Wie lockt man in einem Interview den mächtigsten Mann der Welt aus der Reserve?
Dafür gibt es kein Patentrezept, aber ich denke, man muss sich sehr gut auf sein Wesen einstellen. Ich gebe ein Beispiel: Bush war als Typ ganz witzig und hatte auch einen Schalk im Nacken. Bei einer Frage ging es dann um den Iran und schon damals waren 60 Prozent der Deutschen davon überzeugt, er plane einen Angriff auf den Iran. Da fragte ich ihn, wie er sich das erkläre und ob er tatsächlich diesen Angriff plane. Er antwortete sinngemäß: »Nein, auf keinen Fall, ich weiß gar nicht, wie die Deutschen darauf kommen!« Da entgegnete ich: »Na hören Sie mal, letztes Mal, als Sie sagten, Sie hätten keine Kriegspläne auf dem Tisch, da hatten wir ein halbes Jahr später die Invasion im Irak. Was ist denn jetzt anders?« Das sagte ich mit so einem gewissen Grinsen und er musste daraufhin ein bisschen lachen, das war fast schon ein entlarvender Moment. Ich meine, er hatte gerade diesen Krieg gegen den Irak geführt, der Deutschland und die Welt empört hatte! Und bei der Frage zum Iran lacht er und sagt: »Ja, stimmt, aber jetzt ist alles anders, jetzt ist alles anders!« Dadurch kriegte das Interview zusätzlich zur inhaltlichen Komponente noch eine emotionale Komponente, die jeder so interpretieren konnte, wie er wollte. Wer ihn sowieso nicht ausstehen konnte, der sagte natürlich: Was für ein Zyniker, der lacht darüber, was ihm für ein Coup im Irak gelungen ist. Und wer es anders auf sich wirken lassen wollte, der hat das getan. Auf jeden Fall kam noch eine emotionale Dimension zu dem Interview hinzu. Und um diese Emotionalität herstellen zu können, muss man sich auf sein Gegenüber einstellen können. Hier hat es funktioniert.
SPITZNAME:Tommy.
ABI-NOTE:1,8.
WAS WOLLTEN SIE ALS KIND WERDEN?Missionar.
WAS MACHT IHNEN SPASS?Marathon laufen, Musik hören.
WOMIT HABEN SIE IHR ERSTES GELD VERDIENT?Rasen mähen.
Um ein anderes Interview beneiden wir Sie fast noch ein bisschen mehr, nämlich um das mit den »Rolling Stones« …
… ja! Das ist auch mein liebstes Interview.
Vor welchem waren Sie denn aufgeregter? Vor dem mit dem mächtigsten Mann der Welt oder vor dem mit der mächtigsten Rockband der Welt?
Vor Bush war ich aufgeregter, weil ich natürlich wusste, dass das für meine berufliche Laufbahn viel wichtiger war. Ganz klar. Aber bei den »Stones« hatte ich auch eine gewisse Aufregung. Ich sprach zuerst mit Mick Jagger und dann mit Keith Richards. Bei Mick Jagger war ich noch ein bisschen verhalten. Man nennt ihn ja auch den »Eisprinz«, weil er bei aller Freundlichkeit und Professionalität eben doch immer sehr kontrolliert bleibt. Keith Richards macht es einem leicht, locker zu sein …
Hat Keith Richards Ihnen etwa einen Whiskey angeboten?
(lacht) Nein, es gab nur Wasser, aber trotzdem war die Stimmung sehr heiter. Keith Richards erzählte, dass sie demnächst ein Konzert im US-Bundesstaat Wisconsin geben würden und ich sagte, dass ich da als Austauschschüler war. Daraufhin lächelte er und sagte: »Ah, bestimmt kein Zufall, dass du als Deutscher in Wisconsin gelandet bist. Wie geht’s dem Biergeschäft?« Es gibt nämlich viele deutsche Einwanderer in Wisconsin und viele Brauereien. Daraufhin entgegnete ich: »Das Biergeschäft kenne ich nur von der Konsumentenseite.« Da haben wir beide laut losgeprustet.
Trifft man als Journalist also ständig große Stars und Weltpolitiker?
Nein. Dass Journalisten nur in Washington, Rio oder Tokio vor der Kamera stehen oder Politiker und große Stars interviewen, ist der größte Irrglaube, den junge Menschen vom Journalismus haben. Solche Höhepunkte sind selten. Was viele nicht sehen, sind die zahlreichen Fehlversuche. Es kommt zum Beispiel häufig vor, dass man jemandem vergeblich hinterher telefoniert, sich eine Geschichte in Luft auflöst oder ein Interviewtermin platzt. Außerdem wird der Konkurrenzkampf häufig unterschätzt: Journalismus ist der einzige Beruf, in dem man sich fast mit anderen prügeln muss, um überhaupt Arbeit zu haben.
Und wie haben Sie Ihre Konkurrenten bezwungen?
Ich wurde manchmal unterschätzt, doch insgeheim wusste ich stets genau, was ich wollte.
Sie haben vorhin von den unterschiedlichen Etappenzielen gesprochen. Ist es wirklich planbar, Auslandskorrespondent oder Tagesthemen-Moderator zu werden oder muss da auch noch ein Faktor X hinzukommen?
