96Nach dem Mediationsgesetz ist eine Abschlussvereinbarung, wenn und soweit kein gesetzlicher Formzwang besteht, auch formlos wirksam. 37Die Parteien könnten also theoretisch auch per Handschlag auseinander gehen. Da Konflikte im Bau- und Immobilienbereich allerdings typischerweise innerhalb vertraglicher Beziehungen stattfinden, ist es sinnvoll, sie auch so zu beenden. In baurechtlichen Auseinandersetzungen ist es daher empfehlenswert, einen rechtlich verbindlichen Vertrag zu schließen, der die Voraussetzungen eines bürgerlich-rechtlichen Vergleiches 38erfüllt – das erleichtert die folgende Umsetzung der Abschlussvereinbarung. Wenn bereits ein Rechtsstreit anhängig war, können auch prozessbezogene Absprachen enthalten sein, wie Klagerücknahme, Kostentragung oder ähnliches. Das setzt natürlich voraus, dass die Teilnehmer an der Mediation über den Streitgegenstand disponieren können, also Inhaber der Rechte und Pflichten bzw. Prozessteilnehmer sind. Innerhalb der Grenzen der Vertragsfreiheit können die Parteien rechtsverbindlich alles regeln, was sie für richtig und notwendig halten, um ihren Konflikt zu beenden.
97Die Abschlussvereinbarung sollte SMART 39formuliert sein, das heißt:
– spezifisch (wer tut was genau, wann und wie?),
– messbar (klar, nachprüfbar und handlungsorientiert),
– annehmbar (erreichbar, ohne unangemessene Bedingungen und ausgewogen),
– realistisch (alle Hindernisse für die Umsetzung müssen berücksichtigt werden),
– terminiert (Zeitspannen für die Vertragsbedingungen sollen benannt werden).
98Wenn diese Kriterien eingehalten werden, erhöht das die Chancen auf die Nachhaltigkeit und Durchführbarkeit der Vereinbarung. Wenn etwa die Elemente der Abschlussvereinbarung nicht auf ihre Realisierbarkeit überprüft worden sind, nützt sie den Parteien wenig.
Beispiel : Ein Beteiligter an der Mediation verspricht den Anbau eines Außenfahrstuhls an ein Mehrfamilienhaus, obwohl dieser genehmigt werden muss und noch gar nicht klar ist, ob eine Baugenehmigung erteilt wird.
99Ist die Abschlussvereinbarung unklar oder zu kompliziert, oder besteht ein Ungleichgewicht, so dass sich eine Partei übervorteilt fühlt, kann es gut sein, dass der Mediation kein nachhaltiger Erfolg beschieden ist. Nur eine sicher formulierte Abschlussvereinbarung sichert auch den langfristigen Erfolg der Mediation. Um diesen, wenn nötig, schnell durchsetzen zu können, empfiehlt sich unter Umständen ein Anwaltsvergleich. 40
9.Durchsetzung und Vollstreckbarkeit
100Wenn die Parteien sich in einer nach allen hier beschriebenen Regeln der Kunst durchgeführten Mediation einvernehmlich geeinigt haben, stehen die Chancen sehr gut, dass diese Vereinbarung auch erfüllt wird – das ist ja auch der Sinn von Mediation. Es gibt aber vielfältige Gründe für eine verweigerte oder unvollständige Erfüllung der Abschlussvereinbarung. Die Frage ist also, wie man eine Abschlussvereinbarung durchsetzen kann, wenn eine der Parteien sich nicht an die gefundene Einigung hält und die Erfüllung der in der Mediation erarbeiteten Lösungen verweigert.
101Zunächst einmal ist eine rechtlich verbindliche Abschlussvereinbarung, wie oben beschrieben 41die entscheidende Voraussetzung dafür, dass das gefundene Ergebnis durchsetzbar ist. Eine nur mündlich geschlossene Vereinbarung verursacht vor allem große Beweisschwierigkeiten, weil man wegen der Verschwiegenheitsverpflichtung von Mediator und Parteien diese eben gerade nicht als Zeugen für die getroffene Einigung benennen kann.
Wenn der Mediationsvergleich bei Schwierigkeiten mit der Umsetzung wiederum eine Mediation vorsieht, müssen die Parteien sich zunächst auch darauf wieder einlassen.
