im Lande hatten, so oft der Fluß zurücktrat, aus Wassermangel Brunnen haben mußten, die ein salzigtes Trinkwasser hatten. Darum ward also Aegypten durchschnitten.
109. Auch sagten sie, daß derselbe König das Land unter alle Aegyprier vertheilt habe, daß er Jedem ein gleiches viereckiges Stück gegeben, und dann davon seine Einkünfte bezogen habe, indem er den jährlichen Zoll einer Abgabe darauf setzte. Wem aber von seinem Stück der Fluß Etwas wegriß, der hatte diesen Vorfall bei ihm anzuzeigen, worauf er seine Leute schickte, die nachsehen und wieder ausmessen mußten, um wie viel kleiner der Platz geworden sey; damit er vom Uebrigen nach Maß der angesetzten Abgabe zolle. Von daher, glaube ich nun, ist die Erfindung der Feldmeßkunst nach Hellas hinüber gekommen; während die Poluhr, der Stunden weiser und die zwölf Abtheilungen des Tages durch die Babylonier den Hellenen bekannt wurden.
110. Eben dieser König ist der Einzige von Aegypten, der über Aethiopien herrschte. Als Denkmale hinterließ Derselbe steinerne Bildsäulen vor dem Hephästus-Heiligthum; zwei von dreißig Ellen, nämlich sich und seine Frau; seine Söhne aber, deren vier sind, je von zwanzig Ellen. Die sind es, vor welche der Hephästuspriester in viel späterer Zeit den Darius von Persien seine Bildsäule nicht wollte hinstellen Taffen, mit der Behauptung, er habe keine solche Werte vollbracht, wie Sesostris von Aegypten. Denn Sesostris habe sich sonst nicht wenigere Völker unterworfen, als er; aber auch die Scythen; Darius hingegen nicht vermocht, die Scythen zu überwinden. So sey er dann nicht berechtigt, vor die Weihstiftungen von Jenem sich hinzustellen, ohne ihn in seinen Werken übertroffen zu haben. Damit soll nun auch Darius zufrieden gewesen seyn.
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