«Vielleicht. Nach den Kiondos mußten wir uns allerdings auch erkundigen.»
«Das stimmt. – Bist du noch böse?»
«Ich?» fragt Mettler verblüfft. «Warum denn das?»
«Wegen der Kiondos?»
«Ich war nicht böse. Wie kommst du denn auf die Idee?»
«Böse ist vielleicht nicht das richtige Wort, aber daß dir nicht gefällt, daß ich für Christina und Ali einkaufe … Auch wenn du so tust, als ob du mit allem einverstanden wärst …»
«Halt, halt. Wer ist hinter Lali hergehetzt? In Nairobi? Wer hat sein Büro im Ministerium gestürmt?»
«Wir beide.»
«Ja. Aber ich habe unseren Herrn Minister gezwungen, sich für uns einzusetzen. Ich lobte deine Idee über den grünen Klee …»
«Das stimmt. Du hast geredet wie ein Buch. Aber das meine ich nicht …»
«Ich habe dich zu diesem Zollbeamten begleitet, zu diesem … Den Lali uns empfohlen hat, der aussah wie ein Frosch? Zu Badawy! Ich habe alle Papiere Badawys mitunterschrieben, Papiere, die dich berechtigen, deine Einkäufe in die Schweiz zu exportieren …»
«Siehst du! Deine, meine. Unsere!»
«Nein, deine. Was um Himmels willen sollte ich in die Schweiz schicken? Ich versteh' doch nichts davon. Will ich auch nicht. Neinnein, das ist nun wirklich deine Sache. Es sind deine Geschäfte, auch wenn die ‹Ken-Art› uns beiden gehört. Die ‹Ken-Art›! Ein Papier, das uns erlaubt, Salatschüsseln und Holzmasken auszuführen. Daß es nicht einfach ist, Alis Laden mit wirklich schönen Waren zu beliefern, wissen wir mittlerweile beide. Allein um diese Kiondos zu finden, bist du drei volle Tage zwischen Mokowe und Malindi hin- und hergefahren …»
«Weil ich sie nicht bei irgendeinem Inder kaufen wollte, sondern von den Frauen, die die Taschen herstellen …»
«Ja, ich weiß. Und genauso müßtest du nun nach den schönsten Ohrringen und Halsketten suchen, nach Bastkörben, Holztierchen, nach allem und jedem. Wir führen ein Hotel. Ganz abgesehen davon, daß Ali und Christina von den Kiondos nicht begeistert waren …»
«Das wissen wir doch gar nicht. Es waren sehr schöne Sisaltaschen, schlichte und kunstvollere, eine ganze Palette …»
«Aber dreihundertundfünfzig!»
«Das ist nicht viel, letztlich ist es nicht viel. Ali kann ja einen Teil weiterverkaufen …»
«Ja, warum nicht. Und du schickst ihm noch einmal dreihundert. Tausend! In ganz Europa wird nur noch mit Kiondos eingekauft. Als hätten wir mit dem Hotel nicht schon genug zu tun.»
«Es macht mir Spaß.»
Mettler schweigt. Es kommt selten vor, daß Alice und er sich streiten. Alice ist nicht nachtragend, und er, du liebe Zeit, woher hätte er das Recht genommen, mit einer Frau zu streiten, der er immer wieder dankbar ist, daß sie ihm seine Schwächen nicht unter die Nase reibt. Er lernte von ihr, daß alte Geschichten nicht bei jeder Gelegenheit hervorgekramt werden müssen. Vorbei ist vorbei. Und sie erwartete, daß er ab und an Dinge zuließ, ohne daß sie seinem europäischen Dickkopf erst ein Licht aufstecken mußte.
Aber diese Kiondo-Geschichte ist etwas anderes. Sie ärgert ihn. Das ganze Brimborium um Badawy, Lali, ihre ‹Ken-Art› in Nairobi.
Alice hat behauptet, er sei eifersüchtig. Auf Ali. Auf Alis Freunde in der Schweiz. Weil der Junge auf Christina höre und nicht auf ihn. Aber so einfach läßt sich sein Unbehagen nicht erklären.
Wahr ist, daß sich durch die Gründung dieser unbedeutenden Firma kaum etwas verändert hat. Er weiß, daß es nicht viel mehr als eine Spielerei ist. Die ‹Ken-Art› bietet Alice die Möglichkeit, Ali ein paar Dinge für dessen Laden zu schicken, unkompliziert und ohne die Ausfuhrbestimmungen des Landes zu verletzen. Sie sind dem stellvertretenden Minister, Hemed S. Lali, der seine Beziehung zu ihnen all die Jahre weidlich ausnutzte, deswegen nichts schuldig. – Lali quartierte bei ihnen seine Gäste ein, nun baten sie ihn ihrerseits um einen Gefallen. – Auch dem Zollbeamten Badawy gegenüber, diesem Frosch hinter seinem Schreibtisch, sind sie zu nichts verpflichtet.
