SEELENFUNKE
NUTZE DIE KRAFT DER BÄUME
Nimm Platz bei einer Eiche oder unter einem Baum mit einer Mistel. Räuchere getrocknete Eichenrinde oder die Blätter der Mistel, und tauche in die Welt der Druiden ein. Vielleicht begegnet dir eines der Elementarwesen, versteckt in einer knorrigen Wurzel, in den vorüberziehenden Wolken oder in den Wellen eines Baches.
Hochkulturen: Tempelbauer für die Götter
War es vielleicht sogar der balsamische Duft heiliger Hölzer und Harze, der den Geist des Menschen für Schrift, Städtebau, Politik, Handel, Kunst, Wissenschaft, Kultur und Religion öffnete? Die größten Tempel der Menschheit wurden seit ca. 4000 v. Chr. dort gebaut, wo auch die wertvollsten Duftstoffe der Welt herkommen. Die Räucherstoffe der Hochkulturen wurden meist zu kostbaren Mischungen, wie zum ägyptischen Kyphi, verarbeitet und in großen Mengen den Göttern geopfert. Die kostbaren Mischungen dienten der Erbauung der Priester und Pharaonen – die kraftvollen Harze der Gesunderhaltung, Beruhigung und dem Erstarken des Volkes. Weihrauch ist der Sammelbegriff für die Harze tropischer und subtropischer Balsambaumgewächse (Burseraceae). Der klebrige Saft wurde und wird durch das Einritzen der kostbaren Bäume gewonnen. Den uns vertrauten Weihrauchgeruch liefert der Weihrauchstrauch (Boswellia sacra) aus den kargen Gebieten Afrikas, Arabiens und Indiens.
Einige der bekanntesten Räucherstoffe der Tempelbauer: Ägypten – Welt der Pharaonen:
Weihrauch, Myrrhe, Opoponax
Mesopotamien – versunkener Garten Eden:
Zeder, Zistrose, Galbanum
Arabien – Zauber des Orients:
Weihrauch, Myrrhe, Rose, Styrax
Indien – Paradies der Gewürze:
Sandelholz, Dammarharz, Zimt, Nelke
Südamerika – Inkas, Mayas und Azteken:
Copalharz, Palo Santo, Tonkabohne, Eukalyptus
SEELENFUNKE
BAU DIR EINEN TEMPEL
Wähle einen Duft der Tempelbauer einer Kultur, die dich besonders anzieht. Räuchere ihn in Stille während eines Gebetes oder einer Meditation.
Genieße die heilige, heilsame Zeit, und mache damit einen Stuhl, eine schöne Ecke, einen Meditationsplatz in deinem Zuhause zu deinem persönlichen Tempel.
Kultur des Ostens: Weg des Duftes
Weit im Osten gelegen blieb Japan für uns lange Zeit unentdeckt und somit auch seine Räuchertradition. Erst etwa Mitte des 6. Jahrhunderts kam das Räuchern von China nach Japan, und im japanischen Zen-Buddhismus entwickelte sich die wohl detailreichste und feinste Art des Räucherns: die Kunst des sogenannten »Koh-Doh« (»der Weg des Duftes«), bei dem man sich über den Geruchssinn bewusst und meditativ ins Hier und Jetzt versenkt.
Japanische Räucherstoffe:Sandelholz, Elemi, Jasmin
SEELENFUNKE
SPIEL MIT DEM RAUCH
Nimm dir Zeit für ein kreatives Duftspiel nach japanischer Art: Reiche einen Räucherduft in eine Runde aus Familienmitgliedern oder Freunden. Ein Spieler beginnt eine Geschichte mit einem bildreichen Satz, zu dem ihn der Duft inspiriert. Der nächste setzt die Geschichte fort, und so geht es weiter und weiter …
Bedrohte Kulturen in West und Ost
Viele Völker pflegten ihre eigenen Bräuche in farbenfrohen Zeremonien und mit uralten Räuchertraditionen, wie zum Beispiel die Ureinwohner Nordamerikas oder die Bergvölker des Himalaja.
Native Americans
Die Indianer Nordamerikas lebten (und leben) in tiefer Achtsamkeit mit der Natur. Sie sprechen mit den Geistern ihrer Ahnen, der Tiere und der Pflanzen, sind verbunden mit Mutter Erde und dem göttlichen Spirit. Räuchern ist wichtiger Teil ihrer Tradition und wird bei Friedenszeremonien (»Friedenspfeife«), bei der Visionssuche und Krafttier-Reisen, zur Vorbereitung auf die Jagd oder den Kampf, bei reinigenden Schwitzhütten- und Heilzeremonien und Lebensfesten eingesetzt.