Meine Lebenserfahrung hat mir Folgendes gezeigt: Wenn dein Ziel deinen Neigungen entspricht und du nicht nur Korrespondent werden willst, weil das exotisch aussieht und alle Deine Freunde sagen: »Boah cool, der ist in New York!« – dann ist ein konkretes Ziel zu haben von einer extremen, fast schon metaphysischen Kraft. Ich habe gerade ein Zitat von meinem großen Idol Bob Dylan gelesen. Er sagt: »Wenn du eine genaue Vorstellung hast von dem, wer du bist, und was du auf der Welt sollst, wirst du viele Leute extrem überraschen.« Wenn man also wirklich ein Ziel hat, eine Vorstellung davon, wohin man sein Lebensschiff steuern möchte, dann entwickelt das eine Kraft. Ich habe vor Kurzem auch ein Buch von einem Zellbiologen gelesen. Seine These: Wenn ich selber eine Vorstellung habe von dem, was ich will, persönlich, beruflich – das ist ja auch eine Einheit – dann äußert sich das in jeder Zelle. Man kann die äußere Wirklichkeit nicht erzwingen, aber man programmiert seinen gesamten Organismus, für Frequenzen offen zu sein, die man sonst übersehen, überhören und gar nicht merken würde. Nehmen wir Arnold Schwarzenegger. Zum Teil können wir über ihn lachen. Aber Arnold Schwarzenegger ist ein Denkmal der Kraft des positiven Denkens. Da kommt dieser Typ aus einem ganz armen Alpental in Österreich. Nicht Wien oder Salzburg, nein, nein. Er stammt aus einem richtig armen Alpental, aus einer ganz einfachen Familie. Und er hatte einen Traum. Er wollte der erfolgreichste Bodybuilder der Welt werden. Und er wurde tatsächlich »Mister Universum«, später sogar Gouverneur von Kalifornien. Und was Arnold Schwarzenegger heute ist, ist eigentlich nur der materialisierte Traum. Der Traum hat ihn da hingeführt. Ich bin kein Spiritualist oder so. Aber ich glaube, dass man um sich herum so ein Kraftfeld entwickeln kann. Und das trifft für jeden Beruf zu. du kannst ein Einwandererkind sein und kaum Deutsch sprechen, aber wenn du sagst »Ich will Mediziner werden!« oder »Ich will Anwalt werden!«, dann schaffst du das. Wer wirklich ein Ziel hat und dieses Ziel den Neigungen entspricht, wird es erreichen. Aber wenn es nicht Deinen eigenen Neigungen entspricht, dann wird es nicht so sein.
Das Erfolgsgeheimnis von Arnold Schwarzenegger war hammerhartes Training, verraten Sie uns auch Ihres?
Ich habe nicht verbissen auf »Mr. Tagesthemen« hingearbeitet, aber ich habe mich immer in diese Richtung bewegt. Und ich habe unterwegs, an mehreren Weichenstellungen, auch schon erreichte Erfolge wieder aufgegeben, um wieder eine Kurskorrektur vorzunehmen und wieder in die Richtung meines Berufstraumes zu gehen. Ein Beispiel: Ich war Moderator der »Aktuellen Stunde«, konnte auch als Reporter rausgehen und hatte eine schöne Mischfunktion. Die »Aktuelle Stunde« ist die Regionalsendung im WDR, bis heute sehr erfolgreich.
Wenn man dann Moderator ist, hat man natürlich eine sehr attraktive Funktion mit einer hohen Außenwahrnehmung. Aber ich wusste, wenn ich an meinem Ziel Auslandskorrespondent, meinem ersten Etappenziel, festhalten will, dann muss ich diesen Spatz in der Hand aufgeben, die Hand aufmachen und ihn fliegen lassen. Und es war eigentlich schon mehr als ein Spatz, es war eine Amsel oder eine Drossel, also ein schöner Singvogel. Diesen Vogel musste ich aber fliegen lassen und bin als Reporter zur »Tagesschau«-Zulieferung gegangen. Das hieß, ich blieb im WDR, aber ich ging wieder hinter die Kamera, um aus der Region Berichte für die »Tagesschau« und »Tagesthemen« zu produzieren. Aber ich war jetzt mit meinen Berichten eben nicht mehr nur im Regionalfernsehen präsent, sondern bundesweit bei unserer Flaggschiffsendung der ARD. Ob der Plan dann aufgeht, eines fernen, fernen Tages, unsere bundesweite Nachrichtensendung zu moderieren, das kann man dann noch nicht sagen. Da liegen dann wieder 15 Jahre dazwischen. Aber ich wusste, ich muss die eine Sache aufgeben. Ich kann nicht sagen, ich will weiter die »Aktuelle Stunde« moderieren und versuchen, direkt auf den »Tagesthemen«-Stuhl zu kommen oder direkt als Auslandskorrespondent ins Ausland zu gehen. Sondern ich musste erst mal beweisen, dass ich auch für das bundesweite Programm gute Storys umsetzen kann und als Reporter etwas tauge. Um dann die Chance zu kriegen, ins Ausland zu kommen. Sich konkrete Ziele zu setzen schützt also davor, in diese Falle des frühen Erfolges zu geraten und zwingt einen dazu, sich Rechenschaft abzugeben: Ist mir mein Berufstraum so wichtig, dass ich jetzt wirklich das, was ich schon habe, wieder aufgebe, um in die Richtung meines Berufstraumes zu gehen?
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