Er weiß, daß seine Vorwürfe lächerlich sind. Alice plant nicht, im Büro der ‹Ken-Art› zu arbeiten, ihrem Büro in Nairobi, das ihnen Badawy mehr oder weniger aufgezwungen hat. Sie lebt mit ihm zusammen, und nach wie vor erledigen sie gemeinsam die Arbeit, die die Führung eines Hotels mit sich bringt. Trotzdem.
«Siehst du, du bist doch böse», nimmt Alice das Gespräch wieder auf.
«Nein, aber ich …»
«Dir gefällt nicht, daß ich mich ein bißchen um Christina und Ali kümmere …»
«Das nennst du ein bißchen?»
Alice lacht. Sie sitzt am Kopfende des Bettes. Die Bettdecke ist zu ihren Füßen geglitten. Leicht nach vorne gebeugt, das Kinn in die Grube zwischen den Knien gestützt und die Arme um ihre Beine geschlungen, schaut sie durch die Dunkelheit zu Mettler, den sie kaum sehen kann. Der große Mann ist zwischen die Polster des Sessels gesunken. Nur gerade die Umrisse seiner kräftigen Schultern, die Wölbung seines eckigen Schädels zeichnen sich vor dem helleren Fenster ab.
«Was sitzst du denn dort am Fenster, wo ich dich nicht sehen kann? Komm doch ein bißchen näher, du alter Murrbär.»
«Brummbär, Alice. Es heißt Brummbär.»
«Nun komm schon, sonst hol' ich dich.»
Mettler steht auf, streckt sich, dehnt seine Glieder. Viel zu lange schon hockte er am Fenster. Er geht zum Bett und zieht das Moskitonetz beiseite. Mit einem Sprung wirft er sich quer übers Lager, rollt zu Alice, wo er ihr zu Füßen liegenbleibt.
Der leichte Schimmer auf der schwarzen Haut ihrer Beine, der sanfte Schwung ihrer Waden überraschen ihn, als sehe er sie zum ersten Mal. Seine Fingerspitzen folgen den schlanken Beinen, kribbeln über ihre Knie, kaum daß er sie berührt.
Ihre Zehen tasten seinen Körper entlang, wühlen sich in den Stoff seines Morgenrocks. Ein Kitzeln, Schaudern. Sie lösen seinen Gürtel und schälen ihn aus seinem Rock. Stückchenweise, ein aufreizender Tanz ihrer Füße.
Dann beugt sie sich über ihn, ihre Zunge berührt ihn, spielt mit ihm, während seine Hände zwischen ihre Beine gleiten. Sein Kopf. Leicht spürt er ihre Brüste. Ihr krauses Dreieck preßt sich gegen seinen Mund. Er genießt ihren Geruch, den leichten Duft nach Gras und Meer. Das Salz ihrer Grübchen.
Für einen Augenblick strahlt das volle Mondlicht ins Zimmer. Gestochen scharf schlagen die Schatten der Fenstersprossen schräg über den blanken Boden. Eine Windböe schleudert einzelne Tropfen gegen die Scheiben. Doch schon erlischt der Mond wieder, das Sturmfenster zieht sich zu, und das Zimmer versinkt erneut in einer tintigen Dunkelheit.
Kurz darauf beginnt es zu regnen. Und nur wenige Sekunden später prasselt ein Wolkenbruch auf die Dächer des Hotels. Das Brausen des Windes vermischt sich mit dem Rauschen des Regens, und aus der defekten Regenrinne plätschert der Wasserstrahl auf die Terrasse.
Mettler und Alice schlafen eng aneinandergepreßt inmitten der zerknüllten Laken. Ihr Kopf ruht auf seiner Brust, und ihr Bein, quer über seinen Bauch geschoben, drückt ihm auf die Magengrube.
Die Regenzeit ist Mettlers liebste Zeit. Nur ein Narr ginge jetzt noch aus dem Haus und zauste sich mit Wind und Wetter.
Wie der Erlös aus dem Goldverkauf auf das Konto einer Finanzgesellschaft in Vaduz, Fürstentum Lichtenstein überwiesen wird.
Schweizerische Kreditgesellschaft
Zürich 13-06-XY
Belastungsanzeige:
VOBIS TREUHAND
Dr. Hans Junghans
Postfach
8802 Kilchberg
Konto-Nr. 201/352499 POG
Ihr Auftrag 12-06-XY Begünstigte(r)
INTERVARIA ANSTALT / VADUZ
INTERVEST / Finanzgesellschaft
Konto-Nr. 732 000 / SPO
Val. 13-06-XY SFR 1,705,520.90
Unterschrift: Serge Meili
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