102 a) Unterwerfung unter die sofortige Zwangsvollstreckung oder Gerichtsverfahren.Für die Durchsetzung vertraglicher Rechte aus einer in Deutschland durchgeführten Mediation mit einer Abschlussvereinbarung gilt grundsätzlich das anwendbare (Deutsche) Recht. Natürlich können die Parteien auch die Geltung einer anderen Rechtsordnung festlegen.
103Nach deutschem Recht ist es möglich, sich wegen einer Leistung der sofortigen Zwangsvollstreckung zu unterwerfen. Wenn die Abschlussvereinbarung mit der Unterwerfung unter die sofortige Zwangsvollstreckung von einem Notar beurkundet worden ist, kann man die in der Abschlussvereinbarung getroffene Vereinbarung vollstrecken, 42ohne ein Gerichtsurteil über die Forderung zu haben. Das geht auch mit einem sog. Anwaltsvergleich. Dieser wird von den Anwälten unterschrieben und unter Angabe des Tages, an dem er zustande gekommen ist, beim zuständigen Amtsgericht hinterlegt werden. 43Er kann dann auf Antrag einer Partei für vollstreckbar erklärt werden.
104Haben die Parteien sich in der Abschlussvereinbarung nicht formgültig der Zwangsvollstreckung unterworfen, müssen sie den üblichen Rechtsweg einschlagen, um einen vollstreckbaren Titel zu erhalten. Da der Mediationsvergleich sich im Prinzip nicht von anderen Verträgen unterscheidet, können die Parteien ihre jeweiligen Ansprüche aus der Abschlussvereinbarung auch gerichtlich durchsetzen – mit den bekannten Schwierigkeiten und Implikationen. Konfliktteilnehmer, die sich initial für eine Mediation entschieden haben, werden das im Zweifel vermeiden wollen, aber theoretisch ist es natürlich möglich.
105 b) Zurückbehaltungsrecht.Wenn beide Parteien aus dem Mediationsvergleich verpflichtet sind, hat jede bezüglich der eigenen Leistung ein Zurückbehaltungsrecht, d. h. sie kann ihre Leistung zurückbehalten, bis die fällige Gegenleistung bewirkt wird. Wenn eine Partei dieses Zurückbehaltungsrecht ausübt, ist sie nur zur Leistung Zug um Zug verpflichtet. 44
Beispiel : Wenn der Bauunternehmer nach der Abschlussvereinbarung zur Nachbesserung, der Bauherr zur Zahlung des restlichen Werklohns verpflichtet ist, muss der Bauherr erst zahlen, wenn der Unternehmer mit der Nachbesserung beginnt.
106 c) Sicherheitsleistung.Die Konfliktparteien können für den Fall, dass sie Bedenken hinsichtlich seiner Erfüllung haben, im Mediationsvergleich auch Vertragsstrafen oder die Hinterlegung einer Sicherheit, etwa in Form einer Bankbürgschaft, vereinbaren. Das muss in der Abschlussvereinbarung aber so klar geregelt werden, dass die Einzelheiten eindeutig bestimmbar sind. 45
10.Techniken und Interventionsmöglichkeiten in der Mediation
107Die Parteien in einer Mediation dahin zu führen, dass sie klar und lösungsorientiert miteinander kommunizieren, ist nicht immer einfach – nicht umsonst suchen sie dabei Rat und Hilfe. Dem Mediator steht dabei eine Vielzahl von Methoden und Interventionstechniken zur Verfügung, deren vollständige Darstellung den Rahmen dieses Ratgebers allerdings sprengen würde. Im Folgenden werden wir daher nur eine Auswahl der gängigsten Methoden vorstellen.
108 a) Shuttle-Mediation und Einzelgespräche.Vor allem in den USA nutzen Wirtschaftsmediatoren häufig die Shuttle-Mediation, dort auch „caucussing“ genannt. Nach ersten gemeinsamen Gesprächen in Phase 1 und 2 ziehen die Parteien in separate Räume und der Mediator pendelt zwischen ihnen hin und her. Die Kommunikation zwischen den Parteien findet also nur noch über den Mediator statt. Der Vorteil dieser Arbeitsweise ist, dass eine Eskalation zwischen den Parteien weitgehend ausgeschlossen ist und die Hemmschwelle einer offenen Kommunikation ausgeschaltet wird. Das ist gleichzeitig auch der Nachteil dieser Technik: eine Veränderung oder Transformation der Parteien hin zu optimierter Kommunikation miteinander und damit gleichzeitig zu besseren Beziehungen zueinander findet nicht statt. Dafür lässt sich Shuttle-Mediation auch gut telefonisch durchführen und ist daher leichter zu organisieren.
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