Wie Phönix aus der Asche
Beim Älterwerden trat diese Naturverbundenheit vorerst in den Hintergrund. Ich befand mich auf der Suche danach, wer ich war und wo ich hingehörte – bis ich Ende zwanzig an einem Tiefpunkt angekommen war: geschieden, beruflich unzufrieden und x-mal umgezogen. Bei einem Trommel- und Selbsterfahrungsseminar wurde auch geräuchert, und da gab es dieses Räucherwerk namens »Schutzengel«. Es war die Wiederbegegnung mit einem alten Freund – einem Duft meiner Kindheit und dem Gefühl, »zu Hause zu sein«! Ich lernte kurz darauf den Hersteller dieser Kostbarkeit kennen, Egon Pobuda, und ich verbrachte die nächsten Jahre damit, das Räucherhandwerk von der Pike auf zu erlernen.
Ich begann, mich selbst darin völlig neu zu entdecken. Das Räuchern ist nun seit 1998 mein Beruf und meine Berufung. Ich staune täglich, wie es die Menschen und ihre Lebensräume bis ins tiefste Innere berührt. Beim Erforschen des Räucherns in den alten Ritualen, beim Erkunden der Pflanzenwelt, durch die professionelle Räucherarbeit im Team mit meinen Kollegen Egon und Regina, beim Austausch mit anderen Berufszweigen – mit Medizinern oder Therapeuten – und beim Räuchern für Menschen, Tiere und Räume zeigten sich unterschiedliche Methoden. Jede dieser Räuchertechniken hat ihre Berechtigung – es gilt, nicht zu werten oder zu urteilen, sondern das Individuelle an jeder Methode zu würdigen und das Gemeinsame, das Verbindende darin zu finden.
Räuchern für die Seele
Dieses Buch entstand, damit du den passenden Weg für dich entdecken kannst. Dem Herzen folgend – und immer der Nase nach!
Seele ist ewig, sie ist pure Liebe, ein Funken göttlicher Kraft. DU BIST SEELE! Um auf dieser Welt leben und lernen zu können, braucht die Seele unterschiedlich schwingende »Hüllen«, wie den Körper, Gefühle und den Verstand. Jeder Ort, jeder Raum schwingt ebenfalls auf unterschiedlichen Ebenen und wirkt so auf uns ein. Räuchern für die Seele bedeutet, Energien in diesen Hüllen und Ebenen zu lösen, zu harmonisieren, sie wieder neu aufzubauen. So kann das Räuchern Nahrung für die Seele sein!
ACHTSAMKEITSHINWEIS
Ich habe dieses Buch nach bestem Wissen und Gewissen aufbauend auf meinen langjährigen Erfahrungen geschrieben. Dennoch darf das Räuchern, nach heutiger Definition, nicht als Heilweise bezeichnet werden. Es ersetzt keinesfalls eine medizinische Behandlung durch kompetente Ärzte oder professionelle Therapeuten, weder für Menschen noch für Tiere! Räuchern kann duftend zum Wohlbefinden beitragen und die mit der Heilung verbundenen seelischen Prozesse von innen heraus begleiten.
Die Geschichte des Räucherns
Nehmen wir gemeinsam die Duftspur des Räucherns auf: von den Ursprüngen an den Feuerstellen der Frühzeit bis hinein in unsere Wohn- und Arbeitsräume. Am Anfang war das Feuer – und gleich darauf folgte auch sein Duft. Das Räuchern begleitet die Geschichte der Menschheit von Anbeginn. Es ist überall auf der Welt beheimatet und – wie eine kostbare, duftende Schatzkiste – gefüllt mit dem Wissen der Völker über ihre Pflanzen und deren Wirk- und Heilkräfte, ihre Geschichte und Traditionen, ihre Spiritualität und ihre Auffassung vom Sinn des Lebens. Die tiefsten Geheimnisse eines Volkes wurden am Feuer überliefert, lange noch, bevor es schriftliche Aufzeichnungen gab: lebendig, in bildreichen Geschichten, alle Sinne berührend, bis jedem vor Staunen der Mund offen stand. Das war Lernen durch Erleben.
Urzeit der Menschheit: Feuer und Flamme
Für Jahrmillionen waren alle Lebewesen einzig dem Rhythmus von Tag und Nacht unterworfen, von Hitze und Kälte, den Jahreszeiten. Vor etwa 1,5 bis 1 Millionen Jahren begann der Homo erectus, natürlich entstandenes Feuer für sein Überleben zu nutzen. Aber erst vor etwa 400.000 Jahren lernten die Menschen, es auch selbst zu entfachen. Das Feuer schenkte Wärme und Geborgenheit, Schutz vor wilden Tieren und bekömmlichere Nahrung – es sicherte so das Überleben.