Düfte der Native Americans:Weißer Salbei (Smudge Sticks – Räucherbündel), Wacholder, Beifuß, Tabak
SEELENFUNKE
(BE)SUCHE DEIN KRAFTTIER
Räuchere an einem kraftvollen Platz in der Natur mit einem Smudge Stick aus Salbei oder Beifuß. Schließe die Augen, und öffne dich im Inneren dafür, dass sich dein Krafttier zeigt. Es kann dir in einer Vision oder auch im Außen begegnen. Klein oder groß – Krafttiere stehen für Emotionen, Antriebskraft, zu entwickelnde Charakterstärken oder für seelisches Potenzial.
Tibet und Nepal
Am Dach der Welt zu überleben funktioniert nur mit größter Ausdauer, im Zusammenhalt der Familie und in Verbundenheit mit der kargen Natur. Da braucht es fleißige Hände, ein offenes Herz, Humor, Freundlichkeit und tiefe Gespräche mit Gott. Die Räucherstoffe, die bei Gebetsmühlen, Wegmarken und auf Passübergängen am »Dach der Welt« verräuchert werden, bieten, ähnlich wie bei uns die Stationen der »Kreuzwege«, die Gelegenheit, im harten Alltag und auf schwierigen Wegen im Gebirge innezuhalten, Atem zu holen, um Schutz und Segen zu bitten und in Gebet und Meditation die Verbindung zur göttlichen Kraft zu pflegen.
Räucherstoffe des Himalaja:Narde, Sal-Harz, Galgantwurzel, Räucherschnüre mit Himalaja-Salbei, handgedrehte Räucherstäbchen, Tibetischer Beifuß »Ganden Khämpa«, Wacholder
SEELENFUNKE
RÄUCHERSTÄBCHEN, SELBST GEMACHT
Mache dir eigene »Räucherstäbchen« aus den Stängeln von getrocknetem Lavendel, Salbei, Schafgarbe oder Johanniskraut, die nach dem Abrebeln der Kräuter sonst oft weggeworfen werden.
Antike: Die Düfte beflügeln den Geist
Die reichen Mittelmeerländer waren durch ihr Klima mit heilkräftigen Kräutern voller ätherischer Öle gesegnet: stärkender Rosmarin, wohlschmeckender Oregano, erfrischender Salbei und würziger Thymian. Lorbeer schmückte die Sieger Roms und Myrte das Haar griechischer Bräute. Die kostbarsten Harze des Orients wurden über den Seeweg gehandelt. Mastix, das Harz des Pistazienbaumes, wurde geräuchert und in der Zahnpflege und Kosmetik geschätzt. Die Psychologie der Düfte wurde von den Minoern, Griechen und Römern entdeckt. Die Schwefeldämpfe beim Heiligtum von Delphi dienten den Priesterinnen für ihr Orakel und Weissagungen. Dichter und Denker fanden Inspiration in den Wohlgerüchen, und die genussfreudigen Römer schwelgten darin bei rauschenden Festen.
Düfte der Griechen:Iriswurzel, Lorbeerblätter, fossiles Bernsteinharz, Mastixharz, Salbei, Piniennadeln und Pinienharz
Düfte der Minoer auf Kreta:Zistrose, Koriander, Majoran, Kamille
Düfte der Römer:Kamille, Oregano, Lavendel
SEELENFUNKE
HELDENREISE
Räuchere zerkleinerte Lorbeerblätter, um dich wie ein römischer Sieger zu fühlen, und wirf dich in Pose. Lass sanften Lavendelduft deinen Geist klären und erhellen, oder bade im sinnlichen Duft des Zistrosenharzes »Labdanum«, und begib dich auf eine innere Heldenreise.
Mittelalter: Kirche, Pest und Klostergarten
Durch die Kreuzzüge kamen die Harze und Duftpflanzen aus dem Heiligen Land nach Mittel- und Nordeuropa. Die edlen Düfte waren den Königshäusern und dem Klerus vorbehalten. Das Volk musste sich mit den heimischen Harzen von Fichte, Tanne, Zirbe und Wacholder behelfen, die – mit Kräutern wie Beifuß, Johanniskraut, Mädesüß, Königskerze oder Alantwurzel vermengt – in der Kirche geweiht und so als »Weihrauch« in Haus und Stall verräuchert wurden.
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