Dennoch, trotz des Elends und trotz vielfacher Entartung und Erschlaffung, gab es im ganzen Reiche treue Führer und gläubiges Volk. Das Vorbild von Luthers Persönlichkeit, seine kraftvolle und gütige Führung der Herde, seine unermüdliche Tätigkeit nach allen Seiten, sein Verantwortungsbewußtsein, seine freie Offenheit für alle Erscheinungen des Lebens hat in der protestantischen Geistlichkeit segensreich gewirkt.
Unter den Pfarrern der bäuerlichen und kleinstädtischen Gemeinden Deutschlands im 16. und 17. Jahrhundert, namentlich während des Dreißigjährigen Krieges, waren Helden. Ohne sich um die Streitigkeiten der Lehre zu kümmern, waren sie gute Hirten, erfinderisch, dem Volke beizustehen in seiner Not, bereit, ihnen voran zu sterben. Geistliche Führer solcher Art gab es auch unter den Katholiken. Die protestantischen konnten sich durch ihre Kinder ins Volk verzweigen, die die ihnen eingepflanzte Gesinnung in Familie und Öffentlichkeit betätigten. Jahrhunderte hindurch hat das evangelische Pfarrhaus durch seine Führung und Seelsorge und nicht zuletzt durch seine Söhne und Töchter Kultur und edles Menschentum verbreitet. Gewiß sind mehr als die Hälfte aller bedeutenden und guten Männer und Frauen im protestantischen Deutschland aus Pfarrhäusern hervorgegangen. Aber auch außerhalb des geistlichen Standes wirkte Luthers Geist fort, er wirkte durch das unendlich feine Geäder, das geistige Kräfte sich bilden, und durch die Bibel, das Lesebuch der protestantischen Deutschen, für viele Kreise das einzige Buch. Generationen protestantischer Deutscher wuchsen mit diesem Buch auf, erfüllten sich bewußt und unbewußt mit seinem Geiste, wurden von ihm geprägt. Dieser kräftige Strom ließe sich gewiß sowohl in den Erzeugnissen protestantischer Denker, Dichter und Künstler, wie im Leben und Treiben der Bauern und Handwerker, des ganzen protestantischen Teils der Nation nachweisen.
Das Größte an Luthers Wirksamkeit scheint mir doch das zu sein, was ihm unter seinen Zeitgenossen viel Gegnerschaft bereitete und wenig Verständnis fand, daß er, obwohl er selbst zum Entstehen wissenschaftlicher Theologie und Kritik beitrug, dem Eindringen des Rationalismus widerstand. Er ist dazu gekommen, die Mystiker zu bekämpfen, deshalb weil er die dem christlichen Glauben innewohnende Mystik unangetastet und unverwirrt haben wollte. Er hielt dafür, daß die Geheimnisse des menschlichen Daseins im Gleichnis des Christentums so weise gefaßt seien, daß es nicht erlaubt sei, sie in träumerischer und meist stümperhafter Weise weiter auszuspinnen. Andererseits hielt er dafür, daß die Geheimnisse des Glaubens sich dem Verstande entziehen und daß sie nicht durch den Versuch verstandesmäßiger Auflösung entkräftet werden sollen. Das Sakrament sollte nicht etwas Begreifliches bedeuten, da vielmehr das Unbegreifliche im Sakrament erlebt wurde.
Wie für die Malerei Rembrandts ist für die Musik Bachs und Händels der evangelische Glaube Luthers Voraussetzung. Sein Mittelpunkt ist der Bund Gottes mit den Gläubigen des Alten Testaments, den Gott im Neuen Testamente besiegelt durch die Hingabe seines Sohnes. Die Menschheitstragödie, zusammengefaßt in der Tragödie des Gottmenschen, das einmalig-ewige, irdisch-überirdische Ereignis, war der Gegenstand der mittelalterlichen Kirchenkunst und ist der Gegenstand der Musikkunstwerke des 17. Jahrhunderts. Einst in schweren Stein und lichte Farben übertragen, ist er nun vollends durchsichtig geworden im sublimen Mittel der Musik. Es ist schön und tröstlich, zu denken, daß die erhabenen Visionen der lutherischen Musik auch von den Katholiken, von allen gläubigen Christen ohne Zwiespalt aufgenommen werden können. Sie können es von allen Menschen, die an das Göttliche über den Menschen und in den Menschen glauben.
Dritter Band:
Untergang des Römischen Reiches Deutscher Nation
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
Leviathan
Der Fürstenstaat
Stände und Städte
Kampf gegen das Haus Österreich
Brandenburg
Dominium maris Baltici
Der Rheinbund
Ludwig und Leopold
Ludwigs erster Raubkrieg
Der holländische Krieg
Gegner Frankreichs
Ungarn und Türken
Straßburg
Umschwung
Der spanische Erbfolgekrieg
Aufschwung Rußlands
Leibniz
Atheismus und Machiavellismus
Deismus
Die Einheit des Abendlandes
Freimaurer
Orthodoxie und Pietismus
Preußen
Das Recht im absolutistischen Staat
Wirtschaft
Friedrich der Große
Die Kriege um Schlesien
Montesquieu und England
Wandel der Sprache
Die deutschen Menschen
Bauernbefreiung
Sachsen
Wien
Kirche und Staat in Österreich
Die Teilung Polens
Österreich und Preußen
Freiheit
Pestalozzi und Möser
Die Zauberflöte
Kosmopolitismus und Patriotismus
Untergang des Reiches
Der Machtstaat
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