SEELENFUNKE
ENTDECKE DAS FEUER IN DIR
Entzünde von Zeit zu Zeit in sicherem Rahmen ein Feuer. Im Flammenspiel eines Kaminfeuers können Alltagssorgen verblassen; genieße bei Kerzenschein ein romantisches Essen oder eine beruhigende Meditation; schaffe Raum für eine Pause durch ein Räucherritual, oder spüre die Urkraft der Natur am Lagerfeuer. Entdecke so das Feuer in dir, und genieße den Duft unterschiedlicher Zweige und Hölzer, die du ins Feuer gibst. Es verwandelt, nährt und wärmt. Es führt dich zu deinem Innersten – zu deinem Seelenfeuer.
Altsteinzeit: Überleben der Nase nach
Die sensiblen Nasen der Frühmenschen warnten vor Wetterwechsel, wilden Tieren oder unverträglicher Nahrung – bis heute dient der Geruchssinn als Warnsinn. Jede Pflanze musste auf Genießbarkeit erprobt werden, und es wurden dabei auch die aromatischen Hölzer, Harze, Wurzeln und Kräuter entdeckt. Der Duft der Pflanzen wurde eingeatmet, in der Erinnerung abgespeichert und, wie alle Düfte, mit unserer archetypischen Bilder- und Gefühlswelt verknüpft. Man kannte den Geruch seiner Höhle – und konnte ihn nun selbst gestalten und verändern. Paläontologische Forschungen zeigen, dass in der Zeit der Neandertaler, zwischen 90.000 und 35.000 v. Chr., bereits Räucherrituale bekannt waren.
SEELENFUNKE
EIN SICHERES ZUHAUSE
Probiere beim Räuchern, wie es in den Behausungen der frühen Menschen duftete: nach schützendem Wacholderholz, erfrischendem Tannenharz, stärkender Kiefernrinde oder mutmachenden Lärchennadeln.
Und wenn du das nächste Mal dein Zuhause betrittst: Wie nimmst du den »Duft deiner Höhle« wahr?
Wie riecht dein Zuhause?
Jungsteinzeit: Sichtbares und Unsichtbares
Die Fertigkeiten der Menschen im Kampf ums Überleben nahmen zu. Sie hüteten das Feuer, entwickelten Werkzeuge, Kleidung aus Tierfellen und sammelten Wissen um die Nutzung von Pflanzen. Langsam wurden unsere Vorfahren sesshaft. Das Räuchern entwickelte sich, ähnlich wie die verfeinerte Zubereitung der Nahrung, weg von Einzelstoffen hin zu balsamischen Duftmischungen. Der Mensch verehrte mit Ritualen und Düften die Verbindung zwischen der sichtbaren Natur und den unsichtbaren Götterwelten. Von etwa 7200 v. Chr. stammen Funde von »Räucherkuchen« aus der Region des heutigen Dänemarks und Schwedens. Schamanen versetzten sich mit halluzinogenen und psychoaktiven Pflanzen wie Alraune, Bilsenkraut oder Stechapfel in Trance und visionäre Zustände.
SEELENFUNKE
REISE ZU DIR SELBST
Jede Räucherung öffnet die Tore für innere Erfahrungen. Es ist unnötig, sie mit halluzinogenen Pflanzen aufzureißen. Schließe bei jeder Räucherung die Augen, richte die Aufmerksamkeit auf den Punkt zwischen deinen Augenbrauen (dort befindet sich das dritte Auge), und stelle dir vor, wie sich eine Tür öffnet und deine Reise nach innen beginnt!
Kelten und Germanen: Rhythmus des Lebens
Die ersten Nordeuropäer beobachteten den Lauf von Sonne und Mond bei Externsteinen und Felsheiligtümern, errichteten als Erste Kalender-Steinkreise, und Dolmenreihen, und Kult- und Opferstätten entstanden – überall dort ging Rauch auf. Pflanzen wurden nicht als bloße Träger von Wirkstoffen gesehen, sondern galten als beseelte Wesen mit heilenden und heiligen Kräften. Alles in der Natur war von Elementarwesen belebt: die Bäume und Blumen von Elfen und Gnomen, die Steine und Berge von Zwergen und Riesen, die Gewässer von Nixen und Wassermännern, die Luft von Sylphen, das Feuer von Drachen und Salamandern. Druiden waren die alten Weisen, denen wir unsere traditionellen Feste zu Ehren von Sonne, Mond und Erde verdanken. Als heilige Pflanzen galten die Mistel und die Eiche, beliebt waren auch Alantwurzel, Beifuß- und Johanniskraut.
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